15. Sept. 2019 · Bildung

Müssen FH-Professoren zu viel lehren?

Der Streit, der demnächst vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg ausgetragen wird, erinnert ein wenig an einen Dauerkonflikt bei den Lehrern. Die Pädagogen in Grundschulen, Haupt- und Realschulen müssen häufiger in der Klasse unterrichten – haben aber am Ende noch ein geringeres Gehalt, wenn man sie mit den Gymnasiallehrern vergleicht. Das sei ungerecht, meinen viele und fordern eine Angleichung. Auch im Hochschulbereich gibt es, bei allen Unterschieden im Detail, einen ähnlichen Disput. Die Professoren an den Universitäten, es sind rund 3500 in Niedersachsen, haben eine Lehrverpflichtung von acht oder neun Stunden in der Woche. Der Rest ihrer Arbeitszeit bleibt der Forschung vorbehalten. Dagegen müssen die rund 1500 Fachhochschul-Professoren 18 Stunden in der Woche vor der Seminargruppe stehen und unterrichten, also doppelt so lange.

Musterprozess in Niedersachsen

Der Hochschullehrerbund (HLB), die Vertretung der FH-Professoren, geht dagegen nun gerichtlich an. In Niedersachsen vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg soll ein Musterprozess geführt werden, der inhaltlich und juristisch gestützt wird von der Bundesvereinigung des HLB. Kläger sind zwei FH-Hochschullehrer aus Hannover und einer aus Osnabrück, die alle aktiv sind im Landesverband des HLB. Im Prozess vertreten werden sie dann durch Prof. Nicolai Müller-Bromley, der an der FH Osnabrück Öffentliches Recht lehrt und zugleich als Präsident den HLB-Bundesverband führt. Die Sache ist also in dieser Interessensvertretung sehr hoch aufgehängt. https://www.youtube.com/watch?v=bXy4hqo7U_8&t=5s Dass gerade Niedersachsen ausgewählt wurde für den Musterprozess, hat einen eher formalen Grund. Nur dann, wenn die jeweilige Lehrverpflichtungsverordnung in einem Bundesland angepasst wird, öffnet sich ein Zeitfenster für die betroffenen Hochschullehrer, dagegen vor Gericht zu ziehen. Im September 2018, vor einem Jahr, wurde diese Verordnung überarbeitet – und der HLB nutzte anschließend die Chance zu einem Gerichtsverfahren.

Wer weniger forscht, ist bei der Bezahlung im Nachteil

Dabei ist die Argumentation des Verbandes nun breit aufgestellt, wie die stellvertretende Geschäftsführerin Karla Neschke im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick erläutert: Die Lehrverpflichtung von 18 Wochenstunden sei schon vor 50 Jahren an den Fachhochschulen eingeführt worden. Seitdem habe sich aber eine Menge getan. Die Forschung sei als Pflichtaufgabe auch für FH-Mitarbeiter verbindlich, dies sei in Niedersachsen schon 1994 geschehen. Als 2004 und 2005 die neue W-Besoldung für den Hochschulbereich verpflichtend wurde, sei das System der Bezahlung grundlegend erneuert worden. Es gibt neben einer Grundvergütung noch eine Leistungskomponente – und diese Leistung hänge wesentlich vom Anteil der Forschung ab. Wenn aber FH-Professoren kaum Zeit fänden, neben der hohen Lehrverpflichtung noch zu forschen, so seien sie gegenüber Uni-Professoren bei der Bemessung der Leistungskomponente im Gehalt benachteiligt. Neschke verweist außerdem auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2010. Damals hätten die höchsten Richter eindeutig festgelegt, dass die noch in den achtziger Jahren getroffene Aussage über den fehlenden Forschungsauftrag der FHs nicht mehr zutreffe. Bundestag und Landtage hätten nämlich die Wirklichkeit in den Universitäten und Fachhochschulen Zug um Zug angenähert – das müsse sich auch dienstrechtlich bei den Beschäftigten widerspiegeln.

Dauerkonflikt zwischen FH und Uni

Dieser Streit berührt damit einen sensiblen Punkt der Wissenschaftspolitik, nämlich die Frage, ob Fachhochschulen und Universitäten tatsächlich so ähnlich sind, dass die Arbeitsabläufe gleich sein müssten – oder ob die Fachhochschulen eine Akademisierung der Ausbildung nur vorgeben, die aber einem harten Vergleich nicht standhalte. Einige Länder wie NRW und Hessen haben den FHs schon das Promotionsrecht eingeräumt – sehr zum Missfallen des Lagers der Universitäten. Der HLB geht auf diesen Konflikt gar nicht weiter ein, fordert aber für seine Mitglieder Rechte ein, wie sie den Uni-Hochschullehrern ohnehin schon zustehen. Begründet wird das mit Artikel 5 des Grundgesetzes, der Freiheit von Wissenschaft und Lehre, und mit den Dienstherrn-Pflichten des Landes für seine Beamten, zu denen eben auch die Fürsorgepflicht zähle.

Mehr als 500 FH-Professoren könnten fehlen

Das Land Niedersachsen muss zu der Klage eine Gegenposition einnehmen, die Mitarbeiter von Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) arbeiten daran. Dabei dürfte es auch um die Konsequenzen gehen, die im Fall eines Erfolges des HLB drohen. Wenn nicht mehr 18 Wochenstunden verpflichtend sind, sondern lediglich 12 (wie gefordert), dann würde ein Drittel der Lehrveranstaltungen an den Fachhochschulen ausfallen. Man bräuchte also rund 500 FH-Professoren zusätzlich – das würde mehr als 30 Millionen Euro jährlich zusätzlich kosten. Da ein OVG-Urteil in Lüneburg Auswirkungen auf die ganze Republik hätte, müssten die anderen Bundesländer nachziehen. Wie Karla Neschke erläutert, geht es aber gar nicht primär um neue Professorenstellen, ihr Verband habe ein anderes Modell angeboten. Jeder FH-Professor solle einen Mitarbeiter bekommen, der bei der Lehre auch entlastend tätig werden könne. Da der Mitarbeiter nicht so hoch eingestuft wird wie der Professor selbst, blieben die Kosten dann übersichtlicher. Allerdings heißt es im Wissenschaftsministerium schon, ein Erfolg der Kläger könne dramatische Folgen für die Hochschullandschaft in Deutschland haben – „das würde Milliardensummen kosten“. (kw)
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Dieser Artikel erschien in Ausgabe #160.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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