Mit Olaf Lies unterwegs im Oldtimer: „Weniger CO2 geht ja gar nicht“
Von Martin Brüning
Manchmal sind die Verlierer die wahren Sympathieträger. Einer dieser Verlierer steht bei Umweltminister Olaf Lies in der Garage. „Traurige Lösung“ nannte man den VW 1600 TL, eine Art Käfer mit Fließheck. Kult ist heute höchstens noch die Werbung, die in den Sechzigern in den USA mit Dustin Hoffman gedreht wurde. Hoffman wundert sich darin, wo denn der Motor sitzt. Der TL hat nämlich vorne und hinten einen Kofferraum. Der Boxermotor aus dem Käfer wurde flach eingebaut, so dass im Heck über dem Motor noch Platz für zwei größere Reisetaschen blieb.
Es war das erste Auto, in dem Olaf Lies in seiner Kindheit saß, und das begründet heute noch seine große Zuneigung zu dem Modell. Er steigt in den weißen TL aus dem Jahr 1969, lässt den Motor an und es erschallt das typische Käfer-Geräusch, das auch den Autor dieser Zeilen zurück in seine Kindheit bringt, als er von der Mutter mit dem orangefarbenen VW Käfer in den Kindergarten gebracht wurde.
77.000 Kilometer hat der Oldtimer in Lies‘ Garage auf der Uhr. Der Zähler hat allerdings nur fünf Stellen. Ob es 177.000 oder vielleicht sogar 1.077.000 Kilometer sind, lässt sich nicht mehr beurteilen. „Motor und Bremsen haben wir aber überholt“, beruhigt Lies den Beifahrer. Wir sind zu einer Video-Fahrt im Oldtimer verabredet und das Wetter spielt auch mit: die Regenwolken haben sich verzogen, der Drehknopf für die kleinen Scheibenwischer bleibt ungenutzt. Los geht’s, zwei „Petrolheads“ machen sich auf den Weg Richtung Wilhelmshaven.
Kein Navi, keine Sitzheizung und niemand spricht über Connectivity: Mit diesem Auto lässt sich das Smartphone ganz bestimmt nicht verbinden. Und trotzdem lernt man einmal wieder, während die 3-Gang-Automatik sanft schaltet und der Wagen gemütlich über die Straßen des Landkreises Friesland wippt, dass dieses 50 Jahre alte Auto auch heute noch Mobilitäts-Ansprüchen vollauf genügen könnte. Lies sagt selbst, er liebe alte Dinge, die noch funktionierten. Er habe einen alten Traktor aus dem Jahr 1951 und ein altes Motorrad, an dem er arbeite.
Man müsse die Dinge aber auch einmal in ihrer Gesamtheit betrachten. Der Oldtimer aus dem Jahr 1969 habe etwas Bleibendes, etwas Nachhaltiges. „Weniger CO2 geht ja gar nicht.“ Auch als Umweltminister will sich Lies die Freude am Fahren mit dem Modell aus Wolfsburg nicht nehmen lassen. „Das ist Spaß und das macht eben Politik auch aus. Neben den politisch festgezurrten, wichtigen Richtlinien gibt es auch den Menschen mit seinen Hobbys. Und die dürfen auch mal ein bisschen konträr zur politischen Arbeit sein.“
Wir brauchen E-Mobilität mit Batterien und Brennstoffzelle und synthetische Kraftstoffe. Es gibt nicht nur eine Lösung. Das war in der Vergangenheit auch nicht anders.
Wenn man die Dinge schon einmal philosophisch in ihrer Gesamtheit betrachtet, kommt man am Thema Politik kaum vorbei. Wäre die „Traurige Lösung“ ein E-Auto, wäre sie vermutlich doppelt so schwer, weil allein die Batterie so viel wiegen würde wie das ganze Auto. Nährt das nicht Zweifel an der Technologie? „Anwendungsangepasst“, lautet dabei für Lies das Zauberwort. Man müsse genau überlegen, für welche Einsatzform welche Technologie geeignet ist. Das Wort „und“ sei hierbei entscheidend. „Wir brauchen E-Mobilität mit Batterien und Brennstoffzelle und synthetische Kraftstoffe. Es gibt nicht nur eine Lösung. Das war in der Vergangenheit auch nicht anders.“ Gerade für größere Distanzen oder größere Fahrzeuge könne die Batterie nicht die beste Lösung sein.
Bei der Elektromobilität würde sich der Umweltminister allerdings eine ehrlichere Berechnung der CO2-Belastung wünschen. „Es ärgert mich ein bisschen, dass wir nicht den Mut haben, eine echte ökologische Bilanz zu ziehen“, sagt Lies. „Wenn wir CO2-frei fahren wollen, dann gehört dazu auch die schrittweise CO2-freie Produktion und das Laden mit grünem Strom. Dann ist es eine gute Lösung.“ Er nennt als Beispiel die Herstellung von Batteriezellen. Wenn man diese in der Lausitz fertige und dazu noch die Energie der abgelaufenen Braunkohlekraftwerke nutze, müsse man mit dem dort produzierten E-Auto hunderttausende Kilometer fahren, um überhaupt die Bilanz auszugleichen. „Dann belügen wir uns noch mehr. Schließlich ist im Moment auch der Strom zum Fahren noch nicht CO2-frei.“ Das müsse aber das Ziel sein.
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Statt „anwendungsangepasst“ könnte man vielleicht auch dem Begriff „technologieoffen“ benutzen. Das hatte in der Autoindustrie gerade zu Streit zwischen den Konzernen geführt, weil Volkswagen klar auf batterieelektrische Fahrzeuge setzt. Lies zeigt Verständnis für den VW-Kurs. „Ich erkenne, warum der Druck bei Volkswagen groß ist. Der Autokonzern braucht Lösungen, die er verlässlich in den Markt bringen kann.“
Der Umweltminister sieht in der Frage der Technologieoffenheit auch den Staat in der Pflicht. Dabei gehe es zum Beispiel um synthetische Kraftstoffe. „Wir kommen im Moment gar nicht zu dem Punkt, diese Kraftstoffe wettbewerbsfähig zu machen, weil wir den grünen Strom künstlich teurer machen“, kritisierte Lies.
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Der Umweltminister ist ein Typ, der Emotionen zeigt, genau das nimmt Menschen für ihn ein. Er hat Spaß an seinem Oldtimer, Freude am Motorradfahren und eine tiefe Zuneigung zu Wilhelmshaven, wo er unter anderem seine Ausbildung und sein Studium absolviert hat. Auch der Jade-Weser-Port begeistert ihn immer noch. „Herrlich“, sagt er, als er dort ein Containerschiff sieht. „Da liegt wieder eines der weltgrößten Schiffe. Es ist einfach ein gutes Gefühl, dass sich der Hafen in Wilhelmshaven so toll entwickelt, auch wenn es noch viel zu tun gibt.“
Wenn wir CO2-frei fahren wollen, dann gehört dazu auch die schrittweise CO2-freie Produktion und das Laden mit grünem Strom. Dann ist es eine gute Lösung.
Man könnte mit dem VW den ganzen Tag lang so weiterfahren, vielleicht noch ein wenig die Küste hoch. Aber irgendwann ist auch die schönste Fahrt einmal vorbei. Zum Schluss zeigt Olaf Lies noch einmal den überraschenden Kofferraum über dem Motor. Und für einen kurzen Moment fühlt man sich wie Dustin Hofmann im Jahr 1969.