21. Sept. 2025 · 
HintergrundMedien

Medienkonzentration in Niedersachsen: Wie Madsack, NOZ und Funke dominieren

Die Pressevielfalt in Niedersachsen schwindet: Mit Madsack, NOZ und Funke bestimmen drei Konzerne den Zeitungsmarkt. Das wird Folgen für den unabhängigen Journalismus haben.

2013 war ein Jahr, das die Zeitungslandschaft in Niedersachsen grundlegend verändert hat. Drei große Verlage stellten damals die Weichen neu: In Hannover gründete Madsack mit dem Redaktions-Netzwerk Deutschland (RND) eine konzernübergreifende Redaktion für Politik, Wirtschaft und Kultur. In Berlin wandelte sich die WAZ-Gruppe zur Funke-Gruppe und begann den Aufbau einer eigenen Zentralredaktion. Und in Osnabrück bereitete die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) die Gründung von NOZ-Medien vor, um alle Aktivitäten unter einem Dach zu bündeln. Seitdem schreitet die Konzentration im Zeitungsmarkt scheinbar ungebremst voran. Immer mehr Blätter haben ihre Mantelredaktionen aufgegeben, stattdessen liefern wenige zentrale Einheiten den überregionalen Teil. Gleichzeitig wechseln Eigentümer und traditionelle Familienbetriebe gehen in den großen Konzernen auf. Die für 2026 geplante Übernahme der Oldenburger Nordwest-Mediengruppe durch Madsack, am 15. September offiziell mitgeteilt, markiert nun einen neuen Höhepunkt dieser Entwicklung.

Wie steht es nun um die Pressefreiheit, unter der auch die Vielfalt an verschiedenen Medien im Berichtsgebiet gemeint ist? Im Raum Hannover hatte es bis vor wenigen Jahren noch neben der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" die "Neue Presse" gegeben - ein Nachfolgeblatt zu einer SPD-eigenen Zeitung, die nach dem Krieg gegründet worden war. Inzwischen sind die Redaktionen von HAZ und NP weitgehend vereint. Und mit dem Fortschreiten der Vereinheitlichung überregionaler Berichte - vor allem produziert vom RND - soll zwar die Sicherung der Lokalberichterstattung in vielen Orten einhergehen. Das Ziel scheint durchaus erreichbar. Aber der Preis ist dann eine Angleichung nicht nur von Bundes- und Weltpolitik, sondern auch der regionalen Politik, also der Landespolitik in Niedersachsen. Immer mehr Verlage, die sich bisher noch einen Hannover-Korrespondenten leisteten, haben hier abgebaut - vor Jahren sehr auffällig der Weser-Kurier, dessen Mitarbeiter auch die Lüneburger Landeszeitung und die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine belieferte. Der Konzentrationsprozess der Verlage bringt nun die Gefahr mit sich, dass die Vielfalt an medialer Widerspiegelung der politischen Vorgänge geringer wird. Es dürfte zunehmend von der ureigenen Entscheidung in den Redaktionen der HAZ in Hannover, der NOZ in Osnabrück oder der Braunschweiger Zeitung in Braunschweig abhängen, welche Vorgänge zum größeren Thema werden und welche unter den Tisch fallen. Sie haben dann vor allem die Macht, den Wert einer Nachricht zu bestimmen.

