Niedersachsens „gläserne Behörden“ bekommen Fenster aus Milchglas
Die Landesregierung hat am Dienstag das sogenannte „Transparenzgesetz“ auf den Weg gebracht – ohne allerdings eine weitgehende Publizitätspflicht für alle Ämter damit gleich festschreiben zu wollen. Die Verpflichtung für die Landesbehörden, Kommunen, Kammern und öffentlichen Betriebe, ein „Informationsregister“ zu erstellen, wird nur angepeilt, aber nicht ausdrücklich im Gesetz vorgegeben. Nach den Vorstellungen der Landesregierung soll dies später mit einer Verordnung geregelt werden können, die vom Landeskabinett beschlossen werden müsse. Damit werden sehr weitgehende Regeln, wie sie etwa in Hamburg gelten, in Niedersachsen zunächst ausbleiben. Vor allem von den Kommunen waren Vorbehalte gegenüber dem „Informationsregister“ laut geworden, weil die Entwicklung und Pflege solcher Portale im Internet einen hohen Personalaufwand nach sich ziehen kann. Allgemein wird damit gerechnet, dass eine Verordnung für ein „Informationsregister“ nicht mehr in dieser Wahlperiode in Kraft gesetzt werden dürfte.
Das „Transparenzgesetz“ wird auch „Informationszugangsgesetz“ genannt, Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) erläuterte gestern die Grundzüge. Künftig soll jeder Bürger, der einen formlosen Antrag ohne Begründung stellt, Zugang zu wichtigen Informationen aus der Verwaltung bekommen können. Dabei geht es um Gutachten, Gebührentabellen, Abfallwirtschaftspläne oder auch Bebauungspläne. Bisher musste jemand, der Akteneinsicht haben wollte, sein berechtigtes Interesse belegen. Dies ist jetzt nicht mehr erforderlich. Allerdings ist die Weitergabe von Informationen kostenpflichtig, soweit die Bearbeitung der Anträge eine halbe Stunde überschreitet. Wenn ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes eine Stunde lang Informationen zusammenstellt, könnten Kosten von 63 Euro entstehen, berichtet Ministerialrat Lars Ostwaldt, der im Justizministerium den Gesetzentwurf bearbeitet hat. Umfangreichere Anfragen können entsprechend teurer werden – und eine Missbrauchsklausel soll sicherstellen, dass Behörden die Antwort auch verweigern können, wenn der Fragesteller offensichtlich nur versuchen wollen, die Ämter mit sinnlosen Fragen lahm zu legen.
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Außerdem listet der Gesetzentwurf eine ganze Reihe von Ausnahmen auf, in denen der Informationsanspruch eben nicht besteht. Der Landtag zum Beispiel soll ausgenommen werden, weil er nicht zur Verwaltung gehört, sondern eine gesetzgebende Instanz ist. Auch Gerichte und Staatsanwaltschaften sind ausgenommen, sie stehen für die rechtsprechende Gewalt. Nach einer Abwägung aber soll auch über Ermittlungs- und Gerichtsverfahren berichtet werden, sobald das öffentliche Interesse daran überwiegend ist. Der Landesrechnungshof bleibt ausgeklammert, die Finanzbehörden mit Blick auf das Steuergeheimnis ebenso, der Verfassungsschutz und der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch. Auch Schulen und Hochschulen müssen keine Auskunft erteilen, wenn es etwa um Prüfungsfragen, Zeugnisse oder Beurteilungen geht. Zu Personalstärken und Unterrichtsversorgung hingegen soll die Informationspflicht gelten – allerdings wohl über die Landesschulbehörde, nicht jede einzelne Schule. Festgelegt wird, dass personenbezogene Daten nur nach Abwägung herausgegeben werden, der Datenschutz bleibt gewahrt. Urheberrechte (etwa für Architektenzeichnungen in Bebauungsplänen) müssen geschützt werden, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (etwa in Verträgen zwischen Behörden und Unternehmen) ebenfalls. Der Kernbereich der Exekutive bleibt tabu – es besteht also weiter kein Anspruch, die verschiedenen Entwürfe zur Erstellung einer Gesetzesvorlage einzusehen. Die Kommunen sollen laut Gesetzentwurf ermuntert werden, ihren Sparkassen nahezulegen, die Bezüge der Vorstände zu veröffentlichen.
Die Landesregierung rechnet, nach den Erfahrungen anderer Länder, mit etwa 1000 Bürgeranfragen jährlich bei den verschiedenen Behörden. Marco Genthe (FDP) sagte, der rot-grüne Entwurf für das Gesetz sei schlecht gemacht und komme viel zu spät.