Rathausaffäre vor Gericht: Ein Angeklagter zeigt sich reumütig, die beiden anderen tun es nicht
In der Rathausaffäre von Hannover steht der Vorwurf im Raum, der frühere Büroleiter des damaligen Oberbürgermeisters Stefan Schostok habe unrechtmäßig über mehr als zwei Jahre eine Zulage erhalten, insgesamt sind es knapp 50.000 Euro aus der Stadtkasse gewesen. Seit gestern stehen die drei Hauptbeschuldigten wegen schwerer Untreue oder Anstiftung dazu vor dem Landgericht Hannover: der damalige Personaldezernent Harald Härke, der die Auszahlung angewiesen hatte, der damalige Oberbürgermeister Schostok, der davon gewusst haben und nicht eingeschritten sein soll und der damalige Büroleiter Frank Herbert, der die Zulage einforderte und auch kassierte.
Einzig Härke räumte seine Fehler ein: „Mein Verhalten war nicht richtig und ich entschuldige mich dafür“, sagte er. Schostok beharrte weiter auf seiner Darstellung, von der rechtlichen Angreifbarkeit der geltenden Regel bis Oktober 2017 nichts gewusst zu haben. So stellt es auch Herbert da, der als einziger in diesem Kreis ein ausgebildeter Jurist ist. Das Besoldungsrecht und die Kommunalverfassung erlauben keine Mehrarbeitsvergütungen an Beamte mit B-Besoldung, zu denen Herbert mit B2 zählt. Auch eine Aufstufung auf mehr als B2 ist bei Kommunalbeamten, die keine Wahlbeamten sind, laut Gesetz nicht zulässig.
Schostok wollte einen starken Juristen im Rathaus an seiner Seite
Wie es trotzdem zu der Zulagenzahlung kam, wurde am ersten Prozesstag vor der 18. Großen Strafkammer unter Richter Patrick Gerberding lange erörtert. Härke berichtete zunächst, dass der juristisch unerfahrene Schostok nach Amtsantritt im Oktober 2013 einen starken Juristen als Dezernenten an seiner Seite haben wollte, Herbert war dafür ausgewählt worden. „Wie ein Chef der Staatskanzlei für den Ministerpräsidenten“, sagte Schostok gestern dazu.
Der geplante Neuzuschnitt der Dezernate sei dann aber am Widerstand von SPD und Grünen im Rat gescheitert. Herbert konnte so nicht auf die B7-Position eines Dezernenten gehievt werden, als rechte Hand des OB hatte er aber Aufgaben, die über die B2-Besoldung hinausgingen. So wurde Härke gebeten, mit dem Innenministerium als Kommunalaufsicht zu klären, wie man Herberts Rolle aufwerten könne. Härke berichtet gestern in der Verhandlung, er habe sich damals an 2012 zurückerinnert, als er die Kommunalaufsicht fragte, ob man den damals frisch eingestellten Herbert nach B2 besolden dürfe. Die Antwort sei gewesen, dass die Stadt dies eigenständig regeln könne und keine vorherige Genehmigung brauche.
Also entschied Härke, die Zulage für Herbert anzuordnen – trotz der rechtlichen Bedenken, die im Fachbereich Personal des Rathauses schon 2014 geäußert und auch zu Papier gebracht wurden. Was Härke missachtete, war das gesetzliche Verbot von Zulagen für die B-Besoldung, zu dessen Missachtung auch das Innenministerium nicht ja gesagt hätte. Womöglich widerfuhr Härke dieses Versäumnis auch, weil die Stadt Hannover zeitgleich mit dem Innenministerium über eine Höherstufung des hannoverschen Feuerwehrchefs verhandelte – und das Ministerium sich hier zunächst recht aufgeschlossen gegenüber diesem Anliegen gezeigt haben soll.
Zweifel an der Glaubwürdigkeit ist durchaus erlaubt
Von Ende 2016 an, als Herbert schon lange seine Zulage erhielt, spitzte sich die Diskussion zu. Zunächst ging es um die Nachfolge des Finanzdezernenten Marc Hansmann, der zu den Stadtwerken wechselte. Herbert bewarb sich um den Posten, aus dem rot-grünen Lager im Rat wurde ihm aber nicht die nötige Unterstützung signalisiert. Dies muss das Verhältnis zwischen dem OB und Herbert nachhaltig gestört haben, und Herbert forderte nun umso energischer eine Aufstufung seiner Zulage ein – nicht, wie bisher gezahlt, den Unterschiedsbetrag zwischen B2 und B5, sondern den zwischen B2 und B7.
Härke fragte im Personal-Fachbereich nach und erhielt den erneuten Hinweis auf rechtliche Bedenken, die schon 2014 bestanden. Diesmal trug Härke dies, wie er sagt, Herbert und auch dem OB vor. Herbert sagt, er habe von Härke keinen Hinweis auf Probleme, sondern eine Lösung erwartet – schließlich sei er davon ausgegangen, die Kommunalaufsicht würde die Mehrarbeitsvergütung prinzipiell billigen. Schostok erklärt, Härke habe ihm nur von Problemen bei der Erhöhung der Zulage berichtet, nicht aber davon, dass es gegen die Zulage an sich rechtliche Bedenken gebe. „Ich bin mit Besoldungsfragen überhaupt nicht befasst gewesen“, rechtfertigt sich der frühere OB vor Gericht, später noch: „Ich muss mich auf die fachliche Einschätzung meiner Mitarbeiter verlassen können.“ Härke will mit Schostok schon im Februar 2017 detailliert über die Probleme gesprochen haben – doch Schostok sagt, dies sei gar nicht im Detail geschehen, nur allgemein.
Herbert verweist auf ein intensives kurzes „Personalgespräch“ im April 2017, doch Schostok hat in seinem Terminkalender nachgeschaut und keinen entsprechenden Eintrag gefunden. Herbert wiederum forderte, wie aus den Akten hervorgeht, im Februar 2017 vehement die Erhöhung seiner Zulage mit dem Hinweis, dies sei „rechtlich vertretbar“. Dass er bei der eigenen rechtlichen Prüfung auf die Rechtswidrigkeit der Zulagenpraxis gestoßen wäre, bestreitet er aber in der gestrigen Verhandlung. So sind an der Glaubwürdigkeit mehrerer Einlassungen gerade von Herbert und Schostok durchaus Zweifel erlaubt.