Beim Staatsgerichtshof in Bückeburg, dem höchsten Gericht des Landes, mehren sich inzwischen die Eingangsvermerke. Gestern hat die CDU-Landtagsfraktion eine Normenkontrollklage eingereicht. Ein paar Klagen der AfD, der Kommunalverbände und des CDU-Abgeordneten Ulf Thiele liegen schon seit ein paar Monaten vor. Der gestern vorgestellte Schriftsatz der Christdemokraten richtet sich gegen den Nachtragshaushaltsplan für 2023 und das damalige Haushaltsbegleitgesetz, in dem verschiedene Änderungen von Detailgesetzen zusammengefasst worden waren. Der zentrale Vorwurf von CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner lautet: „Aus unserer Sicht war der Gesetzesbeschluss verfassungswidrig, da Parlamentsrechte verletzt wurden. Wir wollen, dass die rot-grüne Regierungsmehrheit die parlamentarischen Spielregeln einhält. Beim Beschluss über den Nachtragsetat 2023 ist das nicht geschehen – und das soll der Staatsgerichtshof nun feststellen.“

Carina Hermann, Sebastian Lechner und der CDU-Finanzpolitiker Ulf Thiele (r.) | Foto: Wallbaum

Die Regierungsfraktionen hätten im April und Mai 2023 dem Landtag insgesamt nicht genügend Zeit eingeräumt, die geplanten Ausgabeansätze und die damit verknüpften Gesetzesänderungen gründlich zu beraten. „Dass es zur Ausübung des freien Mandates gehört, genügend Zeit für eine gründliche Gesetzesberatung zu haben, hat aber bereits das Bundesverfassungsgericht festgestellt“, ergänzte die Parlamentarische Geschäftsführerin Carina Hermann, die für ihre Fraktion die Klage in Bückeburg vertreten wird.

Nun liegt das Ereignis, auf das sich der CDU-Vorstoß bezieht, schon neun Monate zurück. Lechner, Hermann und der CDU-Finanzpolitiker Ulf Thiele (rechts auf dem Foto) begründen ihr spätes juristisches Agieren mit der Tatsache, dass die Fraktion erst ein Rechtsgutachten des Regensburger Verwaltungsjuristen Prof. Bernd J. Hartmann eingeholt hat. Seine Argumente sind nun maßgeblich für die Argumentation – und sie wiederholen teilweise das, was der unabhängige „Gesetzgebungs- und Beratungsdienst“ (GBD) des Landtags schon Ende April 2023 festgestellt hatte: Die Vorschläge der Regierungsfraktionen SPD und Grüne und die ersten Bewertungen des GBD kamen teilweise sehr spät, manchmal wenige Stunden vor den entsprechenden Sitzungen des Haushalts- und des Rechtsausschusses. So habe bei den Abgeordneten wie auch bei den Landtagsjuristen keine Chance bestanden, die vorgetragenen Vorschläge zu gewichten und sich eine Meinung dazu zu bilden.

Auch die Kommunalverbände hätten in ihrer Anhörung zu Detailvorschlägen von Rot-Grün keine Position bezogen, da schlicht die Zeit gefehlt habe, sich damit näher zu befassen. Es ging inhaltlich in diesem Nachtragsetat um 776 Millionen Euro – für Flüchtlingsunterkünfte, Sprachkindergärten und für Verpflichtungsermächtigungen zum Krankenhausbau. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz wurde die Polizeizulage erhöht und die Schulgeldfreiheit für Pflegeberufe erweitert.

Hermann und Thiele erläuterten, dass nicht der Inhalt der Gesetze von der CDU angegriffen werde, sondern das Verfahren. Am 22. März 2023 sei der Entwurf des Nachtragsetats erstmals im Plenum erörtert worden, danach habe die Osterpause begonnen. Am 12. April begannen die Beratungen im Haushaltsausschuss, am 19. April sei der erste Vorschlag für das Haushaltsbegleitgesetz gekommen. Am 20. April habe Rot-Grün eigene Änderungsvorschläge vorgelegt, am 24. April dann neue Vorschläge – und das war genau zwei Tage vor der abschließenden Sitzung des Haushaltsausschusses am 26. April 2023. Am 25. April indes meldete sich der GBD bei den Abgeordneten und verwies darauf, dass das Vorgehen von Rot-Grün „ein verfassungsrechtliches Risiko“ beinhalte.



Dieser Wink mit dem Zaunpfahl ließ die Regierungsmehrheit aber unbeeindruckt, sie paukte den Nachtragsetat eine Woche später in der Landtagssitzung am 3. Mai 2023 durch – obwohl es gereicht hätte, dies im Juni oder Juli 2023 nachzuholen. „Der Grund für diese Eile ist bis heute nicht genannt worden, es gibt ihn nicht“, erläutert Hermann. Sie befürchtet indes nicht, dass bei einem möglichen durchschlagenden Erfolg der CDU in Bückeburg auch die erhöhte Polizeizulage und die Schulgeldfreiheit in Pflegeberufen, die mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2023 eingeführt wurden, gefährdet sind. „Das Gericht würde sicher Hinweise geben, wie man die Verfassungswidrigkeit dieser Beschlüsse auf schnellem Weg wieder heilen kann.“

Volker Bajus | Foto: Grünen-Fraktion Niedersachsen

Der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Bajus wies die CDU-Klage zurück: „Im Frühjahr 2023 gab es ausreichend Beratungszeit. Der letzte inhaltliche Änderungsvorschlag lag 14 Tage vor der Endberatung vor. Fünf Tage später wurde er in wenigen technischen Details noch mal angepasst. Das ist für alle ernsthaften Berufspolitiker ausreichend, um die Vorschläge zu prüfen und zu bearbeiten.“