10. Sept. 2020 · Bildung

Medienanstalt-Direktor: „Staatsfunk? Damit kann ich nichts anfangen."

Der neue Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt, Christian Krebs (45), wendet sich gegen Vorwürfe, die Politik übe zu großen Einfluss auf den Rundfunk und das Fernsehen aus. Gleichzeitig wünscht er sich auch von den privaten Rundfunkmedien mehr Bereitschaft zu einer ernsthaften journalistischen Arbeit jenseits des Boulevards. Krebs äußert sich im Interview mit dem Politikjournal Rundblick. [caption id="attachment_53383" align="alignnone" width="780"] "Das Gerede vom angeblichen 'Staatsfunk' stimmt doch nicht", sagt Christian Krebs, neuer Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt - Foto: nkw[/caption] Rundblick: Herr Krebs, haben Sie nicht manchmal Sorge, dass es irgendwann eine Bundes-Medienanstalt geben wird – und dass die vielen kleinen Einheiten zusammengeführt werden zu einer größeren, schlagkräftigeren Einheit? Krebs: Ich wäre dagegen. Die Aufgabe der Landesmedienanstalten ist es, den privaten Rundfunk und das private Fernsehen auf die Einhaltung wichtiger Vorgaben zu kontrollieren. Es darf keine Schleichwerbung geben, es müssen die Vorgaben des Jugendschutzes eingehalten werden – und politische Werbung darf, außerhalb von Wahlkämpfen, nicht gesendet werden – um nur einige zu nennen. Zwischen Werbung und Information muss erkennbar unterschieden werden – und es gibt strenge Regeln für das Sponsoring. Jetzt stellen sie sich vor, eine Bundesmedienanstalt in Berlin soll einen lokalen Radiosender in Baden-Württemberg überprüfen, der angeblich gegen Werbe-Regeln verstoßen hat. Dazu müsste man zunächst den Sender häufiger hören und dann die dortigen Verhältnisse prüfen. Das nimmt Zeit in Anspruch, und es ist über eine regionale Nähe viel besser zu leisten. Außerdem würde ich immer dafür plädieren, dass die Landesmedienanstalten vor Ort auch deshalb erhalten werden müssen, weil sie wichtige Aufgaben bei der Vermittlung von Medienkompetenz erfüllen.
Das moderne Medienverhalten vieler junger Leute ist nicht mehr auf diese Weise linear bestimmt.
Rundblick: Auch wenn die Länder-Hoheit bleibt, so kommt doch auf jeden Fall ein Bedeutungswandel Ihrer Arbeit. Wie würden Sie den beschreiben? Krebs: Man merkt es schon daran, dass wir bald keinen Rundfunk-Staatsvertrag mehr haben, sondern einen Medien-Staatsvertrag. Die Bedeutung des „klassischen“ Rundfunks ist, dass ein Sender etwas ausstrahlt, das der Hörer dann zu einer bestimmten Zeit der Sendung wahrnehmen muss – oder auch abschalten kann. Das nennt man „lineares Angebot“. Das moderne Medienverhalten vieler junger Leute ist nicht mehr auf diese Weise linear bestimmt. Sie schauen sich Videos auf Youtube an und entscheiden selbst, wann sie das tun. Wir haben es mit neuen Formen von rundfunkähnlichen Medien zu tun, darunter auch Plattform-Anbietern oder Anbieter von Benutzeroberflächen. Auch für diese Medien gelten Normen, über deren Einhaltung wir wachen müssen. Auch hier haben wir als Landesmedienanstalt eine Zuständigkeit dann, wenn der Anbieter der Inhalte aus Niedersachsen kommt. Ein anderes Kriterium ist die Frage, welches Publikum mit diesen Angeboten erreicht werden soll. Bei Radio Hannover etwa ist es eindeutig die Hörerschaft im Raum Hannover. https://www.youtube.com/watch?v=pKS2cXAgLm8&t=141s Rundblick: Wird diese Erweiterung der Aufgabenbereiche womöglich dazu führen, dass die Auflagen und Kontrollen großzügiger abgefasst werden? Krebs: Davor möchte ich warnen. Wenn wir das Schutzniveau absenken, leidet darunter letztlich auch der Verbraucherschutz – und für die Transparenz gilt das auch. Natürlich müssen manche Auflagen auch einer veränderten Lage angepasst werden. Früher galt etwa, dass binnen einer