14. Juni 2020 · 
Soziales

Pflegekammer-Versammlung könnte die Rückzahlung der Beiträge verweigern

Die Folgen der IT-Panne bei der Pflegekammer sind noch nicht verarbeitet, da könnte Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann am morgigen Dienstag schon das nächste Problem mit der Einrichtung bekommen. Es geht um die Rückzahlung der Beiträge, über die morgen in der Kammerversammlung gesprochen werden soll. Spätestens beim Tagesordnungspunkt 6, bei dem es um die Wirtschaftsprüfung und den Haushaltsplan gehen soll, könnte es bei der Sitzung im Hannover-Congress-Centrum heiß hergehen. Denn immer mehr Kammermitglieder bezweifeln, ob die Beiträge in Höhe von insgesamt 4,8 Millionen Euro den Mitgliedern wirklich zurückgezahlt werden sollten und man sich somit in die vollständige Abhängigkeit des Landes begeben will. Von einer „unverschämten Erpressung durch das Sozialministerium“ ist in einer Mail aus den Reihen der Kammerversammlung die Rede, die dem Politikjournal Rundblick vorliegt.
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Hinzu kommt, dass Kammer-Präsidentin Nadya Klarmann bis vor kurzem selbst keine Möglichkeit sah, schon morgen die Beitragsordnung zu ändern. Damit die nachträgliche Anschubfinanzierung des Landes auch rechtsverbindlich fließen könne, habe die Kammer einen Antrag auf Gewährung einer Landeszuwendung beim Landesamt für Soziales, Jugend und Familie gestellt, bisher aber keine Antwort erhalten, schrieb Klarmann vor einigen Tagen in einem Brief an Sozialministerin Carola Reimann. Darin macht Klarmann unmissverständlich Druck: Sofern absehbar sei, dass die Finanzierung bis zu diesem Montag nicht geklärt sei, werde man die Mitglieder darüber informieren, dass die seit November 2019 zugesagte Unterstützung des Landes nicht erfolgt sei.
Mit einer Beitragsfreiheit wird die Kammeridee ad absurdum geführt, da die Abhängigkeit von einer staatlichen Kassenlage, den politischen Machtverteilungen (und dem politischen Gutdünken) nicht nur eine unsichere finanzielle Planungsgrundlage bieten, sondern die unmittelbare Gefahr von Abhängigkeiten in der Meinungsbildung entstehen.
Neben Karmann sind auch zentrale Kräfte in der Kammerversammlung der Meinung, dass man dem Wunsch des Ministeriums, für die nötige Rückzahlung die Beitragsordnung zu ändern, nicht entsprechen sollte. Gerade Befürworter der Kammer sehen durch die Finanzierung des Landes nicht nur die Unabhängigkeit der Institution in Gefahr, sie halten die finanziellen Zusagen des Landes für die kommenden Jahre bisher für Lippenbekenntnisse. Auf dieser Basis sei eine verlässliche Kalkulation kaum möglich. Dahinter steckt auch die Frage, wie es nach der möglichen Anschubfinanzierung durch das Land eigentlich weitergehen soll. Viele wollen an der generellen Möglichkeit, Beiträge zu erheben, lieber nicht rütteln.
https://www.youtube.com/watch?v=P2CrMocM7aA
Nora Wehrstedt, Mitglied der Kammerversammlung und Pflegefachkraft aus Braunschweig, warnte in einem Podcast davor, das Kammergesetz entsprechend zu ändern. Dort ist festgehalten, dass Beiträge erhoben werden können. Man erfülle so immer noch den Charakter einer Kammer, weil man sich noch über Beiträge finanzieren könne, sagte Wehrstedt. Im März hatten hunderte Pflegewissenschaftler und -experten einen Brandbrief unter anderem an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Ministerpräsident Stephan Weil geschrieben und davor gewarnt, die Selbstverwaltung der Kammer in Frage zu stellen. „Mit einer Beitragsfreiheit wird die Kammeridee ad absurdum geführt, da die Abhängigkeit von einer staatlichen Kassenlage, den politischen Machtverteilungen (und dem politischen Gutdünken) nicht nur eine unsichere finanzielle Planungsgrundlage bieten, sondern die unmittelbare Gefahr von Abhängigkeiten in der Meinungsbildung entstehen“, schrieben die Unterzeichner, die den Pflegeberuf als „machtpolitischen Spielball vieler verschiedener Interessenvertretungen“ sehen.

Pflegekammer steckt im Dilemma

Die Kammer selbst steckt angesichts der Entscheidung über die Beiträge in einem Dilemma. Lehnt sie eine Änderung der Beitragsordnung ab, so würde ausgerechnet in den Zeitraum der Online-Umfrage die Nachricht platzen, dass die bisherigen Beiträge erst einmal nicht zurückgezahlt werden. Auch wenn die Kammer das Land dafür als Schuldigen ausmacht, könnte es für sie selbst einen negativen Effekt in der Umfrage zur Folge haben. Stimmt sie der Beitragsrückzahlung zu, begibt sie sich nach Einschätzung kritischer Beobachter in die Abhängigkeit der Landespolitik. Dort wiederum ist der Unmut über die Pannen rund um die Kammer immer noch groß, deren Ursachen viele im Sozialministerium verorten. Die Online-Umfrage ist nach der Datenpanne immer noch stillgelegt, Ende vergangener Woche waren sich die Techniker des Bonner Umfrageinstituts nach Rundblick-Informationen über die gesamte Breite des Problems noch nicht vollständig im Klaren. Wann und wie es mit der Umfrage weitergeht, ist noch unklar. Hinzu kommt der politische Streit um die Frage 11. Nach Meinung sämtlicher Fraktionen im Landtag reicht es nicht aus, die Pflegekräfte lediglich zu fragen, ob es eine „beitragsfreie Pflegekammer“ geben soll. Dies stelle auch Kammerbefürworter vor ein Problem, weil sich viele von ihnen für eine unabhängige Kammer einsetzten, die Beiträge erheben kann. Weil aus dem Sozialministerium hier bisher keine Bewegung zu erkennen ist und Sozialministerin Carola Reimann am Donnerstag zum Unmut mancher Abgeordneter nur ihren Abteilungsleiter Hans-Joachim Heuer in den Sozialausschuss schickte, um die aktuelle Lage zu erklären, bleibt das Thema in der Großen Koalition ein heißes Eisen. So soll die Neuformulierung der Frage 11 auch noch einmal im Koalitionsausschuss erörtert werden.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #111.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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