Privatflugzeuge dank Corona im Aufwind: ACC Columbia aus Hannover profitiert
Viele Wirtschaftszweige sind durch die Corona-Pandemie tief in die Krise gestürzt worden. Ein mittelständisches Unternehmen aus Hannover befindet sich aber gerade jetzt umso mehr im Aufwind: Die ACC Columbia Jet Service GmbH, die man sich als eine freie Kraftfahrzeugwerkstatt für Privatflugzeuge vorstellen kann, bekommt immer mehr Reparaturaufträge. „Die Branche wächst – auch gerade bedingt durch Corona. Die Unternehmen, die gewillt sind, ihre Manager mit einem Privatflugzeug reisen zu lassen, sind mehr geworden“, sagt Geschäftsführer Nils Janßen. Das Leistungsspektrum seiner Firma reicht von der Flugzeugwartung über komplexe Modifikationen und Upgrades bis hin zu schweren strukturellen Reparaturen. Vor allem große Konzerne lassen ihre Maschinen in den Hangars des Unternehmens auf Vordermann bringen, aber Privateigentümer – darunter auch Promis und Superreiche – gehören zu den Kunden.
„So ein Flugzeug ist immer eine Zeitmaschine“, bringt Janßen den größten Vorteil eines Privatjets auf den Punkt. Wie groß die Zeitersparnis durch den eigenen Flieger sein kann, macht er am Beispiel der Verbindung Hannover-London fest. Auf dieser Strecke gibt es nur wenige Direktflüge. Ein Hinflug mit Umweg über Frankfurt und ein Rückflug über München sei deswegen nicht ungewöhnlich. „Da ist man einen halben Tag unterwegs. Mit einem Geschäftsreiseflugzeug schaffst du das in anderthalb Stunden und brauchst nicht im Terminal anstehen, Gepäck aufgeben und einchecken. Du gehst direkt durchs General Aviation Terminal zu deinem Flugzeug und fliegst los.“
Der Airliner wartet nicht – die Chartermaschine schon
Zudem sei man viel flexibler. „Ein Airliner wartet nicht auf dich. Das Flugzeug, das du charterst, schon.“ Dass man beim Reisen mit einem Privatflugzeug viel Zeit sparen kann, ist natürlich schon lange bekannt. Doch das Bewusstsein dafür sei viel größer geworden, nachdem aufgrund von Covid-19 der Linienflugbetrieb auf manchen Strecken komplett eingestellt wurde. Dadurch hätten viele Unternehmer, aber auch Privatpersonen, zwangsweise auf Chartermaschinen umsteigen müssen – und sind offenbar auf den Geschmack gekommen. „Der Flugzeugmarkt ist leergefegt. Viele Flugzeuge, die vor der Pandemie zu Verkauf standen, sind mittlerweile verkauft und werden auch eingesetzt“, sagt Janßen.
ACC Columbia profitiert aber nicht nur vom Branchenwachstum. Managing-Director Janßen und sein Kollege Christian Kinitz konnten für den Verkaufsbereich einige sehr gut vernetzte Mitarbeiter dazugewinnen. „Die helfen uns, unseren Kundenstamm in verschiedenen Märkten beständig zu erweitern. Nicht nur Deutschland oder Europa. Wir sind mittlerweile so weit, dass wir auch auf dem asiatischen Markt Kunden ansprechen, die Flugzeug-Großprojekte haben“, berichtet der. Für eine zweitägige Wartung fliege zwar niemand von Shanghai nach Hannover. „Aber wir spezialisieren uns auf die großen Inspektionen, die zwischen zwei bis sechs Monate dauern.“ Das Unternehmen mit Hauptsitz in Langenhagen könne da nicht nur über die Qualität, sondern auch über den Preis punkten.
