Darum geht es: Der Landesrechnungshof hat die Schließung kleiner Grundschulen vorgeschlagen. Ein Aufschrei der Empörung war die Folge. Dazu ein Kommentar von Klaus Wallbaum:
Die passenden Sprüche kamen auch gestern wieder, als der „Kommunalbericht“ des Rechnungshofes im Landtags-Innenausschuss vorgestellt wurde. „Erst stirbt die Schule, dann das Dorf“, sagte ein SPD-Abgeordneter, die Kollegen von der CDU nickten. Ein Kommunalvertreter mahnte, die Politiker müssten „die emotionale Lage mitbedenken“, ein anderer meinte: „Wirtschaftlichkeit ist nicht alles.“ Sie alle waren der Meinung, dass man über die Schließung kleiner Grundschulen nicht diskutieren sollte.
Die Politik zeigt in dieser Diskussion ein gehöriges Maß an Feigheit. Richtig, Wirtschaftlichkeit ist nicht alles. Aber wer, wenn nicht der Rechnungshof, sollte die gewählten Volksvertreter an ihre Verpflichtung erinnern, bei ihren Beschlüssen an die geordneten Finanzen und an Effektivität zu denken? Der Rechnungshof ist dazu verpflichtet, weil es sonst niemand tut. Vielleicht tritt noch der Bund der Steuerzahler in Erscheinung, aber ansonsten ist es ruhig geworden auf der Seite der Mahner und Kritiker. Früher hatte das Argument der konsolidierten Haushalte mehr Gewicht. Liegt es an den traumhaften Steuereinnahmen? Oder am allmählichen Wachstum der irrationalen Positionen in politischen Debatten? Schon der schlichte Hinweis, man müsse über die Schließung kleiner Grundschulen nachdenken, wird mancherorts aufgefasst wie eine unmoralische, verwerfliche Position. Dabei ist dieses Tabu das eigentliche Problem, denn den Nachteil haben die Kinder.
[caption id="attachment_12437" align="aligncenter" width="780"] Debatte um kleine Grundschulen: "Die Politik zeigt ein gehöriges Maß an Feigheit."[/caption]
Wenn es niemand mehr wagt, kleine Grundschulstandorte in Frage zu stellen, werden diese zementiert. Das heißt: Um jeden Preis bleibt eine Schule erhalten, damit die Kinder auf jeden Fall morgens und nachmittags nur kurze Wege zurücklegen müssen. Aber was heißt das für die Anzahl und Qualifikation der Lehrer, die dort unterrichten – und für die Frage, ob jede Klasse noch einen eigenen Unterricht bekommt? Viele kleine Grundschulen können nicht den Standard bieten, der gerade bis Klasse fünf besser werden muss, weil die Kinder dort noch besonders aufnahmefähig sind. Was ist mit der Vermittlung von Englischkenntnissen und mit außerschulischen Angeboten? Leider bringen diejenigen, die für den Erhalt kleiner Grundschulen kämpfen, oft nicht die gleiche Energie auf für den Streit um eine pädagogisch angemessene Arbeit in diesen Schulen.
Es erscheint sinnvoll, dass man nicht verbissen an jedem Grundschulstandort festhält – sondern sich lieber Gedanken über eine bessere Schülerbeförderung macht oder auch darüber, den Unterricht für die Kinder, die einen weiten Anfahrtsweg haben, später beginnen und früher enden zu lassen. Der Rechnungshof hat versucht, diese Diskussion anzustoßen. Die Politiker im Landtag haben den Ball gestern nicht aufgenommen, in vielen Kommunen ist die Abwehrhaltung auch groß. Dabei ist der Hinweis der Rechnungsprüfer richtig, angemessen und vernünftig – und solche Positionen werden sich auf lange Sicht auf jeden Fall durchsetzen. Je früher es intelligente Lösungen gibt, desto besser ist das für die Betroffenen.
Mail an den Autor dieses KommentarsDieser Artikel erschien in Ausgabe #176.