21. Nov. 2022 · Inneres

Mehr als 20 Turnhallen in Niedersachsen dienen für die Unterbringung von Ukraine-Flüchtlingen

Der Landkreis Harburg hat die Sporthalle der BBS Winsen zur Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert. | Foto: Landkreis Harburg

Der Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), Prof. Hubert Meyer, bezeichnet die aktuelle Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber in Niedersachsen als „dramatisch“. Eine Umfrage seines Verbandes hat ergeben, dass in mindestens 13 der 37 niedersächsischen Kreise bereits Turnhallen für die Einquartierung der Menschen aus der Ukraine angemietet werden mussten. „Die Situation droht uns über den Kopf zu wachsen“, sagte Meyer. Insgesamt rechnet der Verband mit bisher 23 Turnhallen, hinzu etlichen Hotels, Wohnheimen oder Stadthallen, die für die Unterbringung reserviert wurden. Die Schwierigkeiten seien flächendeckend vorhanden, besonders schlimm sei es im Kreis Harburg im Umland von Hamburg. Die Probleme erinnerten ihn sehr stark an die Hochphase der Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016. „Wir sind wieder in einer ähnlichen Lage“, betont Prof. Meyer. Er schätzt die Zahl der Ukrainer in Niedersachsen gegenwärtig auf 110.000 Menschen, hinzu kämen mindestens 30.000 Asylbewerber aus anderen Ländern – vor allem Syrien, Afghanistan und Irak. Sollte sich die russische Strategie, die Infrastruktur in der Ukraine zu zerstören, weiter fortsetzen, dann sei von wachsenden Vertriebenen-Zahlen auszugehen.

Während die Menschen aus Syrien, Afghanistan und Irak als Asylbewerber nach Deutschland kommen, haben die Menschen aus der Ukraine einen Vertriebenen-Status. Ihre Leistungsansprüche sind höher und mit denen vergleichbar, die Hartz IV erhalten. Allerdings klagen die Kommunen über ausufernde Kosten, weil der Logik des Sozialgesetzbuches die Menschen, die Sozialleistungen erhalten, meistens schon über eine Wohnung verfügen. Das sei aber gegenwärtig oft für die Ukrainer nicht möglich, denn der Wohnungsmarkt sei leergefegt. Da die Landkreise und kreisfreien Städte für die Sozialleistungen zuständig sind, die Gemeinden aber für die Betreuung der Obdachlosigkeit, wird von Fällen berichtet, in denen angeblich Kreise die Lösung der Probleme auf ihre kreisangehörigen Gemeinden übertragen – da deren Aufgabe das Abwenden von Obdachlosigkeit sei. Damit hier kein Gegeneinander zwischen Kreisen und Gemeinden entsteht, schlagen die Kommunalverbände einvernehmlich vor, die vom Land für dieses Jahr noch vorgesehenen 75 Millionen Euro für die Flüchtlingsunterbringung nicht allein den Landkreisen und kreisfreien Städten zu überweisen, sondern die Kooperation der Kreise mit ihren kreisangehörigen Gemeinden ausdrücklich vorzusehen.

Innenminister Boris Pistorius hatte vergangene Woche erst versprochen, auch die Landesunterkünfte für Flüchtlinge und Asylbewerber auszuweiten und weitere Plätze zur Verfügung zu stellen. Die Idee dahinter ist, dass die Menschen zunächst für einige Zeit in den Landesunterkünften bleiben könnten, bis sich die Lage in den Kommunen wieder entspannt hat und dort neue Plätze frei werden. Nach den Worten von Meyer ist der Vorrang der „dezentralen Unterbringung“ in Wohnungen, die eine Integration erleichtern soll, in den Kreisen wegen der angespannten Wohnungsnot kaum noch zu leisten. Zentrale kommunale Auffanglager etwa in Turnhallen hätten aber den Nachteil, dass dort Verpflegung, Sicherheitsdienst und Ordnungsdienst organisiert und bezahlt werden müssten, die Finanzlast der Kommunen also stark steige. Der Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages, Jan Arning, nannte die Flüchtlingspauschale von jährlich 11.500 Euro je Fall für „völlig unzureichend, vor allem in den Großstädten wie etwa Braunschweig“.

Landkreistag kritisiert Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Der NLT-Hauptgeschäftsführer Meyer nennt Vorgänge im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) „skandalös“. Dort dauere es teilweise Monate, bis die Asylbewerber, die nach Deutschland kommen, ordentlich registriert sind. „Dann heißt es zur Begründung, es mangele an Dolmetschern, die etwa die türkische Sprache verstehen. Das kann ich nicht nachvollziehen“, sagt Prof. Meyer dem Politikjournal Rundblick.

Dieser Artikel erschien am 22.11.2022 in Ausgabe #207.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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