Nicht jeder Bürgermeister muss ein Jurist sein, aber es ist schon wichtig zu wissen, wie eine Verwaltung funktioniert und welche Strategien sie entwickeln kann, die Vorgaben der politischen Führung zu torpedieren.
Rundblick: Warum ist das aus Ihrer Sicht problematisch?
Busemann: Aus zwei Gründen. Erstens kann nicht jeder eine Verwaltung leiten. Nötig sind schon besondere Fähigkeiten, die man etwa in der Führung eines großen Unternehmens gelernt hat. Oder auch politische Kompetenz, also Erfahrung in der Aufgabe, über Netzwerke und Beharrlichkeit bestimmte Ziele Schritt für Schritt umsetzen zu können. Auch fachliche Kompetenz ist wichtig. Schließlich hat die Aufgabe viel mit Verwaltungsvollzug zu tun. Nicht jeder Bürgermeister muss ein Jurist sein, aber es ist schon wichtig zu wissen, wie eine Verwaltung funktioniert und welche Strategien sie entwickeln kann, die Vorgaben der politischen Führung zu torpedieren. Seiteneinsteiger, noch dazu ohne Behördenwissen, haben es da schwer.
Rundblick: Was kann denn schlimmstenfalls passieren, wenn ein unerfahrener Mensch plötzlich Landrat oder Bürgermeister wird?
Busemann: Er kann ausgebremst werden – durch Verzögerungsstrategien oder Blockaden. Wenn ein Verwaltungschef die Mitarbeiter nicht motivieren kann, steigt der Krankenstand, oder es passiert in der Behörde gar nichts. Wenn man dann nicht eine starke Partei im Rücken hat, die möglichst noch die Mehrheit im Kreistag oder Rat haben sollte, dann ist man schnell verloren – es droht dann auch der Vertrauensentzug dadurch, dass der Verwaltungschef für seinen Haushaltsentwurf nicht die nötige Unterstützung der Kommunalvertretung erhält. Oft flüchten Verwaltungschefs in solchen Situationen in die Strategie, gar nichts Schwieriges mehr zu entscheiden.

Dass die Wahlbeteiligung gerade bei Kommunalwahlen oft einbricht und oberflächliche Kriterien manchmal ausschlaggebender zu sein scheinen als inhaltliche Stärke, hat mit einer gewissen Sättigung in unserer Demokratie zu tun.
Busemann: Zunächst denke ich, dass die Wähler es den vielen tausenden ehrenamtlichen Kommunalpolitikern schuldig sind, ihre Arbeit für das Gemeinwesen ernst zu nehmen. Sie sollten deshalb auch zur Wahl gehen – und auch bei der Wahl von Bürgermeistern und Landräten sehr genau darauf achten, wem diese Aufgaben zuzutrauen sind. Dass aber die Wahlbeteiligung gerade bei Kommunalwahlen oft einbricht und oberflächliche Kriterien manchmal ausschlaggebender zu sein scheinen als inhaltliche Stärke, hat meiner Meinung nach mit einer gewissen Sättigung in unserer Demokratie zu tun. Große Probleme gibt es selten noch, in vielen Gegenden herrscht faktisch Vollbeschäftigung, die Infrastruktur ist ausgebaut. Die Zeiten, in denen starke Bürgermeister gebraucht wurden, um Wirtschaftsbetriebe anzusiedeln, Straßen zu bauen und den Städtebau zu planen, sind längst vorbei. Viele Wähler erwarten von ihren Verwaltungschefs, dass sie in Ruhe den guten Status quo verwalten und absichern. Sie wollen keinen Stress und keinen Aufbruch zu neuen Ufern. Sie wollen jemanden, von dem sie meinen, dass sie im Zweifel zu ihm einen guten Zugang finden können. Wieder andere interessiert eine Bürgermeisterwahl gar nicht, weil vermeintlich „die da oben sowieso alle gleich“ seien.
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Rundblick: Schuld sind also die Wähler? Busemann: Nein, zunächst müssen sich die Parteien bemühen, attraktiver zu wirken. Sie müssen erkennen, dass ihre Bewerber auch bürgernah sein müssen und sympathisch. Aber das ist eben nicht das einzige, nicht das entscheidende. Es kommt auf überzeugende Angebote an – und darauf, dass genügend Menschen sich für ein politisches Amt interessieren. Nur sind dann im nächsten Schritt die Wähler auch nicht aus ihrer Verantwortung zu befreien. Sie sollen sich schon den Kopf darüber zerbrechen, wer an der Spitze stehen soll.