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Im Europaausschuss wird die Sorge geteilt. Der SPD-Abgeordnete Christos Pantazis sagte: „Die EU überlebt den Brexit, da bin ich mir sicher. Aber ob auch Großbritannien ihn überstehen wird, da habe ich schon meine Zweifel.“ Sein Bruder, sagt der SPD-Politiker, arbeite als Wissenschaftler in London. An vielen Instituten sei schon jetzt feststellbar, dass ausländische Einrichtungen versuchten, die Professoren und Dozenten aus Großbritannien wegzulocken mit guten Angeboten. Es drohe damit bei den Briten nicht nur ein Fachkräftemangel, den es sowieso schon gebe, sondern noch ein Wegzug der wissenschaftlichen Intelligenz. Gepaart werde dieser Trend mit einer Fremdenfeindlichkeit, die immer stärker spürbar sei und sich jetzt beispielsweise gegen polnische Gastarbeiter im Pflegebereich richte. Der CDU-Abgeordnete Stephan Siemer meinte, er sei öfter in Großbritannien und erlebe dort „einen Stimmungswandel“ – sehr zum Nachteil der Völkerverständigung. Dragos Pancescu (Grüne) hofft angesichts der Anspannungen auf einen Hilfsfonds in Deutschland, mit dem notleidenden Branchen geholfen werden kann. Der Sprecher Honés, der bei der Reise dabei war, schildert seine Eindrücke so: „Viele in Großbritannien sind gar nicht beunruhigt, wenn sie sehenden Auges in wirtschaftliche Schwierigkeiten gleiten. Sie meinen, das sei eben der Preis für eine Entscheidung, den man akzeptieren müsse.“ Manche würde gar von einer „britischen Spielermentalität“ reden, sagt Reichert. Einige Gesprächspartner hätten die Gefahr einer Aufspaltung des Zweiparteiensystems im Vereinigten Königreich gesehen: Die gemäßigten, pro-europäischen Kräfte von Labour und Torys könnten sich abspalten und zusammenschließen, übrig blieben dann harte Nationalisten rechts außen und harte Marxisten links außen.
Sollte es zum harten Brexit kommen, dann wird es auf absehbare Zeit zu erheblichen Problemen für unsere Fischer kommen. Wir müssen uns dann warm anziehen.
Ein besonderes Problem dürfte die deutsche Fischwirtschaft bekommen. Bisher können deutsche Fischer auch in britischen Gewässern unterwegs sein, das regeln die EU-Verträge. Sollte es Ende dieses Monats zu einem „harten“ Brexit kommen (also einem Austritt ohne zweijährige Übergangsphase, wie ausgehandelt wurde), dann könnten die Briten erklären, dass in dem Gebiet 200 Meilen vor ihrer Küste nur noch britische Fischer aktiv werden dürfen. Folglich würden sich die deutschen, holländischen, französischen und anderen europäischen Fischer auf den Gebieten außerhalb der britischen Zone tummeln. Dort droht dann eine Überfischung.
Bisher regelt ein Abkommen mit Norwegen, dass EU-Fischer Seelachs und Hering auch in den dortigen Gewässern fangen dürfen – zum Ausgleich dürfen die Norweger in den EU-Zonen aktiv sein, vornehmlich in den britischen. Sollten die Briten das verweigern, würden die EU-Rechte in Norwegen verloren gehen. Der CDU-Politiker Siemer sagte im Ausschuss: „Sollte es zum harten Brexit kommen, dann wird es auf absehbare Zeit zu erheblichen Problemen für unsere Fischer kommen. Wir müssen uns dann warm anziehen.“