
Es wird Theuvsens Aufgabe sein, die Weichenstellungen, die vor allem mit dem Umwälzungsprozess in der Landwirtschaft verbunden sind, vorzunehmen.
Wenn man das wörtlich nimmt, kann man daraus eine Kritik an Beckedorf herauslesen: Offenbar hat der bisherige Staatssekretär, der zwei Jahre und zwei Monate im Amt war, die wichtigen Weichenstellungen im Ministerium eben nicht wahrgenommen. Tatsächlich sind die Hinweise auf ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis zwischen Ministerin und Staatssekretär unübersehbar. Nun war es keine große Krise, keine krasse Fehlentscheidung, die Otte-Kinast und Beckedorf entzweit haben. Vielmehr muss die Entfremdung zwischen beiden schleichend vorangeschritten sein. Über die Jahre muss sich das zugespitzt haben, und schon im Juni vergangenen Jahres hatte es Hinweise auf eine Trennung gegeben.
[caption id="attachment_47195" align="alignnone" width="780"]
Jurist Beckedorf gilt nicht als Landwirtschaftsexperte
Für Beckedorf gilt das eher nicht. Der Jurist ist eben ausdrücklich kein Landwirtschaftsexperte. Er war Kreisrat im heutigen Heidekreis, arbeitete beim Deutschen Landkreistag, kam unter Uwe Schünemann als Kommunalabteilungsleiter ins Innenministerium, wechselte dann in die Raumordnung und ins Agrarressort und war dort 2017 als Abteilungsleiter mit CDU-Prägung ganz oben auf der Liste derer, die als Staatssekretär in Betracht kamen – was dann auch geschah. Schon aus seiner Zeit im Innenministerium war von ihm bekannt, dass er die Fragen juristisch beurteilt und klärt, dass er guten fachlichen Rat geben kann. Aber die Managementaufgabe, zunächst unmöglich scheinende Dinge auf geschickten Wegen möglich zu machen, schien seine Stärke nicht zu sein. Schon früh wurden aus dem Ministerium selbst, von Bauernverbänden und auch aus den Koalitionsfraktionen Vorbehalte gegen Beckedorf laut. Anfangs hieß es, er berate die Ministerin schlecht – als diese etwa den Kardinalfehler beging, in ihren ersten Wochen eine Abkehr vom Tierschutzplan anzukündigen. Im Streit um FFH-Gebiete wurde das Agrar- vom Umweltministerium ausgebootet. Wieder hieß es, der Staatssekretär hätte besser aufpassen müssen. Dann gab es Hinweise, Beckedorf habe gegen den Willen der Ministerin die Öko-Prägung der Flurbereinigung gekippt, im Ringen um die Dürrehilfen zu wenig für Niedersachsen erreicht oder als Hüter des ELER-Fonds der EU-Fördermittel unglücklich kommuniziert, sodass die EU nachhaltig verärgert gewesen sei. Dann war die Futtermittelbranche sauer, die sich in Niedersachsen vernachlässigt fühlte. Als starke Autorität im Ministerium, die verschiedene Abteilungen und Referate zusammenführt, habe sich der Staatssekretär schließlich auch nicht erwiesen, erzählt man sich.Lesen Sie auch – aus unserem Archiv: Kampagne gegen Staatssekretär? Ministerin und CDU stärken Beckedorf den Rücken EU-Mittel drohen zu verfallen: Neuer Druck auf Otte-Kinast
Wenn nur die Hälfte dieser angeblichen oder tatsächlichen Versäumnisse, Pannen und Missgeschicke zutreffend ist, wäre das wohl schon Grund für eine Ablösung gewesen – zumal Beckedorf nie wie jemand wirkte, der es seinen Kritikern nun erst recht zeigen und seine Stärken beweisen wollte. Wirklich bedeutend für seine Ablösung dürfte aber ein anderer Umstand gewesen sein, der sich auch jetzt, auf dem Höhepunkt der Bauernkrise um die neue Düngeverordnung, wiederum zeigt: Schon seit länger als einem Jahr ist das Verhältnis zwischen dem niedersächsischen Agrarministerium und dem Bundesagrarministerium gestört, die Agrarpolitiker der Koalition in Niedersachsen und die im Bund stehen teilweise fassungslos daneben. In Hannover herrscht Empörung, weil die hiesige Sichtweise auf die Probleme in Berlin offenbar gar nicht zur Kenntnis genommen wird – obwohl doch Niedersachsen das Land mit der größten und bedeutendsten Agrarwirtschaft ist. Nun wäre es sicher Aufgabe von Beckedorf gewesen, auf „der Arbeitsebene“ wie es im Ministerialdeutsch heißt, für gute Stimmung zu sorgen – durch gute und dauerhafte Kontakte, frühzeitige Abstimmungen und regelmäßigen Meinungsaustausch, übrigens auch im Bundesrat und im Kontakt mit den anderen Ländern. All dies, heißt es, sei bisher vernachlässigt worden – und die Verantwortung dafür wird wohl dem Staatssekretär zugeschrieben. Oder anders ausgedrückt: Die Erwartungen, die hier auf dem Nachfolger Theuvsen lasten, sind enorm. Er soll wahre Wunder vollbringen.

Lesen Sie auch: Entlassung des Agrar-Staatssekretärs: Kabinett muss noch zustimmen