„Wirtschaftliche Bündelungen können angesichts eines immer umkämpfteren Marktes durchaus helfen, journalistische Qualität und digitale Zukunftsfähigkeit zu sichern", kommentiert Regierungssprecher Christian Budde auf Anfrage zu den jüngsten Erweiterungsplänen von Madsack. Dann fügt er aber warnend hinzu: "Publizistisch dürfen sie aber nicht zu Einförmigkeit führen.“ Verdi-Sprecher Peter Freitag sagt: „Klar ist: Die Übernahme der Zeitungen durch Madsack wird weniger Pressevielfalt im Westen Niedersachsens bedeuten. Unsere bitteren Erfahrungen zeigen, dass nach solchen Bündelungen in Zeitungskonzernen nicht vehement in Qualität der lokalen und regionalen journalistischen Angebote investiert wird.“ Die DJV-Landesgeschäftsführerin Christiane Eickmann bezeichnet die wachsende Größe von Madsack als „Gift für die Meinungsvielfalt“. Und auch der AfD-Landtagsabgeordnete Jens Brockmann findet klare Worte: „Wenn ein einzelner Konzern immer größere Teile der regionalen Presse unter seine Kontrolle bringt, sind Meinungsvielfalt, journalistische Perspektiven und redaktionelle Unabhängigkeit massiv bedroht.“ Besonders kritisch sieht er dabei vor allem, dass der Madsack-Konzern zu einem Viertel der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft und damit der SPD gehört.

Grafik: Madsack Mediengruppe

Die angekündigte Übernahme der Nordwest-Mediengruppe fügt sich nahtlos in die Madsack-Strategie ein. „Es gibt mehr als 300 Tageszeitungen in Deutschland. Das ist in dieser Phase, in der sich der Journalismus befindet, kaum zu halten. Entweder man wird konsolidiert oder man ist konsolidiert", sagte Konzernchef Thomas Düffert im April 2023 über die deutsche Presselandschaft (der Rundblick berichtete). Madsack versteht sich dabei als Schrittmacher. Von den mehr als 50 Tageszeitungen in Niedersachsen erscheinen inzwischen zehn Titel zwischen Nienburg und Eichsfeld im eigenen Konzern. Hinzu kommen weitere Lokalzeitungen, die ihre Mantelredaktionen aufgegeben haben und überregionale Inhalte (und womöglich früher oder später auch regionale?) aus dem RND in Hannover beziehen. Dazu zählen etwa die Deister- und Weserzeitung (Dewezet) aus Hameln oder die Cellesche Zeitung, an denen Madsack auch beteiligt ist. Aber auch unabhängige Häuser wie die Landeszeitung für die Lüneburger Heide, die Hildesheimer Allgemeine Zeitung oder die Neue Deister-Zeitung in Springe greifen auf RND-Inhalte zurück. Gleichzeitig wächst das Geschäft über Niedersachsen hinaus: Von der Ostsee-Zeitung in Rostock bis zur Leipziger Volkszeitung und zur Sächsischen Zeitung reicht die Madsack-Welt inzwischen - also weit über das eigene Stammland hinaus und dominiert auch noch in Sachsen. Immerhin ist in Ostdeutschland noch eine Gegenbewegung erkennbar, die vom Verleger der Berliner Zeitung ausgeht. Dessen Konzeption indes klingt zunächst sehr danach, einen Billig-Journalismus salonfähig machen zu wollen. Das RND indes zeigt sich resilient gegen solche Angriffe. Es beliefert nach eigenen Angaben bereits mehr als 100 Partner, und der Umsatz der Madsack-Gruppe dürfte 2025 erstmals die Marke von einer Milliarde Euro überschreiten.

Grafik: NOZ mh:n

Das zweite Machtzentrum der niedersächsischen Zeitungswelt befindet sich in Osnabrück. Aus der Neuen Osnabrücker Zeitung ist in den vergangenen Jahren ein Konzern geworden, der das Nachrichtengeschehen in weiten Teilen Nordwestdeutschlands bestimmt. 2015 übernahm die NOZ die Mehrheit am Delmenhorster Kreisblatt, 2016 kam die Fusion mit dem größten Medienhaus Schleswig-Holsteins hinzu. Seitdem werden die überregionalen Seiten zentral in Osnabrück und Hamburg produziert. Von dort aus beliefert die NOZ-Mediengruppe inzwischen nicht nur ihre 32 eigenen Titel, sondern auch externe Partner mit Mantelseiten und Einzelartikeln. In Niedersachsen haben zuletzt die Oldenburgische Volkszeitung und die Ostfriesen-Zeitung ihre Mantelredaktionen aufgegeben und den überregionalen Teil an die NOZ ausgelagert. Mit einem Umsatz im hohen dreistelligen Millionenbereich gehört die NOZ-Mediengruppe heute zu den größten Regionalverlagen Deutschlands.

