Oldenburgs Gründerzentrum will sich auf KI fokussieren und mehr Geld verdienen
Als Pionier kann man Oldenburg bei der Startup-Förderung nicht gerade bezeichnen. Als die Huntestadt vor 20 Jahren ihr Technologie- und Gründerzentrum (TGO) eröffnete, hatten vergleichbare Einrichtungen in Hildesheim und Nordhorn schon längst die Volljährigkeit erreicht. „Damit waren wir in Niedersachsen zwar nicht die ersten. Durch die Gnade der späten Geburt hatten wir aber die Chance zu analysieren: Was läuft in solchen Einrichtungen gut und was nicht“, erzählt TGO-Geschäftsführer Jürgen Bath. Dieser Ansatz war offenbar goldrichtig.
2003 startete das Gründerzentrum mit gerade mal 18 Unternehmen, ein Neubau auf der grünen Wiese in Uni-Nähe. Heute leitet Bath das mit 11.000 Quadratmetern Nutzfläche größte Zentrum seiner Art in Niedersachsen in einem lebhaften Gewerbepark. „Die Flächen sind begrenzt, die Stadt verkauft hier nur Flächen an Firmen mit Wissenschafts- oder Technologiebezug“, erläutert Bath. Ähnlich streng wählt das Gründerzentrum seine Mieter aus: Mehr als 50 Firmen aus Wirtschaft und Wissenschaft haben im Westen von Oldenburg eine Startrampe ins Unternehmerleben oder einen Coworking-Space gefunden. Zwei Drittel der Unternehmen haben einen Hochschulhintergrund.
Die Auslastung des TGO beträgt schon seit mehreren Jahren deutlich über 90 Prozent, berichtet Bath. Wenn ein neues Unternehmen ins Gründerzentrum einzieht, liegt dessen Platzbedarf in der Regel noch bei bescheidenen 20 Quadratmetern. Beim Auszug sind die angemieteten Büro-, Lager- und Laborflächen dann häufig auf ein Vielfaches angewachsen. „Wir bieten hier im Grunde ein Rundum-sorglos-Paket. Die Gründer sollen sich bei uns wohlfühlen“, sagt der TGO-Geschäftsführer. „Das Zusammenbringen von Unternehmen ist für uns ein wichtiger Punkt, aber wir wollen auch Räume zu vernünftigen Preisen anbieten, die darüber hinaus flexibel sind und Erweiterung ermöglichen.“
Die zwei Jahrzehnte seines Bestehens sind dem TGO dabei kaum anzusehen. Was die Ausstattung und Einrichtung betrifft kann die Oldenburger durchaus mit neueren Startup-Einrichtungen mithalten. Dem Geschäftsführer ist das aber noch nicht genug. „Wir müssen uns immer weiterentwickeln. Deswegen haben wir unser Angebot immer mehr ausgeweitet und die Anforderungen an die Bedürfnisse der Gründer angepasst“, erzählt Bath und betont einen für Gründerzentren besonders wichtigen Aspekt: „Wir sind ein Ort des Zusammenkommens und kein rein gewerblicher Vermieter.“
Zum Wesen eines Gründerzentrums gehört allerdings auch die Fluktuation, denn irgendwann hört man schließlich auf, ein Gründer zu sein. Die Mieter müssen nach spätestens acht Jahren das Nest verlassen und einen eigenen Firmensitz etablieren, um anderen Platz zu machen. Mehr als 270 Firmen und Gründungen sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten im TGO betreut worden, fast alle waren erfolgreich – die Insolvenzrate liegt bei unter einem Prozent.
Für die Stadt Oldenburg, die Hauptgesellschafterin des Zentrums ist, zahlt sich diese Art von Wirtschaftsförderung aus. Seit 2003 sind alleine im Technologie- und Gründerzentrum über 1300 Jobs entstanden, wobei die Unternehmen nach dem Auszug in der Regel noch viel mehr Arbeitsplätze schaffen. Den 1,9 Millionen Euro städtischer Förderung fürs TGO und seinen Mietern stehen mehr als 26,2 Millionen (Stand: 2020) Einnahmen aus Gewerbesteuern gegenüber, die durch Mieterfirmen und ehemalige Mieterfirmen ins Oldenburger Stadtsäckel geflossen sind.
„Ich bin stolz darauf, dass Oldenburg sich durch das TGO bundesweit einen exzellenten Ruf als Hotspot der Gründerszene erarbeitet hat.“
Jürgen Krogmann, Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg
Dazu kommen Investitionen im zweistelligen Millionenbereich durch ehemalige TGO-Mieter, die nach dem Auszug in der Region geblieben sind. „Für die dynamische Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Oldenburg hat das TGO mit Blick auf die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und das Generieren von Steuereinnahmen enorme Bedeutung“, lobte Oberbürgermeister Jürgen Krogmann bei der 20-Jahr-Feier. Hinzu komme der Prestigegewinn durch die „Innovationsschmiede, deren Strahlkraft weit über die Oldenburger Stadtgrenzen hinausreicht“. Krogmann: „Ich bin stolz darauf, dass Oldenburg sich durch das TGO bundesweit einen exzellenten Ruf als Hotspot der Gründerszene erarbeitet hat.“
Eine gezielte Ausrichtung auf ein bestimmtes Thema gibt es im Oldenburg Gründerzentrum nicht. Schwerpunktmäßig tummeln sich hier jedoch Unternehmen aus den Bereichen Informationstechnologie (IT), Künstliche Intelligenz (KI) und regenerative Energien. Das ist kein Zufall, sondern hängt laut TGO-Chef Bath auch mit der Arbeit des Oldenburger Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Informatik-Werkzeuge und -System (OFFIS) zusammen. „Dieser Digitalisierungstreiber sorgt dafür, dass der IT-Bereich sehr stark ist und wir in den letzten Jahren eine erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen haben“, sagt Bath.
