Oskar Negt, einer der großen deutschen Sozialphilosophen, ist im Alter von 89 Jahren nach schwerer Krankheit in Hannover gestorben. Der gebürtige Ostpreuße war 1945 als Kind mit seinen Geschwistern aus seiner Heimat vertrieben worden. Er lebte längere Zeit in Flüchtlingslagern, später ließ er sich in Niedersachsen nieder.

Oskar Negt, Rundblick-Archivfoto aus dem Jahr 2016

Er studierte Jura, Soziologie und Philosophie in Göttingen und Frankfurt, war Schüler von Horkheimer und Adorno. Von 1970 bis 2002 war er Soziologie-Professor in Hannover und prägte auch über den Ruhestand hinaus das Profil der linken, sozialistischen Wissenschaft in der Landeshauptstadt. Sein Name war verknüpft mit der Modernisierung der Politisierung der Hochschulpolitik, die in den siebziger Jahren vor allem mit dem Namen des Kultusministers Peter von Oertzen verknüpft war.

Neben Peter Brückner und Jürgen Seifert war auch Oskar Negt einer von den jungen Professoren, die seinerzeit von Peter von Oertzen gefördert worden waren. In den späten Jahren seines Wirkens war Negt jemand, der sich wiederholt auch zu tagespolitischen Fragen äußerte. In den siebziger Jahren schon gehörte er zu den Gründern des Projekts „Glocksee-Schule“, eines Modells der „Selbstregulation“, das im gemeinen Sprachgebrauch damals unter dem Begriff „antiautoritäre Erziehung“ eingeordnet wurde.

Auch der Kontakt zu den Gewerkschaften war für Negt stets besonders wichtig gewesen. In der Zeit von Gerhard Schröder als Ministerpräsident gehörte Negt zu dessen Beratern. Ähnlich wie sein international bekannterer Kollege Jürgen Habermas widmete sich Negt auch den Problemen der Vermittlung von politischen Themen in der Öffentlichkeit – und ihrer Verzerrung, die durch interessengeleitete Vermittlung ausgelöst wird.

Ein bemerkenswertes Interview gab Oskar Negt dem Politikjournal Rundblick im Dezember 2016, kurz nach dem damals für viele überraschenden ersten Wahlsieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen. Viele seiner Antworten klingen heute aktueller denn je, auch die zum Aufstieg der AfD. Er sah damals, Ende 2016, die deutsche Demokratie durch die AfD bedroht. Negt sprach von Abstiegsängsten und meinte: „Zusätzlich geschürt werden diese Ängste durch die Flüchtlingsproblematik. Da ballt sich etwas zusammen.“ Und er fügte hinzu: „Manche wollen zurück zu Befehl und Gehorsam, andere sehnen sich zurück zu starken Nationalstaaten. Da müssen wir gegenhalten.“