5. Sept. 2025 · 
TagesKolumne

Mit anderen Augen

Perspektivwechsel in der TagesKolumne: Der Rundblick fragt sich, wie barrierefrei er eigentlich selber ist. Und was es braucht, damit das besser wird.

Als ich meinen Zivildienst geleistet habe, wurde ich einmal nach Aurich abkommandiert und lernte tatsächlich etwas fürs Leben. An einem Tag wollte man uns – rund 20 jungen Männern, die im diakonischen Bereich eingesetzt waren – einmal zeigen, wie beschwerlich die Welt für Mitmenschen sein kann, die weniger gut sehen können. Kurzerhand wurden einem Teil der Gruppe die Augen verbunden, die anderen mussten die Seheingeschränkten daraufhin eine Stunde lang durch die Stadt führen.

Die Welt auf andere Weise wahrzunehmen, will gelernt sein. Wo sind Hürden, die wir jeden Tag galant überspringen – an denen andere aber hängenbleiben? Die Methode hat gewirkt: Nach diesem Tag in Aurichs Innenstadt haben wir Bürgersteige, Ampelphasen und Verkehrslärm ganz anderes betrachtet. Und unsere Mitmenschen auch.

Collage zeigt zwei Hände, die ein Fernglas hochhalten
Die Welt mit anderen Augen sehen. | Foto: beast01

In den Schuhen eines anderen zu laufen, ist auf Dauer aber äußerst anstrengend. Deshalb wechseln wir im Alltag doch immer wieder in die eigenen bequemen Latschen. Erst äußerer Druck bringt Einsicht und Veränderung. Was damals die Fortbildungsleiter waren, ist heute ein Gesetz. Es zwingt viele Dienstleister dazu, ihre digitalen Angebote durch die Brille eines anderen zu betrachten: Wie barrierefrei ist die eigene Website eigentlich? Meine Kollegin Anne Beelte-Altwig hat sich mit den Tücken des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes beschäftigt. Leseempfehlung im heutigen Rundblick!


Wir Journalisten sind ja schnell dabei, mit dem Finger auf andere zu zeigen, wenn wir einen Missstand oder ein Versäumnis wittern. In diesem Fall mussten wir uns mit eben diesem Finger einmal an die eigene Nase fassen. Nicht erst ein neues Gesetz, sondern unsere jüngsten technischen Umgestaltungen haben nämlich eine Frage aufgeworfen, die wir uns in der Redaktion lange Zeit nicht gestellt hatten: Wie barrierefrei ist der Rundblick überhaupt?

Da ist noch Luft nach oben, haben wir festgestellt – und nachgerüstet: Ein kleiner Codeschnipsel sorgt inzwischen dafür, dass Besucher unserer Website an Schriftgröße und Kontrast drehen und sich Texte vorlesen oder Bilder ausblenden lassen können. Ein Anfang ist gemacht.

Im Rundblick-pdf oder auch auf unserer barrierearmen Website finden Sie heute außerdem noch diese Themen:

  • Fall Friedland: Warum ist der 31-jährige Iraker, der einer Tötung verdächtigt wird, nicht abgeschoben worden? Die Opposition spricht von Behördenversagen, Rot-Grün indes weist den Vorwurf zurück.


  • Gewalt an Schulen: Beim Beamtenbund klagen immer mehr Lehrkräfte über Drohungen, Einschüchterung und tätliche Angriffe. Das Land setzt auf Demokratiebildung und einen neuen Erlass, der aber auf sich warten lässt.


  • Personen und Positionen: Johanna Heise, Bärbel Heidebroek, Kerstin Krebs, Jörn Surborg

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre – egal mit welchen Sinnesorganen!

Ihr Niklas Kleinwächter

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #154.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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