#LTW22: AfD – Auf jeden Fall dagegen
Im aktuellen niedersächsischen Landtag ist die AfD zugleich vertreten und nicht vertreten. Bei der Landtagswahl im Herbst 2017 erzielte die selbsternannte Alternative 6,2 Prozent der Wählerstimmen, umgerechnet waren das neun Sitze. Doch das Bündnis hielt nur bis knapp zur Hälfte der Legislaturperiode. Im Herbst 2020 war Schluss, die Fraktion zerbrach in zwei Gruppen, verlor daraufhin zahlreiche Rechte, Finanzmittel und Mitarbeiter. Statt am rechten Rand der parlamentarischen Bestuhlung sitzen die fraktionslosen Abgeordneten nun in der hintersten Reihe, die einen hinten rechts, die anderen hinten links von der Präsidentin aus gesehen.
Für die AfD brach daraufhin eine turbulente Zeit der Selbstfindung an. Am vorläufigen Ende dieser Querelen stand die Wahl eines neuen Parteivorstandes im Mai dieses Jahres und die mühevolle Abstimmung über eine Landesliste für die Landtagswahl. Es glückte und wie es aussieht, ist mit der AfD auch im kommenden Parlament zu rechnen. Umfragen sehen die AfD in Niedersachsen bei sieben bis acht Prozent.
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Im neugewählten Landesvorstand der AfD ist nun ein Posten explizit für die Koordination des Wahlkampfes vorgesehen. Zuständig dafür ist Jens-Christoph Brockmann, selbst Direktkandidat im Wahlkreis Bergen und auf Platz drei der Landesliste. Um ihn herum gibt es ein kleines informelles Team, das ihn bei der Organisation unterstützt, sowie die Wahlkampfkoordinatoren aus den einzelnen Kreisverbänden. Alle arbeiten sie ehrenamtlich und können auch nicht auf viel Backoffice aus der Landesgeschäftsstelle zurückgreifen. Dort gibt es nämlich auch nur zwei Beschäftigte auf anderthalb Stellenanteilen.
Brockmann selbst hat gerade seinen gesamten Jahresurlaub genommen, um sich neben dem Job auch noch um den eigenen und den Wahlkampf der Landespartei konzentrieren zu können. Konzentration ist überhaupt das Schlüsselwort für die Kampagne der AfD. Weil die Mittel knapp sind, hat sich die Partei vorgenommen, ihr Budget sehr fokussiert einzusetzen. Eine demoskopische Umfrage hat ihnen Rückendeckung bei der Themensetzung gegeben. Wobei Brockmann im Rundblick-Gespräch erklärt, man habe die Kampagne ohnehin schon auf die Themen Preissteigerung und Energiesicherheit zugeschnitten.
Auch der Einsatz von Werbeanzeigen in den sozialen Netzwerken oder das Anbringen von Wahlplakaten wird stark an Zahlen ausgerichtet, sagt Brockmann. Man habe eben nicht so viel Geld wie beispielsweise SPD und CDU, „um alles zuzupflastern“. Wenn man also nicht überall Wahlplakate der AfD sieht, dann liege das an dieser Schwerpunktsetzung oder daran, dass die Plakate rasch wieder zerstört wurden, meint Brockmann. An zu wenigen engagierten Mitgliedern könne es hingegen nicht liegen, erklärt er auf Nachfrage. Denn die AfD setzt bei ihrer Mitgliedermobilisierung auch auf Landesverbände jenseits der niedersächsischen Grenze. Im Wendland beispielsweise hätten AfD-Mitglieder aus Berlin plakatiert, in Lüneburg Mitglieder aus Mecklenburg-Vorpommern und im Südwesten Niedersachsens kamen AfDler aus NRW zur Unterstützung.
Beim Aufstellen der Großflächenplakate stieß die AfD derweil auf ganz andere Schwierigkeiten. Die Firma, die das Plakatieren für alle Parteien zentral übernimmt, wollte die erste Plakatwelle der AfD nicht anbringen. Man fand die Darstellung diffamierend, erklärt Brockmann und macht sofort deutlich, dass er das nicht nachvollziehen kann. Zu sehen gibt es die Plakate nun dennoch im Straßenbild, und zwar auf jenen Flächen, die die AfD selbst bestückt, wo die Banner an Bauzäunen und ähnlichem angebracht werden. Die Motive richten sich gezielt gegen die politischen Mitbewerber, wie ohnehin viele Elemente der AfD-Kampagne, die Abgrenzung vom Bestehenden ist ihr Wesenskern. Zu sehen sind auf den umstrittenen Großflächenplakaten Politiker von SPD, CDU oder Grünen, dazu die Zuschreibung „Die Unsozialen“, „Die Abschaffer“ und „Die Umfaller“.
Für die Gestaltung der AfD-Plakate ist nach Auskunft von Brockmann die Agentur „republic relations“ verantwortlich, quasi die „Haus-Agentur“ der AfD, die bereits mehrere Kampagnen der Anti-Parteien-Partei designt hat. Aktuell kommt es im Straßenbild kurioserweise zu einem Mischmasch aus verschiedenen Plakatdesigns. Die diesjährige Kampagne erkennt man eigentlich an dem angeschrägten Balken im Hintergrund, der mal rot oder schwarz, mal gelb oder grün und mal vielfarbig daherkommt.
Zu lesen sind dann Sprüche wie: „Enttäuscht von der Politik?“ oder „Nach dem Tanken direkt zur Tafel?“ oder auch „Nur noch sagen, was Anne will?“ und immer wieder der Claim: „Es gibt eine Alternative“. Man findet aber auch zeitlose AfD-Slogans wie „AfD ist ok“, „Geh wählen“ oder „Illegale Zuwanderung stoppen. Hol Dir Dein Land zurück“. Hatte man die wohl noch über von früheren Wahlen?
Neu ist hingegen ein „alternatives Wahlprogramm“ im Stil eines Comics. Gezeigt wird die fiktive niedersächsische Familie Meier, Mann und Frau, drei Kinder, ein Hund, ein Teddy und ein Haus mit Garage im Grünen. Und Familie Meier macht sich allerlei Sorgen – um Finanzen und Rente, Energie, Migration und vieles mehr. Entworfen und gestaltet hat das kleine Heftchen nach Angaben von Brockmann die Medienagentur „Tannwald“. Ebenjene Agentur, die nach Recherche der Online-Nachrichtenplattform t-online.de im vergangenen Jahr während des Bundestagswahlkampfs die gegen die Grünen gerichtete „#GrünerMist“-Plakatkampagne gestaltet haben soll.
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