Stunde maximal zwölf Minuten lang Werbung gesendet werden darf – also 20 Prozent der Zeit. Heute wird das flexibler gehandhabt, führt aber am Ende dazu, dass der Umfang der Werbung insgesamt auf das gleiche Maximum beschränkt bleibt. Rundblick: Wie stark wird dieser Wandel noch werden? Den Medienanstalten wird von Kritikern vorgehalten, sie seien veraltet, zu teurer und intransparent… Krebs: Manche sagen mir, wir sollten uns auf einen völlig veränderten Medienkonsum einstellen. Dann antworte ich, dass bei unseren älteren Zielgruppen nach wie vor das klassische Fernsehen das Medienverhalten bestimmt. Auch die müssen wir im Blick haben, das kann man dann aber nicht „veraltet“ nennen. Zu teuer sind wir mit 28 Mitarbeitern auch nicht, im Vergleich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den dortigen Kontrollgremien ist das recht schlank. Und für transparent halte ich uns auch. Unsere Versammlung tagt öffentlich und man kann auf unserer Homepage gut nachvollziehen, was wir tun. Die Hälfte unseres Haushalts geht in die Förderung des nicht-kommerziellen Hörfunks, der sogenannten Bürgersender, das sind jährlich mehr als 200.000 Euro für jeden Nichtkommerziellen Radiosender und mehr als 300.000 Euro für Nichtkommerzielle Fernsehsender.
Das Gerede vom angeblichen „Staatsfunk“ stimmt doch nicht – weder mit Bezug auf uns noch auf die öffentlich-rechtlichen Sender.
Rundblick: Fürchten Sie nicht, dass die Kritik, die vielerorts an den Medien geäußert wird, auf Dauer Ihre Arbeit erschwert? Wenn es um den Rundfunk geht, den öffentlich-rechtlichen insbesondere, wird häufig über den „Staatsfunk“ geflucht. Und was die privaten Rundfunk- und Fernsehsender angeht, spielen sie seit Jahren bei der politischen Berichterstattung eine immer schwächere Rolle. Krebs: Das Gerede vom angeblichen „Staatsfunk“ stimmt doch nicht – weder mit Bezug auf uns noch auf die öffentlich-rechtlichen Sender. In den Gremien, die den Rundfunk begleiten und beaufsichtigen, sind die gesellschaftlichen Gruppen vertreten, also Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Umweltverbände, Lehrerverbände, Landessportbund oder Verbraucherschützer. Da bleibt die Parteipolitik draußen, und ich kann mich an fast keinen Fall erinnern, bei dem jemand mit einem politischen Anliegen auf die Landesmedienanstalt zugekommen wäre. Ich muss das wissen, schließlich arbeite ich hier schon seit 16 Jahren. Rundblick: Und die politische Abstinenz der privaten Rundfunkanstalten? Krebs: Zunächst einmal darf man aus meiner Sicht keinem privaten Rundfunkveranstalter übel nehmen, dass es sich um Wirtschaftsunternehmen handelt, die auch wirtschaftlich handeln wollen und dürfen. Das sieht das duale System vor und das ist kein Fehler. Aber: Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass der eine oder andere private Anbieter wieder mehr zur ernsthaften journalistischen Vermittlung geprüfter Fakten zurückfindet – und seinen Betrieb etwas weniger auf den Boulevard ausrichtet. Rundblick: Haben Sie sonst noch Wünsche? Krebs: Mir macht das Angebot an bewegten Bilder über lokale Medien Sorge – und die Verfügbarkeit lokaler Informationen an sich. Die gedruckten Zeitungen haben nicht mehr die bisherige Verbreitung, auch deshalb, weil junge Leute sie nicht mehr haben wollen. Wir sollten überlegen, ob – ähnlich wie im Berliner Modell – der Aufbau lokaler Fernsehangebote mit Landesmitteln gefördert werden kann. In einem Flächenland wie Niedersachsen geht das natürlich nur, wenn man in den ländlichen Regionen ansetzt. Gern möchte ich diesen Gedanken mal mit der Politik diskutieren.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #159.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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