„Museumsdirektoren sollen nicht die neuen Bürgermeister sein“
Der Goslarer Oberbürgermeister Oliver Junk warnt davor, dass die Kommunen sich immer stärker auseinander entwickeln. In den vergangenen Jahren hätten die großen Städte Einwohner hinzugewonnen, der ländliche Raum sei ausgestorben. „Die starken Städte werden reicher, der ländliche Raum ärmer. Durch die Abwärtsspirale geht die Schere immer weiter auseinander. Von einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse kann nicht mehr die Rede sein“, sagte Junk im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.
https://soundcloud.com/user-385595761/oliver-junk-schere-zwischen-stadt-und-land-geht-immer-weiter-auseinander
Viele Förderprogramme seien keine sinnvolle Lösung. „Der Südniedersachsenplan ist nicht viel mehr als weiße Salbe. Zwar profitiert auch Goslar davon, aber das baut nicht wirklich nachhaltige Strukturen auf.“ Stattdessen müsste Junk zufolge die Finanzlage der Kommunen generell gestärkt werden. Ansonsten drohten viele Kommunen abgehängt zu werden. „Wir können nicht wollen, dass ganze Regionen Freilichtmuseen werden. Ich möchte nicht, dass Museumsdirektoren die neuen Stadtoberhäupter werden.“
Die finanzielle Lage der Kommunen war auch eines der Themen bei einer Veranstaltung im Bergwerk Rammelsberg in Goslar mit den Oberbürgermeistern von Essen und Leipzig, Burkhard Jung und Thomas Kufen. Auch Kufen hält Förderprogramme des Bundes teilweise für falsch. „Plötzlich regnet es Brei aus Berlin, aber die Kommunen haben gar keine Löffel mehr, weil sie die verscherbelt haben“, sagte er. Das sieht auch Goslars Oberbürgermeister Oliver Junk ähnlich. „Projektfinanzierung ist deutlich schlechter als eine dauerhafte und nachhaltige Finanzierung. Denn dafür müssen Kommunen erst Strukturen aufbauen, die sie dann nach wenigen Jahren wieder abbauen müssen.“
Der Leipziger Oberbürgermeister Jung befürchtet, dass die Kommunen das Teilhabegesetz des Bundes Millionen kosten werde. „Auch bei den Ausgaben für Asylbewerber werden wir auf 70 Prozent der Kosten sitzen bleiben. Am Ende zahlen die Kommen drauf“, meinte er. Der Essener OB Thomas Kufen will in Bezug auf die Flüchtlinge ebenfalls nachverhandeln. „Wir haben ein großes Herz, aber blöd sind wir nicht. Wenn wir uns dem stellen sollen, dann braucht es finanzielle Unterstützung.“ Die Integration sei eine große Herausforderung. „Schließlich müssen wir den Laden zusammenhalten“, stellte Kufen klar.
Sowohl in Essen als auch in Leipzig steigt die Zahl der Einwohner deutlich. Das starke Wachstum der Stadt Leipzig mit deutlich über 10.000 Einwohnern pro Jahr bereitet Jung inzwischen Kopfschmerzen. „Es mir zu stark. Wir müssen in sieben Jahren 100 Kindergärten bauen und wir brauchen 70 neue Schulen.“ Jetzt beginne darüber hinaus die Konkurrenz der Flächen. Viele Transformationsprozesse seien schwierig. Da komme es zu konfliktgeladenen Situationen. Das sieht Kufen ebenfalls in Essen, auch dort gebe es Wachstumsschmerzen. „Jeder will die Veränderung, aber er will sie nicht bei sich. Da wird die Luft im Gespräch schnell bleihaltig.“ Viele Veränderungen seien allerdings auch positiv. Inzwischen habe Essen den Titel „Grüne Hauptstadt Europas“, berichtet er. „Früher hieß es: Wir sind mit einem weißen Auto zum Opa in den Ruhrpott gefahren und mit einem grauen Auto zurückgekommen. Heute sind wir die grüne Stadt.“
Für die Zukunft setzen beide Oberbürgermeister auf eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Umland. „Es ist eben nicht so, dass sich große Städte auf Kosten der Kleinen fett machen“, meint Jung. Er sieht die Zukunft in einer intensiven Zusammenarbeit in der Metropolregion. Kufen wiederum klagt über die Strukturen in seiner Region. „Im Bereich des Verkehrsverbundes gibt es 27 Verkehrsgesellschaften mit 27 Vorständen“, klagt er. „Wir brauchen mehr Kooperation.“
Goslars OB Junk sieht auch das Land stärker in der Pflicht. Ein Beispiel sei die Stadt Braunlage, die aus sich selbst heraus absolut nicht in der Lage sei, einen ausgeglichenen Haushalt zu organisieren. Das müsse das Land Braunlage ermöglichen – entweder durch mehr Finanzzuweisungen oder durch eine Fusion und einer anderen kommunalen Struktur. „Es kann nicht sein, dass die Stadt zum Beispiel gezwungen wird, Hebesätze zu verändern. Da ist gar keine kommunale Selbstverwaltung mehr möglich. Die Landesregierung nimmt ihre Verantwortung für die kommunale Familie völlig unzulänglich wahr.“