Grafik: Funke Mediengruppe

Im Braunschweiger Land prägt die Funke-Mediengruppe die regionale Presselandschaft. Kern ist die Braunschweiger Zeitung mit ihren Regionalausgaben in Wolfsburg, Salzgitter, Wolfenbüttel, Gifhorn und Peine, hinzu kommt der Harzkurier in Osterode. Seit 2015 liefert eine zentrale Redaktion in Berlin den überregionalen Teil – Politik, Wirtschaft und Kultur sind seither in allen Ausgaben weitgehend identisch. Funke zählt mit einem Jahresumsatz von rund 1,2 Milliarden Euro zu den größten Medienkonzernen Deutschlands. Zu den bekanntesten Titeln außerhalb Niedersachsens gehören die Westdeutsche Allgemeine Zeitung in Essen, die Berliner Morgenpost oder das Hamburger Abendblatt.

Eine Sonderrolle nimmt in dieser Landschaft der NDR ein. Mit Fernsehen, Radio und Onlineangeboten erreicht er ein Millionenpublikum und ist damit in Niedersachsen die reichweitenstärkste journalistische Stimme. Für die Verlage ist das ein ständiger Reizpunkt: Sie werfen dem gebührenfinanzierten Sender vor, ihre digitalen Bezahlangebote zu untergraben, weil ndr.de viele Inhalte kostenlos anbietet. Medienpolitisch dreht sich die Debatte seit Jahren darum, wie stark der NDR mit Textangeboten im Netz präsent sein darf – und zugleich darum, ob er in den Regionen vor Ort ausreichend vertreten ist. Wenn es um Meinungsvielfalt geht, sind die Blicke auf diesen öffentlich-rechtlichen Sender besonders gerichtet. Umso erstaunlicher ist jüngst der Vorgang rund um die konservative Moderatorin Julia Ruhs, die erst für den BR und den NDR eine TV-Sendung moderieren durfte. Als angeblich eine stattliche Zahl von NDR-Mitarbeitern gegen die Positionen dieser Frau protestierte, löste sich der NDR aus der Mitverantwortung für Ruhs. Manche reden von "Rauswurf". Dies hat bei vielen Kritikern den Eindruck verschärft, beim NDR gebe es eine starke linke Prägung, die sich gegen eine inhaltliche Bandbreite in den medialen Angeboten richtet. Das wenig geschickte Agieren der NDR-Führung verschärft nun auch dort die Debatte über die Meinungsvielfalt - und zwar vor allem um die innerhalb des Senders.

Derweil sind die Folgen der jüngsten Madsack-Entscheidung noch nicht absehbar. Mit der Nordwest-Mediengruppe in Oldenburg soll einer der letzten großen unabhängigen Verlage in Niedersachsen verkauft werden. Zur Gruppe gehören die Nordwest-Zeitung, die Emder Zeitung und der Anzeiger für Harlingerland – Titel, die bislang eigenständig das Geschehen im Nordwesten abbildeten. Jenseits davon gibt es nur noch wenige größere Häuser, die unabhängig geblieben sind. Dazu zählt die Kreiszeitung aus Syke mit ihrem starken Verbreitungsgebiet zwischen Bremen und Nienburg, die "Grafschafter Nachrichten" in Nordhorn oder die "Cuxhavener Nachrichten" an der Elbmündung. Sie alle tragen noch eigenständig zum publizistischen Pluralismus bei, bewegen sich aber in einem Umfeld, in dem der wirtschaftliche Druck zunimmt und die großen Konzerne immer mächtiger werden.

Dieser Artikel erschien am 22.9.2025 in Ausgabe #165.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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