Olaf Lies kann ein Glücksfall für gebeutelte Mieter sein
Darum geht es: Mit einem „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ will Niedersachsens neuer Bauminister Olaf Lies den Wohnungsbau stärker ankurbeln. Dem Bündnis gehören mehr als 30 Verbände, Kammern, Unternehmen und Kommunen an. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Die Bestandsaufnahme war eher düster. Der neue Bauminister Olaf Lies sprach gestern von einem Problem, das man auf dem Wohnungsmarkt habe. Für Heiner Pott, Direktor des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen, gibt es „kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsdefizit“. Das neu gegründete Bündnis ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung der letzten Landesregierung. Während die damalige Bauministerin Cornelia Rundt im Juli 2017 noch die Bautätigkeit der vergangenen Jahre lobte, änderte sich an den Problemen überhaupt nichts. Ein paar Fördermillionen mehr, am besten aus Berlin, sollten die Vielzahl der Probleme beim Wohnungsbau übertünchen. Und während sich Bewerberschlangen durch die wenigen freien Mietwohnungen in Städten wie Hannover wälzten, dachte die Ministerin über ein „regionales Konzept für die Wohnraumförderung“ nach. Wenn die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel nun das neue Bündnis begrüßt, dass sich die Landesregierung „nun endlich diesem wichtigen Thema angenommen“ habe, muss sich dieser Stoßseufzer der Erleichterung – wenn er ehrlich gemeint ist – vor allem auf die rot-grüne Vorgängerregierung beziehen. Im Gegensatz zu ihr hat sich die Große Koalition nach wenigen Monaten diesem Thema relativ zügig angenommen.
https://soundcloud.com/user-385595761/so-soll-der-wohnungsbau-endlich-angekurbelt-werden
Es ist vor allem der neue Bauminister Olaf Lies, der in Niedersachsen zum Glücksfall für gebeutelte Mieter werden kann. Er hat nicht nur das Thema sofort klar erkannt, sondern profitiert auch noch von seinem ressortübergreifenden Denken. Als ehemaliger Verkehrsminister hat er gestern die Notwendigkeit eines Ausbaus der öffentlichen Personennahverkehrs direkt mit dem Bau neuer Wohnquartiere verknüpft. Und er stellte auch die Frage, warum wir zum einen ständig von der Mobilität der Zukunft mit selbstfahrenden Autos sprechen, dies aber absolut keinen Einfluss auf die Parkplatzplanung bei neuen Wohneinheiten hat. Der neue, pragmatische Bauminister ist durchaus bereit, auch alte Zöpfe einmal abzuschneiden. Das ist angesichts der dramatischen Lage in vielen Städten und Regionen dringend nötig. Lies könnte zum Ingenieur der dringend nötigen Wohnungsbauwende in Niedersachsen werden.
Es wäre zu wünschen, dass das Bündnis schnellstmöglich die auf der Hand liegenden Probleme angeht. Dabei müssten allen ihre Aufgaben klar sein. Das Land muss umgehend prüfen, ob die aktuellen Förderbedingungen eigentlich noch zur Lage passen und ob manche Regelung in der Bauordnung nicht eher ein Verhinderungsinstrument für neue Wohnungen ist. Die Kommunen sollten sich nicht auf Forderungen nach einer besseren Förderung ausruhen. Sie brauchen städteplanerischen Mut und müssen sich auch unbequemen Debatten stellen. Und sie sollten sich selbst mit den kommunalen Gesellschaften wieder stärker einbringen. Die Mietpreisbremse wird es nicht richten. Und wer die Lage am Wohnungsmarkt über kurz oder lang nicht in den Griff bekommt, wird an Attraktivität verlieren. Gut möglich, dass das neue Baukindergeld aus Berlin junge Familien wieder das Eigenheim vor den Toren der Stadt schmackhaft macht.
Zuletzt sollte die Frage fehlender Wohnungen nicht allein auf den sozialen Wohnungsbau fokussiert werden. In diesem Bereich gibt es zwar massiven Nachholbedarf, erst recht aufgrund der hohen Zahl von Wohnungen, die zeitnah aus der Bindung fallen. Richtig ist aber auch, dass jede gebaute Wohnung den Markt entlastet und die Preise insgesamt senken kann. Beim Bau neuer Wohnungen hat eine klassische Binsenweisheit einmal ihre Berechtigung: viel hilft viel.