Niedersachsen wird vielfältiger – aber auch älter und pflegebedürftiger
Niedersachsen wurde im vergangenen Jahr vielfältiger und älter. Auf diese kurze Formel bringt Simone Lehmann, Präsidentin des Landesamtes für Statistik, ihren knapp 100 Seiten starken Niedersachsen-Monitor. Darin werden Jahr für Jahr die wichtigsten statistischen Daten rund um die Bevölkerungsentwicklung, die Wirtschaftskraft, Finanzen, Bildung oder Umwelt zusammengefasst. Für 2018 kann Lehmanns Behörde nun erklären, dass Niedersachsens Bevölkerung weiter anwächst – und das trotz eines Geburtendefizits.
Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Bevölkerungszahl in Niedersachsen um 20.000 Menschen beziehungsweise 0,2 Prozent. Damit nähert sich die Zahl immer mehr der Marke von 8 Millionen, noch liegt sie mit 7,98 Millionen knapp darunter. Grund für den Anstieg sei laut Lehmann die Migration. Laut Bevölkerungsfortschreibung lebten 2018 fast 750.000 Ausländer in Niedersachsen. Das entspricht einem Anteil von 9,4 Prozent. Damit lag Niedersachsen unter dem Bundesschnitt, der im selben Jahr bei 12,2 Prozent lag.
[caption id="attachment_45968" align="alignnone" width="780"] Niedersachsen wird vielfältiger und älter, sagt Statistikamt-Präsidentin Simone Lehmann Mitte). - Foto: nkw[/caption]
Weil sich der Bevölkerungszuwachs allerdings der Migration verdankt und nicht den Geburten, wird die Bevölkerung in Niedersachsen zunehmend älter. Während die Gruppe der über 65-Jährigen im vergangenen Jahr mehr als ein Fünftel der Bevölkerung ausmachte, lag der Anteil der unter 18-Jährigen nur bei 16,6 Prozent. Das Durchschnittsalter betrug 44,6 Jahre, berichtete Lehmann. 50 Jahre früher habe dieses noch bei 36 Jahren gelegen.
Aus dieser Altersstruktur ergeben sich auch besondere Herausforderungen. Denn der Anteil der Pflegebedürftige sei in Niedersachsen relativ hoch, so Lehmann. Im Jahr 2017 waren 4,9 Prozent der Niedersachsen auf Pflege angewiesen (für 2018 liegen noch keine Daten vor). Zwei Jahre zuvor waren es nur glatte 4 Prozent. Niedersachsen lag 2017 mit dem Anteil an Pflegebedürftigen über dem Bundesdurchschnitt (4,1) und auch über dem Durchschnitt der westdeutschen Länder (3,9) – aber gleichauf mit den strukturell älteren ostdeutschen Bundesländern.
Wirtschaft wächst - aber unterdurchschnittlich
Nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Wirtschaft in Niedersachsen wuchs im vergangenen Jahr. Allerdings unterdurchschnittlich, wie Lehmann feststellen musste. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt wuchs die Wirtschaft 2018 (preisbereinigt) um 1,1 Prozent. Der Bundesschnitt lag jedoch bei 1,4 Prozent. Die Steuereinnahmen hingegen stiegen überdurchschnittlich im Jahr 2018. Mit einem Plus von 6,6 Prozent lag Niedersachsen deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 6 Prozent. Doch auch die Ausgaben wurden größer, wodurch sich der Trend wieder aufhob. Die Ausgaben von Land, Kommunen und Sozialversicherungen stiegen um 5,5 Prozent im Vergleich zu 2017. Der Arbeitsmarkt entwickelte sich hingegen deutlich positiv. Die Arbeitslosenquote sank 2018 auf 5,5 Prozent – eine Entwicklung, die sich auch in diesem Jahr noch fortsetze. Lehmann verwies dabei auf den Rekordtiefstand von 4,9 Prozent am 30. Juni 2019. „Es zeichnet sich also eine Entwicklung ab hin zu einem Arbeitnehmer-Arbeitsmarkt“, sagte Lehmann bei der Präsentation des Niedersachsen-Monitors.
Vor allem junge Menschen leben in prekären Verhältnissen
Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt scheint sich auch auf die Armutsgefährdungsquote auszuwirken. Diese sank 2018 auf 15 Prozent und lag damit 0,8 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert. Damit erreichte Niedersachsen wieder einen Wert wie zuletzt 2011, erläuterte Lehmann. Auch die Anzahl der Haushalte mit Beziehern von Arbeitslosenhilfe ging erstmals seit 2014 wieder zurück. Ebenso konnte ein Rückgang bei den Privatinsolvenzen festgestellt werden, jedoch: Hier lag Niedersachsen auch 2018 mit 12 Insolvenzen je 10.000 Einwohner immer noch auf Platz zwei im Bundesvergleich. Vor allem junge Menschen leben offenbar in prekären Verhältnissen. Jeder siebte Niedersachse unter 18 Jahren lebte im vergangenen Jahr in einem Haushalt mit Beziehern von Arbeitslosengeld II, jeder fünfte in dieser Altersklasse war sogar selbst erwerbslos.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #218.