Im Gründerzentrum habe sich zudem bereits ein kleines KI-Cluster mit aktuell zwölf Firmen und Forschungseinrichtungen gebildet, das der 55-Jährige noch weiter stärken möchte: „Weil wir gute Kooperationspartner haben, wollen wir das Thema auch pushen.“ Für die Gründer hilfreich sind dabei auch die guten Kontakte zum Fotodienstleister Cewe, der seinen Konzernhauptsitz in Oldenburg hat, und sich in der Region sowie im TGO mit seinem Start-up Zentrum „GO!“ genauso wie der Energieversorger EWE, der Elektrofachhändler Famo oder der Heizungshersteller Brötje stark engagiert.
Startup-Zentrum „GO!“ öffnet sich dem Mittelstand
Der gute Draht zur Wirtschaft hat auch dazu geführt, dass das TGO sein Beratungs- und Coaching-Angebot für Startups jetzt ebenfalls dem Mittelstand und den Großunternehmen der Region zur Verfügung stellt. „Wir haben von den Firmen die Rückmeldung bekommen: Das, was ihr hier im Startup-Zentrum ‚GO!‘ anbietet, das finden wir total spannend. Aber warum macht ihr das nicht für uns?“, erzählt Unternehmenscoach Malte Bischoff, der seinen Job im TGO wie folgt beschreibt: „Mein Tageswerk besteht darin, Innovation zu fördern.“ Seit dem Sommer gibt es nun auch „GO! Corporates“, damit auch etablierte Unternehmen „ein bisschen Startup-Luft schnuppern können“. Ziel ist es, die bereits bestehenden Geschäftsmodelle innovativ weiterzuentwickeln und zukunftsfähiger zu machen – zum Beispiel durch das Programm „Ideen-Geber“.
„Es schlummern unheimlich viele Ideen, die das operative Geschäft beflügeln können, bei den Mitarbeitern in den Schubladen. Bei uns bekommen sie endlich auch eine Bühne“, erläutert Bischoff das Konzept. Für Geschäftsführer und Unternehmer bietet das TGO außerdem „Hilfe zur Selbsthilfe durch Vernetzung“. Bischoff: „Der Austausch ist das, was Dinge beflügelt.“ Das Interesse an den Formaten ist groß und auch die Bereitschaft der Unternehmen, dafür etwas Geld in die Hand zu nehmen, ist vorhanden.
Einziges Hindernis ist die Fachkräfteknappheit in den Betrieben. „Gerade die Leistungsträger sind in den Unternehmen oft unverzichtbar und können nicht so einfach freigestellt werden“, weiß Bischoff. Anders als im Startup-Bereich veranstaltet das TGO für den Mittelstand deswegen auch kein fünfmonatiges Intensivcoaching in den Bereichen Finanzen, Recht, Marketing, Vertrieb und insbesondere Geschäftsmodellentwicklung, sondern kürzere und speziell zugeschnittene Formate.
TGO-Geschäftsführer hat noch viel vor
Mit seinem neuen Standbein will das TGO aber nicht nur die regionale Wirtschaft fördern, sondern auch neue Wege gehen. „Wir wollen uns von der öffentlichen Förderung etwas unabhängiger machen und verstärkt selber Erträge generieren“, sagt Bath und hat dabei vor allem die regionale Wirtschaft im Blick: „Ich würde gerne noch mehr Partner gewinnen, die die Vorteile für sich erkennen und auch die Region voranbringen wollen.“ Die Entwicklung und Implementierung neuer Angebote und Formate für die Mieterfirmen hat Bath ebenso auf seiner To-Do-Liste für die nächsten 20 Jahre, wie die energetische Sanierung und einen „Facelift“ für ein noch zeitgemäßeres Design.
Außerdem möchte er das „GO! Startup-Zentrum“, das erst fünf Jahre jung ist, aber schon 55 Teams erfolgreich gecoacht hat, weiterentwickeln. Der Grundgedanke der Einrichtung, die das Zentrum zu einem „Traumhaus für Gründer“ in Oldenburg gemacht, will Bath dabei aber auf keinen Fall vernachlässigen. „Es wäre schön, wenn wir unser Angebot und die intensive Betreuung der Gründer halten und sogar ausbauen können“, sagt der TGO-Geschäftsführer.
Dieser Artikel erschien am 27.10.2023 in der Ausgabe #187.
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