
CDU-Landesparteitags im Oldenburger Land. | Foto: Josef Holtvogt
Am 9. und 10. September tagt der CDU-Bundesparteitag in Hannover – unter anderem soll über die Einführung einer Frauenquote entschieden werden. Im Vorfeld des Parteitags hat der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz ein Interview mit der Redaktion des Politikjournals Rundblick geführt.
Rundblick: Herr Merz, die CDU in Niedersachsen hat die Landesliste für die Landtagswahl paritätisch mit Frauen und Männern besetzt. Sollte das künftig Standard werden in der CDU?
Merz: Wenn wir etwas verändern wollen, dann müssen wir an unsere Strukturen heran. Nach wie vor sind die Frauen in unserer Partei unterrepräsentiert. Der Mangel an Frauen trifft die Partei nicht allein an der Spitze bei der Besetzung von Führungspositionen, sondern wir haben insgesamt viel zu wenig Frauen in der politischen Arbeit der Partei, vor allem auch auf kommunaler Ebene. Auch aus diesem Grund schlage ich dem Parteitag vor, mit Christina Stumpp eine stellvertretende Generalsekretärin zu berufen, die das Thema vordringlich bearbeiten soll und bereits jetzt ein Kommunalbüro eingerichtet hat. Aus der Bundespartei heraus soll sie daran mitwirken, den unmittelbaren Zugang zur Basis – in den Städten, Gemeinden und in den Ortsverbänden – zu unterstützen, damit sich die Partei wieder breiter aufstellt.
Rundblick: Der Bundesparteitag in Hannover diskutiert verschiedene Schritte, wie die Präsenz von Frauen in der Politik verbessert werden kann. Planen Sie für diesen Termin eine historische Weichenstellung – oder ist das eher eine schrittweise Reform der Parteistrukturen?
Merz: Es geht darum, dass wir eine Grundsatzfrage in der Partei entscheiden, die seit mehreren Jahren schwelt und unbeantwortet geblieben ist. Wir haben nun den ersten Präsenz-Parteitag seit langer Zeit. Und Satzungsänderungen müssen wir auf Präsenz-Parteitagen entscheiden. Allein deswegen hat es jetzt lange, ich meine zu lange gedauert. Also ist jetzt eine Entscheidung zu treffen, und diese Entscheidung wird die Mehrheitsmeinung der Delegierten widerspiegeln. Ich nehme aus der gesamten Partei viel guten Willen für zwei Dinge wahr: Erstens, dieses Thema jetzt zu entscheiden. Zweitens, es realistisch einzuschätzen: Die Quote ist ein parteipolitisches, internes Thema der CDU, das sie lösen muss. Aber das ist mit Sicherheit nicht das Thema, das die Mehrheit der Bevölkerung am meisten interessiert.
Rundblick: Nach derzeitigem Stand der Umfragen bestünde eine Chance für die niedersächsische CDU, nach der Landtagswahl in die Regierungsverantwortung zu kommen, vor allem in einem schwarz-grünen Bündnis. Solche Bündnisse gibt es schon in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Halten Sie ein solches Bündnis in Niedersachsen auch für angebracht?
Merz: Ich sehe es als meinen Auftrag, die CDU überall so stark wie möglich zu machen. Wir kämpfen gemeinsam dafür, dass Bernd Althusmann Ministerpräsident wird – und für eine möglichst große CDU-Fraktion im Landtag, die allein mit ihrem Stimmengewicht deutlich macht, dass sie Regierungsverantwortung übernimmt und die Landesregierung führt. Dazu brauchen wir dann vermutlich einen oder vielleicht auch zwei Partner. Das wird aber nach der Wahl entschieden und bis dahin kämpft jeder für sich allein.

Rundblick: Niedersachsens sozialdemokratischer Ministerpräsident Stephan Weil führt seinen Wahlkampf teilweise mit einer Distanzierung zu der Bundesregierung, die von der eigenen Partei angeführt wird. Wie nehmen Sie auf Bundesebene die Rolle und den Einfluss von Stephan Weil wahr?
Merz: Niedersachsen ist nicht nur ein besonders schönes Land, es ist auch ein politisch besonders wichtiges Land. Die Bedeutung der niedersächsischen SPD in Berlin darf weder in der Vergangenheit noch aktuell unterschätzt werden. Denken Sie nur an Gerhard Schröder, Sigmar Gabriel, Hubertus Heil oder den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil. Stephan Weil ist ein wichtiger Teil dieser Runde – seit vielen Jahren. Hinzu kommt, dass er nun auch seit mehr als zehn Jahren SPD-Landesvorsitzender ist. Sie können sich vorstellen, dass es da kurze Wege gibt, die Abstimmung eng und der Einfluss groß ist auf die Vorhaben der Scholz-Regierung. Klar ist doch, Herr Weil wird zu allen wichtigen Entscheidungen des Willy-Brandt-Hauses und der Regierungszentrale befragt, seine Mitverantwortung für die aktuelle Krise ist also nicht gering. Herr Weil mag das verneinen, aber das nimmt ihm niemand ab. Olaf Scholz kennt die Bedeutung dieser Wahl. Deshalb hat er auch große Angst vor ihrem Ausgang. Denn schon die schlechten Ergebnisse der SPD in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein waren eine klare Antwort der Wähler auf das Regierungschaos rund um Olaf Scholz. Sollte die SPD Niedersachsen verlieren, würde das den Druck auf die Ampel-Regierung massiv erhöhen. Und ohne Druck ist Olaf Scholz offenbar nicht bereit, seinen politischen Kurs zu ändern. Wer das will, der muss die CDU mit maximaler Kraft unterstützen und ihr beide Stimmen geben.
Rundblick: Welche Bedeutung hat die niedersächsische Landtagswahl für die CDU in ihrer strategischen Ausrichtung? Planen Sie nach der Niederlage der Union bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr einen „Neuaufbau über die Bundesländer“? Nimmt das Gewicht der Länder-Vertreter in der Bundespartei zu?
Merz: Ich freue mich über jeden, der in der CDU Erfolg hat. In Schleswig-Holstein und NRW ist die CDU wieder zurück auf Platz eins. Nur wenn wir in den Ländern Wahlen gewinnen, gelingt uns das auch wieder in ganz Deutschland. Wir alle bemühen uns deshalb gemeinsam, die CDU inhaltlich-strategisch wieder so zu positionieren, dass sie in Deutschland strukturell mehrheitsfähig ist. In einer Grundsatz- und Programmkommission arbeitet die Partei an den Themen, auch in Abstimmung mit der CSU. Gemeinsam mit der CSU haben wir einen erweiterten Sicherheitsbegriff definiert und Schlussfolgerungen gezogen, wie umfassende Sicherheit für die Bevölkerung aussehen kann. Wir wollen damit auch zu den Kernkompetenzen der Union zurück: innere Sicherheit, wirtschafts- und finanzpolitische Solidität, Außen- und Sicherheitspolitik. Diese Bereiche waren immer entscheidend für das Profil der Union. Ohne Zweifel kommen heute andere Themen hinzu, vor allem die Fragen des Klimawandels, die wir mit marktwirtschaftlichen Instrumenten beantworten wollen. Und natürlich müssen wir auch auf gesellschaftliche Änderungen reagieren und neue Antworten geben.
