Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) verteidigt das Konzept der sogenannten Arbeitsquarantäne. Im Landkreis Emsland konnte die Arbeit in einem Schlacht- und Zerlegebetrieb am Montag nach einem Corona-Ausbruch frühzeitig wieder anlaufen, weil man sich auf ein spezielles Hygienekonzept verständigt hatte. Dieses sieht vor, dass die rund 200 Beschäftigten der Zerlege-Abteilung des Betriebs vorerst nur noch per Shuttle von ihrer Wohnung zur Arbeit und wieder zurück gebracht werden.

„Das ist sowohl für das Unternehmen als auch für die Arbeitnehmer die bessere Alternative zur Schließung“, sagte Otte-Kinast gestern in ihrer Unterrichtung vor dem Agrarausschuss des Landtags. Ein vergleichbares Konzept sei außerdem bereits im Juli in Baden-Württemberg angewendet worden, und auch bei den Saisonarbeitskräften im Obst- und Gemüsebau sei man im Frühjahr ganz ähnlich verfahren, erläuterte die Ministerin.


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Sie betonte dabei auch die Bedeutung des Weiterbetriebs der Schlachthöfe: „Wir werden bis Weihnachten hohe Zahlen in den Ställen haben und werden schlachten müssen. Da brauchen wir jeden Arbeitnehmer.“ Hinzu kommt, dass bereits Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein um Unterstützung gebeten haben, weil auch dort die Ställe überlaufen. Matthias Pulz, Präsident des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, gab außerdem zu bedenken, dass die Werkarbeiter andernfalls alle ohne Einkommen dagestanden hätten. Außerdem, ergänzte er, seien die Maßnahmen alle durch das Infektionsschutzgesetz abgedeckt.

Schlachthof-Ampel soll Entlastung bringen

Um künftig ein einheitliches und möglichst abgestimmtes Vorgehen im Umgang mit Corona-Fällen in Betrieben der Lebensmittelwirtschaft zu erreichen, hat Agrarministerin Otte-Kinast nun ein Ampelsystem angekündigt. Dieses soll sich auf Schlachtbetriebe aber auch auf Molkerei beziehen und zum Beispiel durch ein abgestuftes System verhindern, dass gleich ein gesamter Betreib stillgelegt werden muss.  Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des Agrar- und des Sozialministeriums, des Landesgesundheitsamtes sowie Experten aus kommunalen Gesundheits- und Veterinärämtern soll nun einen Leitfaden entwickeln, der den Landkreisen künftig als Hilfestellung dienen soll.

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Die Arbeitsgruppe werde sich mit Hygienekonzepten und moderner Lüftungstechnik und Schutzausrüstung beschäftigen, berichtete die Ministerin im Agrarausschuss. Aber auch die Möglichkeiten der Ausgestaltung einer Arbeitsquarantäne sollen in der Handreichung berücksichtigt werden. Wie genau am Ende die einzelnen Phasen des angekündigten Ampelsystems ausgestaltet werden sollen, konnte Otte-Kinast allerdings noch nicht sagen, das überlasse sie der Arbeitsgruppe, die in dieser Woche ihre Arbeit aufgenommen hat. Auf die Nachfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (Grüne) erklärte sie jedoch: „Wer sich im Straßenverkehr fortbewegt, der weiß: Wenn die Ampel auf Rot steht, heißt das Stopp. Das heißt hier also, der Betrieb steht.“

Ministerin setzt auf Einsehen der Wirtschaft

Der Druck auf die Fleischindustrie bleibt derweil unverändert hoch, weil sich die Schweine in den Ställen stauen. Die Agrarministerin nimmt die Schweinehalter dabei in den Schutz: Die Tiere, die nun auf die Schlachtung warten, seien noch vor Corona gezeugt worden. Bei der Verringerung der Ferkelproduktion setzt Otte-Kinast allerdings weiterhin auf Appelle und das Einsehen der Wirtschaft. Eine Schlachtprämie oder eine Prämie für die Nicht-Besamung von Sauen, die der Abgeordnete Hermann Grupe (FDP) ins Gespräch brachte, werden nach Aussagen der Ministerin aus dem Berufsstand heraus abgelehnt.

Auch eine Ausstiegsprämie für Schweine-Betriebe werde von den Betroffenen angeblich nicht gefordert. Außerdem habe man mit diesem Modell in den Niederlanden auch negative Erfahrungen gemacht. Dort hätten Schweinehalter die staatliche Abfindung kassiert und mit dem Geld dann anderswo in Europa Schweinebetriebe aufgekauft. Damit werde die Ferkelproduktion lediglich ins Ausland verlagert, erklärte die Ministerin. Ob man das wolle, müsse man dann eben offen diskutieren. Für zahlreiche Betriebe käme ein plötzlicher Ausstieg nun ohnehin nicht in Frage, weil sie ihre Ställe mit Fördergelder finanziert haben, die an eine bestimmte Nutzung gekoppelt sind. Auch ein Krisenkartell, also ein Zusammenschluss der Ferkelerzeuger, um beispielsweise in einer konzertierten Aktion zehn Prozent der Sauen weniger zu besamen, scheitere an der mangelnden Solidarität unter den Landwirten, so Otte-Kinast.

Für die Möglichkeit, die Schlachtkapazitäten in Niedersachsen kurzfristig hochzufahren, sieht die Agrarministerin wenig Spielraum. In Anbetracht der Widerstände, die der Bau von Mastanlangen auslöse, könne man sich kaum ausmalen, wie groß der Protest ist, wenn nun in jedem Landkreis Schlachtbetriebe errichtet würden. „Jeder will Ferkel streicheln und eine Currywurst essen, aber den Teil dazwischen klammern alle aus.“ Otte-Kinast setzt stattdessen auf Erhalt und Förderung der kleineren Schlachtereien. Dafür seien allerdings auch die Verbraucher selbst zuständig, die wieder mehr lokal erzeugtes und geschlachtetes Fleisch kaufen sollten.