Im Zusammenhang mit der Suche nach einem neuen Niedersachsen-Motto war es zwischen 2013 und 2016 zu mehreren gravierenden Mängeln gekommen, auch Verstöße gegen das Vergaberecht zählten dazu. Gestern hat die dafür verantwortliche Regierungssprecherin, Staatssekretärin Anke Pörksen (SPD), eigenes Fehlverhalten eingestanden und sich entschuldigt.

Anke Pörksen vor der Zeugenbefragung im Untersuchungsausschuss – Foto: MB.

Vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags sagte sie: „Es ist zu diversen Fehlern unter meiner Verantwortung gekommen. Diese hätte ich verhindern können, wenn ich gründlicher gearbeitet, mir mehr Zeit genommen und mehr Rückfragen getätigt hätte. Ich habe zu sehr aufs Tempo gedrückt, zu viel selbst gemacht und zu wenig gesteuert.“ Ausdrücklich ging sie auch darauf ein, dass zwei enge Mitarbeiter ihres Referates auf drohende Vergaberechtsverstöße hingewiesen hatten. „Die unmissverständlichen Hinweise sind später irgendwie verloren gegangen. Es wäre hilfreich gewesen, wenn ich damals häufiger mit Juristen über die Vergaben gesprochen hätte.“

„Es ist zu diversen Fehlern unter meiner Verantwortung gekommen“

Sie bedaure die Vorfälle zutiefst, sagte Pörksen und meinte: „Klarere Zuständigkeiten und eine ordnungsgemäße Aktenführung hätten geholfen.“ Zu ihrer eigenen Entschuldigung merkte Pörksen an, dass sie von Herbst 2015 an zunehmend mit der Flüchtlingskrise und auch mit Vorgängen rund um die VW-Aufsichtsratstätigkeit von Ministerpräsident Stephan Weil befasst gewesen sei und ihre Aufmerksamkeit nicht mehr so stark auf die Suche nach dem Niedersachsen-Motto gerichtet war.

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Die Opposition von CDU und FDP nimmt der Regierungssprecherin die Erklärung für ihr Verhalten nicht ab. Uwe Schünemann (CDU) und Christian Grascha (FDP) sagten, Pörksen wisse als Juristin und ehemalige Beamtin in Hamburg sehr wohl über die Tücken des Vergaberechts Bescheid. Außerdem sei sie über die Vorgänge rund um die fragwürdige Beauftragung des Kommunikationsunternehmers Michael Kronacher stets bestens informiert gewesen. Kronacher gilt als SPD-nah, mehrere 2015 und 2016 erteilte Aufträge an ihn sind rechtlich fragwürdig, weil er mit besseren Startvoraussetzungen als andere Bewerber in die Ausschreibung gehen konnte. CDU und FDP sehen hier eine Form von „Genossenfilz“, also einer gezielten Begünstigung von Kronacher. Verantwortlich dafür sei Pörksen.

Die Regierungssprecherin beteuerte aber, selbst mehrfach auf die Notwendigkeit einer eindeutigen Beachtung des Vergaberechts hingewiesen zu haben. Dass später dagegen verstoßen worden sei, könne sie sich nicht erklären, nicht nachvollziehbar sei auch, wie manche Entscheidungen gefallen sind. Da geht es etwa um den Auftrag für ein „Pitch-Verfahren“, die Auswahl mehrerer Agenturen für engbegrenzte Aufgaben. Dies kam Kronacher 2015 als Folgeauftrag zugute, obwohl es eigentlich eine Ausschreibung hätte geben müssen – und obwohl zwei enge Mitarbeiter ihre Chefin Pörksen ausdrücklich an das Vergaberecht erinnert hatten. „Ich weiß auch nicht, wie das geschah. Wir sind in dieses Pitch irgendwie hineingerutscht“, sagte Pörksen im Ausschuss. Sie und ihre Kollegen hätten zu viel auf einmal regeln und vieles gleichzeitig erledigen wollen – dabei habe man die Stringenz der Arbeit aus den Augen verloren.

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Die Regierungssprecherin zeichnete in ihrer Schilderung der Abläufe rund um die Suche nach dem Landesmotto das Bild einer chaotischen, ratlos agierenden, schwerfälligen und entscheidungsschwachen Verwaltung: Es begann mit einem „Workshop“ 2013, bei dem in großer Runde nach einem Werbespruch gesucht wurde – erfolglos. Schon damals war Kronacher dabei. Danach geschah monatelang nichts, die Zuständigkeit wanderte vom Wirtschaftsministerium in die Staatskanzlei. Obwohl sie mit Kronachers Arbeit eigentlich unzufrieden gewesen sei, setzte sich Pörksen Ende 2014 dann dafür ein, mit seiner Hilfe weiterzumachen. „Das geschah aus purem Pragmatismus, damit es voranging.“ Dann gab es interne Debatten über die Notwendigkeit der Ausschreibung, neue Diskussionsrunden mit ebenfalls magerem Ergebnis und die Ungeduld vor allem auch von Pörksen, die nur bescheidene Vorschläge hörte und endlich gute Ergebnisse haben wollte. Als dann in einem neuen Workshop mit den Pressesprechern der Ministerien fragwürdige Ideen wie „Niedersachsen. Das Land.“ und die Wiederauflage des alten Slogans „Niedersachsen. Land mit Weitblick.“ aufgetischt wurden, überlegten Pörksen und ihre Mitarbeiter, ob man nicht die Reißleine ziehen und andere Werbeagenturen beauftragen soll, womöglich auch Professoren an den Unis um Rat fragen oder den Prozess der Motto-Suche völlig von vorn neu starten sollte.

Auch der Ministerpräsident wurde eingeschaltet, zweimal beschäftigte sich das Kabinett sogar mit dem Thema – ohne konkretes Ergebnis. Während in der Staatskanzlei endlos diskutiert wurde, fiel Kronacher auf bisher unerklärliche Weise der Auftrag für das „Pitch-Verfahren“ zu – er blieb also, trotz wachsender Unzufriedenheit in der Landesregierung und Streitigkeiten in der Pressestelle über den weiteren Fortgang der Sache, weiter am Ball. Dass sie selbst den Überblick verlor und auf rechtliche Feinheiten bei den Vergaben nicht mehr achtete, erklärt Pörksen vor dem Untersuchungsausschuss heute so: „Irgendwann wollte ich das alles nur noch beenden.“ Ein „Störgefühl“ aber, das Gespür, in diesem Prozess irgendetwas falsch gemacht oder versäumt zu haben, habe sie in der ganzen Zeit nicht empfunden.