Radikalisierung verhindern: Kompetenzzentrum zieht Bilanz
Vor einem Jahr hatte die Landesregierung die Kompetenzstelle Islamismusprävention Niedersachen (Kipni) gegründet, um die staatlichen Akteure besser miteinander zu vernetzen und islamistische Radikalisierung effektiver zu bekämpfen. Nun hat das beim Innenministerium angegliederte Netzwerk erstmals Bilanz gezogen. Die wesentlichen Strukturen seien mittlerweile eingerichtet, sagte Kipni-Leiterin Daniela Schlicht, jetzt müsse sich nur noch die Routine in der Zusammenarbeit einstellen. Andreas Schwegel, Leiter des Kipni beim Landeskriminalamt betonte, dass bei der Bekämpfung von Radikalisierung vor allem zwei Dinge wichtig sind: Abstimmung und die Fähigkeit, Ruhe zu bewahren.
Was hat sich durch das Netzwerk geändert? Schon vorher haben Landeskriminalamt und Verfassungsschutz eng zusammengearbeitet und etwa einen Maßnahmenkatalog festgelegt, wie sie mit Moscheen umgehen, in denen Muslime offenbar radikalisiert werden. „Wir haben uns schon damals darauf geeinigt, die örtlichen Behörden wie die Stadtverwaltung und Multiplikatoren wie Medien und Verbände miteinzubeziehen und ihre Kenntnisse zum Thema Radikalisierung zu schulen“, sagt Schlicht. Nun allerdings sitzen neben den Sicherheitsbehörden auch Kultus- und Sozialministerium sowie der Landespräventionsrat und der Verein „beRATen“ regelmäßig mit am Tisch, wenn es um den Umgang mit Verdachtsfällen von Radikalisierung, islamistische Straftäter und Treffpunkte von Salafisten geht. „Der Vorteil dabei ist, dass es keine Doppelmaßnahmen mehr gibt und keine Lücken“, sagt Schlicht.
Zudem kenne jeder seine Ansprechpartner und müsse nicht erst langwierige Umwege durch die Behörden auf sich nehmen. Melike Dursun, beim Sozialministerium zuständig für den Verein „beRATen“, skizziert, was das für die familienpädagogische Beratung heißt. „Wenn die Eltern eines mutmaßlich radikalisierten Schülers mit uns zusammenarbeiten, können wir viel ausrichten. Aber wir erleben es auch, dass die Eltern entweder nicht verstehen, was wir von ihnen wollen, oder es sie schlichtweg nicht interessiert. Dann müssen wir auch an die Lehrer herantreten.“ Hier sei der Kontakt zu den Experten im Kultusministerium besonders wertvoll.
Mehr Schulungen für Lehrer
Radikalisiert sich nun ein Schüler oder es besteht der Verdacht, so reagiert das Netzwerk – und mahnt erst mal zur Ruhe. „Es gibt keine Checkliste, ob ein Jugendlicher radikalisiert ist oder nur provozieren will“, sagt Schwegel. Ein paar Hinweise gibt er dennoch. So gebe jemand, der tatsächlich in Feindbildern von Gläubigen und Ungläubigen denkt und nicht nur damit spielt, einen Anlass zur Besorgnis. Zeichen für eine Radikalisierung seien auch aggressives Missionieren oder der stetige Rückzug aus dem Klassenverband. „Das muss aber nicht bei jedem so sein, oft radikalisiert sich auch eine ganze Gruppe“, sagt Schwegel. Er rät Lehrern deshalb dazu, sich erst einmal mit den Kollegen zusammenzusetzen, die mit dem Schüler viel zu tun haben, und sich eine gemeinsame Meinung zu bilden. „Das wird viel zu selten getan“, sagt Schwegel. Einmal aktiviert, bleibe das KIPNI jedoch nicht untätig. „Wir vermitteln den Kontakt zu Beratungsstellen und besuchen auch gern die Schule, um über Salafismus und Radikalisierung aufzuklären.“
Jochen Walter vom Kultusministerium ergänzt, dass die Lehrer in solchen Fällen nicht nur Kontakt zu den Eltern suchen sollten, sondern auch zum Betroffenen selbst. „Man muss doch den Grund für das Handeln des Schülers kennen und dafür muss man den Dialog suchen.“ Voraussetzung dafür sei allerdings, dass Lehrer zu diesem Thema geschult seien. Hier will das Kompetenzzentrum sich noch stärker engagieren.