18. Juli 2022 · Wirtschaft

Osnabrück erfindet sich neu und setzt auf Wachstum in allen Bereichen

Grafik: Kresings Architektur

Wenn es nach den Immobilienmaklern geht, ist Osnabrück hinter Hannover und Braunschweig schon jetzt die Nummer drei in Niedersachsen. Doch was die Einwohnerzahl betrifft, hat Oldenburg noch die Nase vorn. Das könnte sich aber schon bald ändern, zumal beide Städte mit rund 170.300 Einwohnern derzeit nahezu gleichauf liegen. Die Friedensstadt an der Hase kommt beim Wohnungsbau gerade erst so richtig in Fahrt. Im Landwehrviertel auf dem Gelände der früheren „Quebec Barracks“ laufen die Bauarbeiten für 175 Wohnungen und Reihenhäuser – 660 weitere sollen folgen. Anfang des Monats starteten die Erschließungsarbeiten für den 70 Hektar großen „Smart Business Park“ im Stadtteil Dodesheide. Und im neuen Osnabrücker Lok-Viertel wird in den kommenden Jahren sogar Wohnraum für 3000 bis 9000 Menschen entstehen. Außerdem soll auf dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände im Osten der City ein Forschungs- und Wissenschaftszentrum gebaut werden, das auch überregional von Bedeutung sein soll. 

Das Geld für den neuen Osnabrücker Hightech-Standort fließt bereits. Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) hat kürzlich einen Förderbescheid über 4,9 Millionen Euro aus dem Sondervermögen Digitalisierung an Sarah Wöstmann vom Coppenrath Digital Innovation Cluster (CDC) übergeben. Das Innovationszentrum für Start-ups aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) – insbesondere aus der Agrarbranche – soll eines von zwei Highlights im neuen Lok-Viertel werden und Mitte 2025 bezugsfertig sein. „Mit geplanten zehn Stockwerken wird der Neubau einen attraktiven Hochpunkt bilden, der das Gesamtbild des zukünftigen Quartiers weiter aufwertet“, verspricht Felix Osterheider, Vorstandsvorsitzender der Aloys-&-Brigitte-Coppenrath-Stiftung, die hinter dem neuen Quartier steckt. 

Der „Nukleus“ des neuen Stadtviertels ist der ehemalige Ringlokschuppen von 1913, der momentan zum Coppenrath Innovation Centre (CIC) umgebaut wird. Im Frühjahr 2023 werden dort voraussichtlich die Universität Osnabrück und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) einziehen. Bis spätestens Ende 2023 sollen das regionale Gründerzentrum Seedhouse, der Osnabrücker Healthcare Accelerator (OHA), das Agrotech Valley Forum als Entwicklungszentrum der agrartechnischen Industrie, ebenso die Hochschule Osnabrück und das Handwerk folgen. „Der wirtschaftlich starke Westen Niedersachsens wird hier Schrittmacher einer Entwicklung, in der KI dem Menschen dient“, kommentierte Althusmann das Projekt. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach beim Richtfest im März von einem „Leuchtturmprojekt, auf das unser Land sehr stolz werden wird“. 

Die Osnabrücker Oberbürgermeisterin Katharina Pötter sieht in dem Zukunftsthema Künstliche Intelligenz ein „signifikantes Profilierungsmerkmal für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Osnabrück“. Die CDU-Politikerin setzt auf Wachstum. „Osnabrück braucht ganz klar mehr Wohnraum“, sagte Pötter vor wenigen Wochen bei einem Treffen mit IHK-Präsident Uwe Goebel und IHK-Hauptgeschäftsführer Marco Graf. In dem Gespräch ging es auch um die Frage, wie man die Abwanderung von Hochschulabsolventen verhindern kann. Laut einer IHK-Studie bleibt nur ein Drittel der ausgebildeten Akademiker in der Region. „Aus diesem Grund arbeiten wir gerade unter Leitung der Marketing Osnabrück an der Entwicklung und Etablierung einer Marke für Osnabrück“, kündigte Pötter an, nachdem auch Vertreter von Hochschule und Fachhochschule angemerkt hatten, dass das Image als „Friedensstadt“ nur wenig Strahlkraft auf junge Leute haben dürfte.

Eine Stadtbahn für Osnabrück? Die allgemeine Aufbruchstimmung in Osnabrück schlägt sich auch im Wunsch nach einer Stadtbahn nieder. Bereits im November 2020 hatte die „Stadtbahninitiative“ eine Petition mit 3155 Unterschriften an den Rat übergeben, der daraufhin eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben hat. Seit Anfang des Jahres untersucht nun ein Planungsbüro aus Dresden, „ob eine Stadtbahn einen wichtigen Beitrag zu klimaschonendem Verkehr und eine Veränderung des Mobilitätsverhaltens leisten kann“. Das Potenzial ist groß. Bislang gehört Osnabrück noch zu den 17 von 56 deutschen Städten mit mehr als 150.000 Einwohnern, die keinen schienenbasierten ÖPNV haben. Im Vergleich mit ähnlich großen Städten ist der ÖPNV-Anteil am Stadtverkehr mit 9 Prozent zudem außergewöhnlich niedrig. Der Mittelwert liegt bei 14,3 Prozent. Zudem könnte die Stadtbahn auch den Pendlerverkehr verbessern. „Von den zirka 100.000 Arbeitsplätzen im Stadtgebiet Osnabrück werden fast 60 Prozent von Pendlern aus dem Umland aufgesucht“, berichtet die Stadtverwaltung.

Dieser Artikel erschien am 19.7.2022 in Ausgabe #135.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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