Warum der neue LKA-Chef nicht aus einem anderen Bundesland kommen soll
Am Ende fallen die Entscheidungen dann doch rasch. Wie aus Regierungskreisen zu hören ist, dauert es höchstens noch ein paar Tage, bis eine wichtige Personalie verkündet wird. Friedo de Vries (53), seit acht Jahren Polizeivizepräsident in Osnabrück, kommt nach Hannover und wird neuer Präsident des Landeskriminalamtes. Monatelang war über die Nachfolge des im März in den Ruhestand gegangenen Uwe Kolmey spekuliert worden, doch den Namen de Vries hatte lange niemand auf der Liste. Ziemlich überraschend muss Innenminister Boris Pistorius, selbst Osnabrücker, intern damit um die Ecke gekommen sein. Eine andere Lösung, die dem Vernehmen nach vor allem dem Koalitionspartner CDU gefallen hätte, kommt damit nicht in Betracht. Aber: Mit dem Namen de Vries sind angeblich Sozial- und Christdemokraten höchst einverstanden. Er gilt als „Kripo-Gewächs“, hat einen guten Ruf und dürfte in der eigenen Behörde rasch Anklang finden.
Der Lebenslauf des neuen Präsidenten verrät nun einiges: Start im mittleren Polizeivollzugsdienst, danach Wechsel zur Kripo und Aufstieg in den gehobenen Dienst. Er studierte an der Polizeiführungsakademie in Münster, leitete den Zentralen Kriminaldienst in Wilhelmshaven, danach das erste Polizeikommissariat in Oldenburg. Anschließend Dezernatsleiter für Personal bei der Oldenburger Polizeidirektion, danach dann Referent im Innenministerium und Leiter der Oldenburger Kriminalinspektion. Der Vater von drei Kindern lebt in Osnabrück.
Was auffällt und ihn von anderen bisherigen Polizeivizepräsidenten unterscheidet, ist der sogenannte „K-Strang“, also die kriminalpolizeiliche Prägung. Seit der große Polizeireform von Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) Anfang der neunziger Jahre sind Schutz- und Kriminalpolizei miteinander verwoben worden, die bis dahin geltende strikte Trennung wurde aufgehoben – sehr zum Unwillen der Kriminalpolizei, die oft meint, nicht genug Wertschätzung zu bekommen. Das ist zwar alles lange her, aber zu der Zeit war Pistorius im Innenministerium Büroleiter von Glogowski. Er ist, wie jeder Innenminister, stets der Erwartung ausgesetzt, die Belange der Kripo bitte zu berücksichtigen.
Pistorius soll sich gegen Rochade gesträubt haben
Das war bereits so, als im vergangenen Jahr die Suche nach LKA-Präsidenten begann. Lange hatte es einen Favoriten gegeben, der trotz seiner CDU-Mitgliedschaft eine Nähe zu Pistorius hatte, da sich beide durchaus schätzen – Axel Brockmann, bis vor wenigen Monaten Leiter des Referates „Kriminalitätsbekämpfung“ im Ministerium, ein anerkannter Fachmann. Tatsächlich soll Brockmann sich für die Stelle beworben haben, doch Pistorius hatte dann Größeres mit ihm vor. Brockmann wurde im Februar neuer Landespolizeipräsident, also oberster Polizist in Niedersachsen.
Damit schied er für die LKA-Führung aus, und in der neuen SPD/CDU-Koalition wurde daraufhin ein neuer Plan diskutiert. Man könne den Braunschweiger Polizeipräsidenten Michael Pientka die LKA-Führung antragen, was unter anderem deshalb gehe, weil Pientka auch aus dem „K-Strang“ kommt. Im Gegenzug könne LKA-Vizepräsident Thomas Ring, der derzeit kommissarisch das Landeskriminalamt leitet, neuer Polizeipräsident in Braunschweig werden. Doch Pistorius soll sich, wie es heißt, gegen diese Rochade gesträubt haben. Ob es daran liegt, dass Ring wegen seiner CDU-Nähe von der Braunschweiger SPD, die im Innenministerium einflussreich sein soll, nicht gewünscht war?
Verheerendes Signal, in anderem Bundesland zu suchen
Im März wurde diese Möglichkeit erstmals diskutiert, doch bis zur Entscheidung zog sich alles noch hin. Wochen vergingen, und in Polizeikreisen wurde ein neues Gerücht verbreitet. Angeblich wolle sich Pistorius „bundesweit“ nach einem neuen LKA-Präsidenten umsehen. Diese Möglichkeit löste innerhalb der Polizei Kritik aus: Es wäre ein verheerendes Signal, hieß es, wenn Pistorius damit eingestehe, dass es angeblich in der niedersächsischen Polizei keine geeigneten Kandidaten für den wichtigen Posten gebe. Der Minister wurde intern gedrängt, bitteschön „im eigenen Stall“ fündig zu werden.
Das geschah dann kurz darauf auch, der Name de Vries kam in die Debatte. Dass eine Verständigung zwischen den Koalitionspartnern gelang, liegt auch an den weiteren Folgen. Angeblich, heißt es, bleibt der bisherige LKA-Vizepräsident nicht auf seinem Posten. Er könnte, wenn die Rochade klappt, den Lüneburger Polizeipräsidenten Robert Kruse ablösen, der angeblich in den Ruhestand wechseln möchte.
Wahrscheinlichkeit von Konkurrentenklagen gering
Der künftige LKA-Präsident de Vries soll sich erst nach Ablauf der Ausschreibung – bei der sich allein Brockmann gemeldet hatte – beworben haben. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit von Konkurrentenklagen eher gering, zumal auch für Ring ein gutes Angebot unterbreitet wird. Eine der wichtigsten noch offenen Personalfragen im Innenministerium ist damit gelöst. (kw)