„Ich werde bei künftigen Vergabeverfahren Distanz zu einer aktiven Beteiligung wahren“, hatte Wirtschafts-Staatssekretärin Daniela Behrens am vergangenen Freitag im Wirtschaftsausschuss des Landtages erklärt. Seit gestern Morgen ist klar: Die Distanz wird sogar noch deutlich größer sein, denn Behrens hatte am Abend zuvor um ihre Entlassung gebeten. Eine Bitte, der Wirtschaftsminister Olaf Lies auch nachkam.

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Immer neue Details treten in der Vergabeaffäre ans Tageslicht, die längst nicht mehr allein den Fall Neoskop umfasst. Dennoch musste Lies auch in diesem ersten Fall gestern im Landtag weitere Pannen einräumen. Was ist bisher über die Vergabepannen im Wirtschaftsministerium bekannt?

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Der Fall Neoskop:

Die Agentur aus Hannover wurde nach einem Vergabeverfahren im März 2016 beauftragt, die neue Internetseite für das Standortmarketing zu erstellen. Die Agentur ging dabei bestens informiert in das Verfahren. Ein Jahr zuvor hatten sich Vertreter der Firma bereits im Wirtschaftsministerium mit der Staatssekretärin getroffen, im Januar 2016 gab es dann ein zweites, intensiveres Treffen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte es für das Wirtschaftsministerium zwei Möglichkeiten gegeben: Neoskop hätte als „vorbefasstes Unternehmen“ aus dem Verfahren ausgeschlossen werden können oder man hätte die anderen Anbieter über den Inhalt der Vorgespräche informieren müssen. Beides unterblieb, Neoskop gewann die Ausschreibung, obwohl mit 180.000 Euro das deutlich teuerste Angebot abgegeben wurde. Das Gesamtbudget für die Internetseite lag bei 200.000 Euro. Gestern musste Lies eingestehen, dass es wohl nicht bei den 180.000 Euro geblieben ist. Es seien Mehrkosten und zusätzliche Leistungen in Rechnung gestellt worden. Hinzu kommt, dass laut Lies nicht mehr ausgeschlossen werden kann, dass Behrens Einfluss auf das Votum des Auswahlgremiums im Ministerium genommen hat. „Das war der maßgebliche Grund, weshalb mich Frau Behrens gebeten hat, sie von ihrem Amt zu entbinden“, sagte Lies gestern im Landtag.

Die Sieben Städte-Tour:

Sieben Städte, sieben Hersteller! Das war das Motto der Werbe-Tour für Elektromobilität im Jahr 2015. Noch heute sind viele Bilder der Tour im Internet zu sehen: Olaf Lies auf dem E-Bike, auf dem E-Motorrad, im E-Auto. Das Gesamtbudget für die mehrwöchige Aktion lag bei einer Million Euro, verwaltet angeblich vor allem vom Pressesprecher des Ministeriums, Stefan Wittke. Die Zahl der Auftragnehmer war hoch, die Zahl der Vergabefehler offenbar auch. Vor allem drei Verfahren innerhalb der Sieben-Städte-Tour sind im Fokus.

Der Projektmanager:

Pressesprecher Stefan Wittke wollte sich für die Veranstaltung einen Profi ins Boot holen. Roman Mölling leitete jahrelang die Kommunikation beim ADAC in Niedersachsen und ist inzwischen seit mehreren Jahren als externer Pressesprecher und Berater in Berlin und Niedersachsen aktiv. Man kannte sich, man vertraute sich. Wittke wünschte sich Medienprofi Mölling als Projektmanager für die Sieben Städte-Tour. Damit dabei nichts schiefgehen konnte, schickte er Mölling acht Wochen vor der Ausschreibung eine Mail mit dem Entwurf des Ausschreibungstextes für das Projektmanagement. „Der Anbieter war entsprechend frühzeitig informiert und hatte deutlich mehr Zeit, sich vorzubereiten. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass er davor oder danach Einfluss auf den endgültigen Ausschreibungstext genommen hat“, sagte Lies gestern. Deshalb gibt es nun auch ein Disziplinarverfahren gegen den Pressesprecher des Wirtschaftsministeriums, der inzwischen versetzt wurde.

Der Radiosender:

So wie Wittke Roman Mölling als Projektmanager wollte, so sehr wollte er den Radiosender ffn als Medienpartner für das Projekt. Schon Ende Februar und damit zwei Monate vor der entsprechenden Ausschreibung schreibt Wittke in einer Mail an Mölling: „Ich habe das o.k. von der Hausspitze für die weiteren Verhandlungen mit ffn. Was hast Du für Vorschläge, was wir von ffn wollen sollten?“ Die Staatssekretärin konnte nicht ausschließen, solch ein „o.k.“, von dem in der E-Mail die Rede ist, gegeben zu haben. Die Ausschreibung gewann am Ende Radio ffn – trotz Mängel-Hinweisen aus der Vergabeabteilung. Bereits vorgestern musste Lies eingestehen, dass der Zuschlag so nicht hätte erteilt werden dürfen.

Der Werbespot:

„Ich habe da kein präsentes Wissen“, sagte Lies gestern im Landtag, als er von der FDP-Fraktion zum Werbespot zur Sieben-Städte-Tour gefragt wurde. Sein Pressesprecher habe ihm gesagt, es habe hierzu keine Vorgespräche gegeben. Allerdings gibt es auch hier Hinweise, dass es anders gewesen sein könnte. Demnach gab es Treffen mit Filmregisseurin Franziska Stünkel, die am Ende auch das Vergabeverfahren gewann. Der Film kostete rund 50.000 Euro, musste aber noch einmal nachbearbeitet werden, weil die erste Version dem Ministerium nicht gefiel. Zusatzkosten: 15.000 Euro.

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Viele Fehler seien möglicherweise auch auf Zeitnot zurückzuführen, heißt es aus dem Umfeld von Landesregierung und Beteiligten der Sieben-Städte-Tour. Die Verhandlungen mit den Autoherstellern gestalteten sich schwierig, sodass Ende 2014 schon Szenarien diskutiert wurden, ob man wohl schadlos aus dem Projekt wieder austeigen könnte. Zu Beginn des Jahres 2015 musste dann alles sehr schnell gehen. Hat alles also kein System, sondern waren es nur Patzer aufgrund des nahenden Termins? Die Vorgänge rund um die Agentur Neoskop und die Vergabe an den Projektmanager sprechen dagegen. Die Prüfung sämtlicher Unterlagen könnte Aufschluss geben. „Es muss alles auf den Tisch. Es muss alles aufgeklärt werden. Und wir werden aus den Fehlern lernen“, sagte Olaf Lies gestern. (MB.)