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Hinzu kommt, dass Kammer-Präsidentin Nadya Klarmann bis vor kurzem selbst keine Möglichkeit sah, schon morgen die Beitragsordnung zu ändern. Damit die nachträgliche Anschubfinanzierung des Landes auch rechtsverbindlich fließen könne, habe die Kammer einen Antrag auf Gewährung einer Landeszuwendung beim Landesamt für Soziales, Jugend und Familie gestellt, bisher aber keine Antwort erhalten, schrieb Klarmann vor einigen Tagen in einem Brief an Sozialministerin Carola Reimann. Darin macht Klarmann unmissverständlich Druck: Sofern absehbar sei, dass die Finanzierung bis zu diesem Montag nicht geklärt sei, werde man die Mitglieder darüber informieren, dass die seit November 2019 zugesagte Unterstützung des Landes nicht erfolgt sei.
Mit einer Beitragsfreiheit wird die Kammeridee ad absurdum geführt, da die Abhängigkeit von einer staatlichen Kassenlage, den politischen Machtverteilungen (und dem politischen Gutdünken) nicht nur eine unsichere finanzielle Planungsgrundlage bieten, sondern die unmittelbare Gefahr von Abhängigkeiten in der Meinungsbildung entstehen.
Neben Karmann sind auch zentrale Kräfte in der Kammerversammlung der Meinung, dass man dem Wunsch des Ministeriums, für die nötige Rückzahlung die Beitragsordnung zu ändern, nicht entsprechen sollte. Gerade Befürworter der Kammer sehen durch die Finanzierung des Landes nicht nur die Unabhängigkeit der Institution in Gefahr, sie halten die finanziellen Zusagen des Landes für die kommenden Jahre bisher für Lippenbekenntnisse. Auf dieser Basis sei eine verlässliche Kalkulation kaum möglich. Dahinter steckt auch die Frage, wie es nach der möglichen Anschubfinanzierung durch das Land eigentlich weitergehen soll. Viele wollen an der generellen Möglichkeit, Beiträge zu erheben, lieber nicht rütteln.
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Nora Wehrstedt, Mitglied der Kammerversammlung und Pflegefachkraft aus Braunschweig, warnte in einem Podcast davor, das Kammergesetz entsprechend zu ändern. Dort ist festgehalten, dass Beiträge erhoben werden können. Man erfülle so immer noch den Charakter einer Kammer, weil man sich noch über Beiträge finanzieren könne, sagte Wehrstedt. Im März hatten hunderte Pflegewissenschaftler und -experten einen Brandbrief unter anderem an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Ministerpräsident Stephan Weil geschrieben und davor gewarnt, die Selbstverwaltung der Kammer in Frage zu stellen. „Mit einer Beitragsfreiheit wird die Kammeridee ad absurdum geführt, da die Abhängigkeit von einer staatlichen Kassenlage, den politischen Machtverteilungen (und dem politischen Gutdünken) nicht nur eine unsichere finanzielle Planungsgrundlage bieten, sondern die unmittelbare Gefahr von Abhängigkeiten in der Meinungsbildung entstehen“, schrieben die Unterzeichner, die den Pflegeberuf als „machtpolitischen Spielball vieler verschiedener Interessenvertretungen“ sehen.
Pflegekammer steckt im Dilemma
Die Kammer selbst steckt angesichts der Entscheidung über die Beiträge in einem Dilemma. Lehnt sie eine Änderung der Beitragsordnung ab, so würde ausgerechnet in den Zeitraum der Online-Umfrage die Nachricht platzen, dass die bisherigen Beiträge erst einmal nicht zurückgezahlt werden. Auch wenn die Kammer das Land dafür als Schuldigen ausmacht, könnte es für sie selbst einen negativen Effekt in der Umfrage zur Folge haben. Stimmt sie der Beitragsrückzahlung zu, begibt sie sich nach Einschätzung kritischer Beobachter in die Abhängigkeit der Landespolitik. Dort wiederum ist der Unmut über die Pannen rund um die Kammer immer noch groß, deren Ursachen viele im Sozialministerium verorten.