Der Journalist Reinhard Bingener von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) hat zusammen mit seinem Kollegen Markus Wehner ein Buch über „Die Moskau-Connection“ geschrieben. Darin schildert er, wie ein Kreis um den Altkanzler Gerhard Schröder massiv auf die deutsche Politik Einfluss genommen hat – und zwar kurioserweise umso stärker, seit Schröder 2005 nicht mehr Regierungschef war.

Deutschland drohe durch die Moskau-Connection im Ausland ein Reputationsschaden, so FAZ-Redakteur Reinhard Bingener. | Foto: Struck

Niklas Kleinwächter hat mit Reinhard Bingener über die Motive für seine Veröffentlichung, die Recherchen, die Reaktionen und seine besonderen Erlebnisse gesprochen. Bingener sagte, sein Buch sei in den Medien auf großes Interesse gestoßen, es werde jetzt auch ins Schwedische und Polnische übersetzt. Die Reaktion der Politik aber sei überwiegend Schweigen. „Ich wundere mich schon, wie wenig kritisch die Debatte über Fehler in der deutschen Außenpolitik läuft. Auch bei Frank-Walter Steinmeier, den Schröder erst zum Politiker gemacht hat. Es wurde über viele Jahre eine im Ansatz falsche Russland-Politik betrieben – aber das läuft heute irgendwie so durch in Deutschland.“ Vielen Politikern sei gar nicht bewusst, wie kritisch man im Ausland deshalb mittlerweile auf die Bundesrepublik blicke. Ein „Reputationsschaden“ drohe.

„Ich wundere mich schon, wie wenig kritisch die Debatte über Fehler in der deutschen Außenpolitik läuft.“

Reinhard Bingener

Das Buch „Die Moskau-Connection“ konzentriert sich auf die Verflechtungen zwischen der SPD und russischen Kreisen, für die vor allem Gerhard Schröder steht. Unter dem Altkanzler sei die Erinnerung an die Entspannungspolitik von Willy Brandt „instrumentalisiert worden für ein geschöntes Russland-Bild“. Dabei sei die Perspektive auf die Opfer des Putin-Regimes systematisch an den Rand gedrängt worden. Auch in der CDU habe es eine falsche Russland-Politik gegeben, erklärt Bingener. Angela Merkel habe eine „deutlich kritischere Perspektive auf Putin gehabt“, aber zu ihrer Strategie des Machterhalts habe es gehört, den Koalitionspartner SPD walten zu lassen und Konflikte über Grundsatzthemen zu vermeiden, auch keine Krisenvorsorge zu treffen.


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Wenn man nach der Moskau-Nähe der SPD forsche, komme man zur besonderen Rolle der SPD in Niedersachsen. Diese sei inzwischen viel stärker in der Gesamtpartei als die einst mächtige NRW-SPD. Leute wie Steinmeier und Sigmar Gabriel könnten auch zu einer „Hannover-Connection“ gezählt werden. Die niedersächsische Landeshauptstadt sei relativ klein in einem großen Flächenland, charakterisiert durch eine lange lokale und regionale Vorherrschaft der SPD, die wiederum enge Beziehungen zur Wirtschaft pflege. Auch die Querverbindung zu Göttingen verleihe dem eine besondere Note, viele Sozialdemokraten hätten dort studiert. Für dieses sozialdemokratische Netzwerk stehe am Ende auch der heutige Ministerpräsident Stephan Weil, der beste Verbindungen zum früheren russischen Honorarkonsul Heino Wiese gehabt habe, einem wichtigen Türöffner, wenn es um niedersächsische Russland-Kontakte gegangen sei.

FAZ-Redakteur Reinhard Bingener (rechts) hat im Politiknerds-Podcast mit Niklas Kleinwächter über sein Buch gesprochen. | Foto: Struck

Bingener sagt, auf ihn wirke es „auffällig und schon ein bisschen verstörend“, dass die vergangenen Fehler der Politik heute „so wenig aufgearbeitet werden“. Schon bei der Recherche hätten sich viele Politiker „tot gestellt“ und wenig beizutragen gehabt. „Das ist, als wenn man einen Ball ins Aus rollen lassen will“, erklärt der Autor. Die Verbindung von Energie- und Sicherheitspolitik, wie sie im Blick auf die Gaswirtschaft und die Verflechtungen zwischen Gazprom und politischen Akteuren deutlich werden, solle tiefer betrachtet werden – auch die begleitende Tätigkeit von Medien und Beratungsagenturen. „Die Chance, das gründlich auszuleuchten, verpasst man in Deutschland gerade“, fügt Bingener hinzu. Die SPD habe kein Interesse an einer Aufarbeitung, die CDU/CSU meide das Thema, da man die besondere Rolle von Merkel nicht beleuchten wolle. FDP und Grüne seien zwar unbefangener, aber sie seien in der Ampelkoalition mit der SPD verbunden. „Manche von ihnen sitzen da und haben die Faust in der Tasche geballt“, betont Bingener.