3. Apr. 2024 · 
Justiz

OLG-Präsidentin fordert: Verfahren der Stellenbesetzung sollte geändert werden

Im Rechtsausschuss des Landtags hat am Mittwoch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Celle, Stefanie Otte, auf die zunehmenden Personalsorgen aufmerksam gemacht. Zum Celler OLG-Bezirk zählen 800 Richter und 3000 nicht-richterliche Mitarbeiter, sie verteilen sich auf das OLG in Celle, sechs Landgerichte und 41 Amtsgerichte.

OLG-Präsidentin Stefanie Otte (vorne rechts) trägt im Rechtsausschuss des Landtags vor. | Foto: Wallbaum

Otte nannte zwei zentrale Aufgaben, die alle Kräfte erforderten. Zum einen müsse die Justiz 2026 vollständig digital organisiert sein, die analoge Aktenführung müsse daher zügig und planmäßig in die digitale Welt übertragen werden. Das koste noch viel Aufwand und würde wohl nicht so bald dazu führen, dass Personalstellen entbehrlich werden, meinte Otte. Zum zweiten spüre man auch in der Nachwuchsgewinnung der Gerichte die ersten Probleme.

Otte betonte, dass in ihrem OLG-Bezirk „bisher noch alle Stellen besetzt werden“ könnten. Für die jährlich frei werdenden Richterstellen habe man 2019 noch 300 Bewerber gehabt, 2023 sei die Zahl schon auf 180 gesunken. Noch gelinge es, die Interessenten nach Eignung, Befähigung und Leistung auszuwählen. „Aber wir sollten das Einstellungsverfahren ändern. Irgendwann wird es stärker darum gehen zu schauen, wie die Bewerber so geschult werden können, dass sie den Anforderungen gerecht werden“, erklärte Otte. Außerdem müsse man sich auf nachlassende Kompetenzen einstellen. „Vermutlich gehört es irgendwann dazu, bei allen Texten der Justiz eine automatische Rechtschreibprüfung vorzusehen.“ Für die Gerichte komme es auf gute Kontakte zu Universitäten und die gute Ausgestaltung von Referendariaten an.

Was das juristische Staatsexamen anbelangt, müssten weiterhin die erste und die zweite Prüfung mit „befriedigend“ abschließen. Wenn beide zusammen 15 Punkte ergeben, solle die zweite Prüfung nicht zwingend mit acht Punkten (wie bisher) enden müssen. Auf Nachfrage sagte Otte, sie plädiere für „mehr Flexibilität“. So solle es nicht zwingend sein, dass jeder Bewerber die Stationen Amtsgericht, Landgericht und Staatsanwaltschaft durchlaufen muss. Otte sagte, sie treffe heute auf viele Berufsanfänger, die bereits stark spezialisiert seien und deren geplanter Weg häufig schon sehr stark vorbestimmt sei. Sie wünsche sich von den Bewerbern manchmal mehr Offenheit für neue Erfahrungen.

Zwar wies Otte auf die enorme Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter des mittleren Dienstes hin, die als Nicht-Richter die Akten pflegen und Daten in digitale Formen übertragen müssen. Die Idee des hannoverschen Landgerichtspräsidenten Ralph Guise-Rübe, den entstandenen Stau bei der Übertragung durch die Genehmigung von Nebenjobs für die Betroffenen zu lösen, lehnt Otte jedoch ab. „Das Niedersächsische Beamtengesetz verbietet die Nebentätigkeit für eine Arbeit, die im Hauptamt ausgeführt wird. Man müsste also zuvor das Beamtengesetz ändern“, sagte sie. Was den Stau bei der Aktenbearbeitung angeht, empfiehlt die OLG-Präsidentin „mehr Gelassenheit“: „Wenn es nicht anders geht, muss eine Zivilsache eben mal zwei Wochen länger warten.“ Im Übrigen biete man allen Teilzeitkräften an, ihre Verträge aufzustocken – und man rühre die Werbetrommel für den Dienst in der Justiz.

Zwei Gründe nannte Otte dafür, dass die Digitalisierung für die Nicht-Richter bei den Gerichten so anstrengend ist. Erstens seien die Programme auf Richter zugeschnitten, weniger auf ihre Mitarbeiter. Zweitens klappe an Schnittstellen die automatische Übertragung von Daten nicht – etwa dann, wenn in Schriftsätzen von Anwälten mehrere Beteiligte aufgeführt sind. Diese Daten müssten dann einzeln übertragen werden, da es eine entsprechende Software noch nicht gebe. Das gelte auch dann, wenn in einer elektronischen Akte zu Beginn ein Inhaltsverzeichnis angelegt werden muss. Auch das gelinge bisher nicht automatisch.

Die Präsidentin des OLG Celle wirbt außerdem für eine „digitale Erreichbarkeit“ der Gerichte. So wichtig es sei, die Amtsgerichte und Landgerichte in der Nähe der Wohnorte der Menschen zu haben, so sehr werde es künftig darauf ankommen, auch zu ungewöhnlichen Dienstzeiten im Internet Rechtsauskünfte zu erteilen. „Wenn Jugendliche abends zwischen zwei Netflix-Filmen einen Rat brauchen, sollten die Gerichte auch erreichbar für sie sein“, meint Otte.

Dieser Artikel erschien am 4.4.2024 in Ausgabe #062.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Innenministerin Daniela Behrens und Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejrilstellen den Verfassungsschutzbericht für 2023 vor.  | Foto: Kleinwächter
Sind Klima-Aktivisten keine Verfassungsfeinde? Grüne preschen mit Reformvorschlag vor
18. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min
Arbeitgeberforum 2025 im Schloss Herrenhausen
Künstliche Intelligenz als neuer Kollege: Warum jeder Mitarbeiter jetzt führen lernen muss
15. Mai 2025 · Christian Wilhelm Link4min
Olaf Lies wird Ministerpräsident. Der Wechsel an der Spitze wird auch mit Veränderungen im Kabinett einhergehen. | Foto: Link
Lies will den IT-Planungsrat entmachten
15. Mai 2025 · Klaus Wallbaum1min