Im Restaurant „Die Brücke“ in Hooksiel kann man die Seele baumeln lassen. Auf der Terrasse hat man freien Blick auf das Hooksieler Binnentief, und ein Gastronomiekritiker könnte an dieser Stelle einen hymnischen Artikel auf den geräucherten Stremellachs des Küchenchefs schreiben. Das Restaurant war damit genau der richtige Ort für den Abend der Klausur der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion. Die Umfragenlage ist siebeneinhalb Monate vor der Landtagswahl eher bescheiden und die niedersächsische CDU nervt mit Attacken auf die rot-grüne Bildungspolitik. Ausgerechnet wegen Fehlern in der Bildungspolitik war Rot-Gün in Nordrhein-Westfalen vor wenigen Wochen gescheitert.

Typische Klausuratmosphäre bei der SPD-Fraktionsklausur in Wilhelmshaven – Foto: MB.

Doch die niedersächsischen Sozialdemokraten ficht das nicht an. Die Stimmung auf der Bootsfahrt zum und später beim Essen im Restaurant ist ausgelassen. Draußen scheint die Sonne und drinnen nimmt der Ernst des landespolitischen Lebens eine Auszeit. Es gibt viel Gejohle und Applaus, Ministerpräsident Stephan Weil lobt Johanne Modder als die „beste Fraktionsvorsitzende der Welt“ (noch mehr Gejohle und Applaus), es wird unter anderem laut „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins gesungen“ und später noch das Tanzbein geschwungen. Vielleicht ist es schon die Erleichterung über den politischen Befreiungsschlag, der für den nächsten Morgen geplant ist.

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Schon seit Tagen wird gemutmaßt, ob bei der Inklusion nicht doch nachjustiert werden müsste. Von mancher Schule und von manchen Eltern ist Kritik zu hören, die die niedersächsische CDU im Wahlkampfmodus geschickt zu kanalisieren versteht. Wie groß die Unzufriedenheit in der Realität ist, ist nur schwer einzuschätzen, aber es reicht, um die rot-grüne Landesregierung vor sich herzutreiben. 650 weitere Inklusionsstellen kündigt SPD-Fraktionschefin Johanne Modder deshalb am Morgen nach der Party in Hooksiel an. Man sitzt wieder im Wilhelmshavener Hotel, in dem die Klausur stattgefunden hat. Am Morgen wird nicht mehr gesungen, sondern auf den politischen Tisch gehauen. Man habe mit der Kultusministerin gesprochen. „Unterrichtsversorgung, Sprachförderung und Inklusion sind die drei Themen, die uns weiter beschäftigen werden“, sagt Modder. Für die Inklusion gibt es 650 Stellen, für Sprachförderung weitere 150. „Und wir werden versuchen, die Unterrichtsversorgung auf 100 Prozent hochzuziehen“, so Modder. Der Cuxhavener Landtagsabgeordnete Uwe Santjer geht davon aus, dass man die hundertprozentige Unterrichtsversorgung nach den Sommerferien wieder erreicht haben wird.

In Niedersachsen haben rund 35.000 Kinder Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung. Das sind nicht einmal fünf Prozent der Schüler an allgemeinbildenden Schulen. Dennoch bestimmt das Thema seit Wochen die bildungspolitische Debatte. „Wir haben erkannt, dass wir hier noch einmal ordentlich nachlegen müssen“, erklärt Modder. Das sei kein Aktionismus. „Wir reagieren nur besonnen auf das, was uns berichtet wird. Wenn man ein Problem erkennt und versucht Abhilfe zu schaffen, dann ist es unsere Pflicht als Politiker, dass auch umzusetzen.“ Wenn es nach der SPD geht, ist das Thema Inklusion damit abgehakt. Sie warne davor, mit dem Thema Wahlkampf zu machen, sagt die SPD-Fraktionsvorsitzende. „Das Thema berührt mich sehr, weil es um Kinder geht, die Handicaps haben und oft schon gebeutelt sind vom Leben. Dass nun der sogenannte CDU-Spitzenkandidat die Inklusion auf null stellen möchte, kann ich nicht fassen“, sagte sie zur CDU-Forderung nach einem Moratorium bei der Inklusion.

Es geht nicht allein um das Thema Bildung bei der Fraktionsklausur. Am Tag zuvor befassen sich die Abgeordneten unter anderem mit der Digitalisierung und schwärmen im Anschluss in Wilhelmshaven aus, um sich über verschiedene Themenbereiche zu informieren. „Fraktion in Aktion“ nennen das wortfindige Kommunikationsprofis bei der SPD. Eine dieser Aktionen führt Abgeordnete und Journalisten zum Jade-Weser-Port. „Der Hafen ist DAS Bauwerk der Sozialdemokraten“, sagte der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Wilfrid Adam auf der Hinfahrt ins Busmikrofon. Bei der Ankunft ist man allerdings nicht ganz sicher, ob das so eine Auszeichnung ist, sieht doch der Jade-Weser-Port im Vergleich zum quirligen Hamburger Hafen immer ein wenig verlassen aus.

Zwei große Pötte haben angelegt, beide zu groß für den Hamburger Hafen. Trotzdem wird schon über die nächste Ausbaustufe in Wilhelmshaven diskutiert. „Das ist gar nicht so leicht zu kommunizieren. Es geht aber einfach um immens lange Zeiträume“, erklärt Wirtschaftsminister Olaf Lies im Gespräch mit dem Rundblick. Wenn man davon ausgehe, dass der Hafen zehn Jahren voll ausgelastet sei, müsse bereits die zweite Ausbaustufe einplanen. Das gehöre zur wirtschaftlichen Entwicklung dazu. Man müsse nun den richtigen Zeitpunkt abpassen, damit die zehn Jahre für die Planung und den Bau ausreichten. Der richtige Zeitpunkt ist allerdings gar nicht so leicht auszurechnen. Denn derzeit bleibt der Jade-Weser-Port hinter den damals zu hochgesteckten Erwartungen zurück. Nicht einmal 500.000 Standardcontainer wurden im vergangenen Jahr umgeschlagen. Die magische Marke liegt für den Wirtschaftsminister bei einer Million. „Wenn die Millionenmarke erreicht wird, dann sollten wir mit der Ausbauplanung beginnen. Das könnte im nächsten Jahr der Fall sein“, hofft Lies. Abzuwarten hält er für das falsche Signal.

Auch anderen liegt das Abwarten nicht besonders. Als Lies nach einem Gespräch mit Journalisten aus einem Nebenraum der Verwaltungszentrale tritt, ist der Bus zur Hafenbesichtigung schon unterwegs. Die Abgeordneten sind an Bord, nicht aber der Minister und die Journalisten, die zuvor von Eurogate bereits unwirsch des Raumes verwiesen wurden. Lies hatte zusammen mit den Journalisten den Raum verlassen. Jetzt steht die Gruppe unvermittelt da und muss auf die Rückfahrt warten. Die Situation ähnelt damit ein wenig der der SPD vor der Landtagswahl. Auch sie muss derzeit abwarten, ob es für Rot-Grün nach der Wahl im Januar eine zweite Ausbaustufe gibt. (MB.)