
Mir ging es darum, bei solch einschneidenden Maßnahmen wie denen, die dann verordnet wurden, einen größtmöglichen Teil meiner Stadtbevölkerung zu erreichen.
Rundblick: Sie haben gleich zu Beginn auch eine intensive Medienarbeit betrieben. Warum?
Schumann: Mir ging es darum, bei solch einschneidenden Maßnahmen wie denen, die dann verordnet wurden, einen größtmöglichen Teil meiner Stadtbevölkerung zu erreichen. Das geschieht zum einen über die hiesige Zeitung, zum anderen aber auch über Social-Media-Kanäle. Mittlerweile habe ich das 13. Video in dieser Sache online gestellt. In diesen Botschaften geht es mir immer darum, möglichst konkret zu beschreiben, was sich für die Menschen nun ändert. Und wenn das nicht geht, räume ich gern auch ein, im Moment an bestimmten Stellen nicht zu wissen, wie sich ein bestimmter Sachverhalt entwickeln wird. Klar ist nämlich auch: Wenn es Probleme zum Beispiel in Schulen oder Kindergärten gibt, rufen die Leute anschließend im Rathaus an und nicht zuerst beispielsweise im Kultusministerium.
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Rundblick: Wie waren denn aus Ihrer Wahrnehmung die Vorgaben des Landes, was die Schulen und die Kindergärten anbelangt? Schumann: Als es um die Organisation der Notbetreuung ging, wurde seitens des Kultusministeriums vorschnell kommuniziert, vielfach ohne den gebotenen Blick auf die Wirkungen vor Ort, also ohne sich vorher mit den Kommunen oder den Trägern ausreichend abzustimmen. Weiterhin wurden durch auslegungsfähige Botschaften Erwartungen geweckt, die wir vor Ort nicht immer in dem geforderten Maße erfüllen konnten. Ich weiß, dass in den Ministerien an der Belastungsgrenze gearbeitet wird, ich finde aber, dass es trotzdem erlaubt ist, Kritik zu üben. Nach der Kritik der Spitzenverbände werden mittlerweile, soweit ich informiert bin, die Gespräche im Voraus geführt. Aber die Phase davor hat viel Energie gekostet. Der Begriff „Regelbetrieb“ ist für mich zudem nicht positiv besetzt.
Ich erwarte vom Kultusministerium, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden um „Bildung der Zukunft“ zu ermöglichen.
Rundblick: Das klingt ganz so, als sähen Sie größeren Veränderungsbedarf in der Arbeit gerade des Kultusministeriums…
Schumann: Durchaus. Ich blicke da aus mehreren Perspektiven drauf: als Mutter, als Politikerin, als künftige Arbeitgeberin und als Vertreterin einer Schulträgerin, der Stadt Pattensen. Ich erwarte vom Kultusministerium, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden um „Bildung der Zukunft“ zu ermöglichen. Die Corona-Krise hat uns Grenzen, aber auch Möglichkeiten aufgezeigt – nun sollten wir die Schlussfolgerungen daraus ziehen. Dazu gehören: vernetztes Denken, interdisziplinäres Arbeiten und lernen, auch gebäudeunabhängig zu denken. Unterricht etwa darf nicht nur darin bestehen, von 8 bis 10 Mathe zu haben und von 11 bis 12 danach Deutsch, sondern es muss stärker darum gehen, Lerntechniken zu vermitteln. Nach meinen Erfahrungen versteifen wir uns zu sehr darauf, in den Abschlussprüfungen bestimmtes Wissen abzufragen. Ich vermisse Konzepte, die sich mit Kompetenzvermittlung und Stärken der Kinder beschäftigen und damit sich auszuprobieren und Selbstwirksamkeit zu erfahren: Wie kann ich selbstständig arbeiten und mir eine komplizierte Materie aneignen? Wie kann ich Empathie für jemand entwickeln und die Fähigkeit ausbauen, mich in andere hineinzuversetzen? Wie erreiche ich etwas Gutes für mich und meine Umwelt? Wie schaffe ich Partnerschaften für mein Projekt?
Rundblick: Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Schulen in Pattensen?
Schumann: Mir fällt auf, dass wir von vielen Jugendlichen – etwa hier in der Ernst-Reuter-Schule in Pattensen – viel lernen können. Ich erlebe beispielsweise ihre Diskussionskultur oft als viel weiter als die vieler Erwachsener. Noch eines ist mir wichtig zum Thema schulgebäudeunabhängiges Lernen: Schule ist für mich kein fester Ort, an dem Unterricht stattfindet – der Platz dafür kann die ganze Stadt sein. Es gibt viele Möglichkeiten der Bildungsvermittlung und Vertiefung, auch dadurch, dass wir Initiativen der Zivilgesellschaft in die Arbeit mit einbeziehen. Wir brauchen mehr Experimentierräume, mehr Kreativität in der Bildungspolitik und Bildungspartnerschaften – und hierzu fehlt, nach allem was ich mitbekomme, schlicht Freiraum im Schulalltag, da muss das Kultusministerium liefern.
Rundblick: Ziehen Sie noch weitere Lehren aus der Corona-Krise?
Schumann: Ich habe festgestellt, dass sich – abstrakt gesprochen – analog und digital keineswegs ausschließen. Es hätte in den vergangenen Wochen einige Digital-Kongresse gegeben, an denen ich gern teilgenommen hätte. Manche davon wurden vollständig ins Netz verlegt, manchmal auch die Tagungen der Untergruppen. Das hat hervorragend geklappt. Der Vorteil ist: Ich konnte das besuchen, ohne gleich für mehrere Tage nicht im Büro sein zu müssen. So wichtig es in der Zukunft sein wird, dass man zu solchen Tagungen wieder zusammentrifft, so gut wäre es doch, ständig das Angebot einer digitalen Beteiligung zu haben – beispielsweise, wenn mich an einem Kongress nur ein Teil interessiert, eine bestimmte Arbeitsgruppe oder ein Thema.
