29. Juni 2020 · 
Umwelt

Nabu hält an Volksbegehren fest

Die Debatte über das Volksbegehren zum Artenschutz in Niedersachsen, das seit einigen Monaten läuft, nimmt an Schärfe zu. Während die Organisationen über einen regen Zuspruch berichten, übt die SPD-Landtagsfraktion massive Kritik am Naturschutzbund (Nabu) und ihrem Landesvorsitzenden Holger Buschmann. „Der Nabu lässt sich für die Wahlkampfzwecke der Grünen instrumentalisieren“, sagt die Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Johanne Modder. Sie fügt hinzu: „Herr Buschmann muss sich entscheiden. Er kann nicht einerseits eine Vereinbarung mit der Landesregierung unterschreiben – und auf der anderen Seite für ein Volksbegehren mobilisieren.“ Buschmann selbst weist die Vorwürfe auf Anfrage des Politikjournals Rundblick zurück: „Ich habe immer gesagt: Solange der Landtag keine Gesetze beschlossen hat, werden wir das Volksbegehren nicht abblasen – denn wir wissen nicht, ob wichtige Bedingungen erfüllt werden.“
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Hintergrund des Konflikts ist der Plan mehrerer niedersächsischer Initiativen, wie vor Jahren in Bayern über ein Volksbegehren konsequenten Artenschutz durchzusetzen. Umwelt- und Agrarministerium in Niedersachsen, das Landvolk und Umweltverbände hatten sich daraufhin zusammengesetzt und einen „niedersächsischen Weg“ entworfen, der Ende Mai feierlich unterzeichnet wurde. Das Ziel war, das Plebiszit abzuwenden. Dazu verpflichten sich die Ministerien und Ministerpräsident Stephan Weil, mehrere Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen, mit denen mehr Natur- und Artenschutz erreicht werden kann. Noch liegen keine Entwürfe für ein neues Wasser- und Naturschutzgesetz vor, noch ist auch längst nicht klar, inwieweit eine Landtagsmehrheit in die Richtung neigt, die etwa der Nabu fordert. Im Detail wird es brisant: Ein drei Meter breiter Gewässerrandstreifen, der nicht gedüngt und mit Pflanzenschutzmitteln versehen wird, ist im „niedersächsischen Weg“ vereinbart. Ausnahmen sehen eine Verringerung auf einen Meter vor – aus „agrarstrukturellen Gründen“. Nun kommt es darauf an, wie dieser Begriff definiert wird, ob sehr eng oder sehr weit. Hier fordert der Nabu sehr für Klarheit, zumal das Volksbegehren nur eine sehr enge Auslegung vorsieht. Dann geht es auch um Hecken, Alleen und Streuobstwiesen, die geschützt werden sollen. Auch hier dürften die Umweltverbände genau darauf achten, wie die Ausnahmen, die womöglich per Verordnung festgelegt werden, formuliert werden. Bisher gebe es lediglich Absichtserklärungen. Das Volksbegehren jedenfalls legt im Gesetz sehr weitgehende Einschränkungen fest, von denen die Ministerien später nur sehr schlecht abweichen könnten. „Wir haben aus Bayern gelernt“, sagt Buschmann, denn in Bayern ließ das Plebiszit viel Raum für Interpretationen in der praktischen Gesetzesanwendung.

Entscheidung fällt wohl im November

Nun ist der Plan so: Die erste Phase des Volksbegehrens läuft bis 13. November, bis dahin müssen 25.000 Unterstützer ihre Unterschrift gegeben haben. Wie es aussieht, dürfte das Quorum locker überschritten werden. Mitte November ist auch das von den Ministern Olaf Lies (Umwelt) und Barbara Otte-Kinast (Agrar) angepeilte Ziel, Wasser- und Naturschutzgesetz im Landtag verabschiedet zu haben. Die erste Lesung könnte im September sein, die zweite und entscheidende dann im November. Danach wollen die Initiatoren des Volksbegehrens, die mitgliederstärksten Gruppen von ihnen sind der Nabu und der Landesverband der Grünen, entscheiden: Entweder sie sind mit den Gesetzen zufrieden und blasen das Volksbegehren ab – oder sie machen weiter. Im ersten Fall wäre das Plebiszit abgesagt, bevor der Kommunalwahlkampf richtig startet. Das aber ist wohl nur denkbar, wenn die Umweltverbände zufrieden sind. Ansonsten würden sie weiter sammeln – und müssten bis etwa Sommer 2021 insgesamt 610.000 Unterschriften beibringen. Das dürfte dann parallel zum Kommunalwahlkampf geschehen. Als wäre diese Konstellation nicht so schon schwierig genug für die Politik, kommt noch zusätzlicher Druck hinzu: Teile der Landwirtschaft, die sich in der Bewegung „Land schafft Verbindung“ verbündet haben, beginnen bereits mit polemischen Attacken auf den Nabu und die anderen Umweltgruppen. Sie organisieren Trecker-Demonstrationen, klagen über eine angeblich bauernfeindliche Politik und finden einen Angriffspunkt zunehmend auch in dem Volksbegehren, dessen Erfolg ihre wirtschaftliche Grundlage zu stark einschränken würde, wie sie meinen. In dieser aufgeheizten Situation wirbt SPD-Fraktionschefin Modder für „einen gesellschaftlichen Konsens“ zwischen Umweltgruppen, Landwirten und Politik. „Das verträgt sich aber nicht mit einem Volksbegehren“, sagt Modder. CDU-Generalsekretär Kai Seefried hat seine Mitglieder dazu aufgerufen, in den sozialen Netzwerken den „niedersächsischen Weg“ zu loben und das Volksbegehren nicht zu unterstützen.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #121.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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