Jets aus aller Welt fliegen zur Wartung nach Hannover
Besonders interessant sei Russland, wo es besonders viele Businessjets gibt. Inzwischen versucht ACC Columbia aber auch noch auf einen anderen wichtigen Markt zu erschließen. „Um Flugzeuge zu warten, die in den USA registriert sind, braucht man eine bestimmte Zulassung. Die haben wir im letzten Jahr erworben“, sagt Janßen. Genau wie Schiffe sind auch Flugzeuge immer in einem bestimmten Staat registriert. Als in Deutschland zugelassenes Unternehmen darf ACC Columbia an allen Flugzeugen aus dem Bereich der EASA (Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit) arbeiten. „Für alle nicht-europäischen Drittländer brauchen wir eine Extra-Genehmigung, die von den zuständigen Luftfahrtbehörden auditiert wird“, erläutert Janßen. Viele Privat- aber auch Firmenflugzeuge werden in Steuerparadiesen wie etwa den Kanalinseln, Isle of Man, den Cayman Islands oder Bermuda zugelassen.
Die Wartung eines Flugzeugs ist penibel durchreglementiert, extrem aufwendig und wird bis ins Detail dokumentiert. „Jede Beanstandung bekommt eine Item-Nummer, damit der Kunde sehen kann, wie der Auftrag wächst“, erzählt Janßen und zeigt im Hangar ein auseinandergeschraubtes Flugzeug, an dem über 200 bunte Bändchen befestigt sind. „Orangene Bändchen besagen, dass an dieser Stelle ein Schaden ist, der repariert werden muss“, erläutert Janßen und ergänzt: „Häufig ist das Rost.“ Gelbe Fäden signalisieren den Mechanikern, dass vorm Zusammenbau noch Kabel oder Hydraulikleitungen verbunden werden müssen. Die Wartung findet entweder nach Flugstundenintervallen statt oder orientiert sich an der Lebensdauer des Fliegers. „Bei einem Bombardier Global geht das bei sechs Monaten los“, sagt der ACC-Geschäftsführer und blickt auf den Jet im Hangar: „Hier machen wir gerade die 240-Monats-Kontrolle. Da haben wir planmäßig angeboten: zwölf Wochen. Wenn wir aber Beanstandungen finden, verlängert sich die Standzeit um weitere Monate.“
Viele Eigentümer nutzen die Wartung, um ihre Flugzeuge bei Technik und Komfort aufzurüsten. „Dieser Flieger bekommt unter anderem auch ein neues Kabinenmanagementsystem, neue Cockpit-Displays und eine Antenne für schnelles Internet in der Luft.“ Für die Eigentümer lohne sich das auch finanziell. Der 20 Jahre alte Jet etwa werde bei Verlassen des Hangars auf demselben technischen Stand sein wie eine hochmoderne Maschine, deren Neupreis acht- bis neunmal teurer ist als die Umrüstung.
Warum sollten Flugzeugbesitzer eine freie Werkstatt heranziehen und nicht den Hersteller? „Solange wir am Markt sind, können wir dafür sorgen, dass es zu keinem Herstellermonopol kommt“, sagt Janßen. Zudem sei es ein Qualitätsvorsprung, dass ACC Columbia kein Großkonzern ist, sondern eher familiär aufgestellt ist. „Unsere Mitarbeiter wissen: Wenn sie einen guten Job erledigen, geht es unseren Unternehmen gut und wir können gemeinsam einen Schritt nach vorne machen.“
Die Geschichte von ACC Columbia Jet Service reicht bis ins Jahr 1975 zurück, doch in seiner heutigen Form gibt es das Unternehmen erst seit 2009. Rund 170 Mitarbeiter sind an den Standorten Hannover, Köln, Wegberg, Mitterskirchen und Paphos (Zypern) beschäftigt. Der Jahresumsatz lag zuletzt bei etwa 35 Millionen Euro. „Wir sind vor allem in den vergangenen fünf Jahren stark gewachsen“, sagt Janßen. Dazu hat unter anderem ein Hangar-Neubau in Hannover beigetragen, wo das Unternehmen im Sicherheitsbereich des Flughafens nun zwei Hallen betreibt. „Die Hangar-Größe ist der wachstumsbremsende Faktor. Man kann nicht unendlich viele Mitarbeiter in einen Hangar werfen und sagen: Schraubt mal am Flugzeug“, sagt Janßen. In Köln, dem zweitgrößten Standort, platze man deswegen auch aus allen Nähten. Janßen: „Da sind wir jetzt in Verhandlungen mit dem Flughafen, um einen größeren Hangar zu bekommen.“
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