Die europarechtskonforme Sicherung der Natura-2000-Gebiete konnte in Niedersachsen beinahe komplett abgeschlossen werden. In einem einzigen Schutzgebiet steht dieser Schritt allerdings nach Informationen des Politikjournals Rundblick noch aus. Das „Fehntjer Tief“ in Ostfriesland ist zwar seit Mai als Naturschutzgebiet deklariert, die notwendigen Schutzbestimmungen wurden bislang allerdings nur vom Kreistag in Aurich beschlossen. Der ebenfalls zuständige Kreistag in Leer hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause jedoch für eine Verzögerung gesorgt. Eine in der Sitzung vorgenommene Änderung hätte eine erneute Beteiligungsrunde zur Folge gehabt.

Ein Netz von Schutzgebieten soll den Artenschutz in ganz Europa verbessern – Foto: nkw

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) hatte solchen zeitlich ausufernden Verfahrensschritten allerdings vorab eine Absage erteilt. Wie das Ministerium auf Rundblick-Anfrage mitteilte, wird der Umweltminister den zuständigen Landrat Matthias Groote (SPD) anweisen, die Sicherung nun auf dem Stand der Kreistagsdrucksache vorzunehmen. Angekündigt hatte Lies ein solches rigoroses Vorgehen bereits zu Beginn des Jahres.

Druck auf die Landkreise

Mitte Februar hatte das Politikjournal Rundblick darüber berichtet, dass der Umweltminister den Landkreisen die Daumenschrauben anziehen wollte. Wenige Tage später zeigte sich auch erneut der Grund für diese Dringlichkeit: Die Europäische Kommission hatte am 18. Februar angekündigt, die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen. Grund dafür war die bislang noch immer unzureichende Umsetzung der EU-Richtlinie zu Flora-Fauna-Habitat (FFH-Richtlinie). Bei einer Verurteilung müsste die Bundesrepublik ein pauschales Strafgeld von schlimmstenfalls 96.000 Euro und ein tägliches Zwangsgeld von maximal 863.000 Euro zahlen, wobei die Bundesregierung die Kosten an die säumigen Länder weiterreichen könnte.


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Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung beim EuGH waren in Niedersachsen 33 von 385 FFH-Gebieten und 26 von 77 Vogelschutzgebieten nach Ansicht der EU nicht ausreichend gesichert. Vorangegangen war bereits ein langjähriger Streit zwischen deutschen und Brüsseler Behörden über die genaue Auslegung der Richtlinie. Die Bundesrepublik vertritt den Standpunkt, dass die Ausweisung und die Sicherung der Schutzgebiete als zwei separate Schritte zu betrachten sind und die vermeintliche Verzögerung hierzulande nicht zu beanstanden sei. Die EU-Kommission ist jedoch der Ansicht, dass erst mit der konkreten Ausformulierung von Schutzzielen und auch damit verbundenen Maßnahmen der Habitat-Richtlinie Genüge getan wird.

In Niedersachsen gestaltete sich die Umsetzung dieser Vorgaben aufgrund einer verwaltungstechnischen Besonderheit schwieriger als anderswo. Mit der Auflösung Bezirksregierungen ging die Zuständigkeit für die Naturschutzgebiete an die Landkreise über und wurde damit von einer reinen Verwaltungsangelegenheit zu einem Politikum. Widerstreitende Interessen in den Kreistagen sorgten ebenso zu Verzögerungen wie der Umstand, dass sich Schutzgebiete über mehrere Landkreisgrenzen hinweg erstrecken können – wie im Fall des „Fehntjer Tiefs“ in Ostfriesland.

Klare Ansage: Entscheidung bis zur Sommerpause

In den zurückliegenden Monaten seit Februar hat Umweltminister Lies die säumigen Landkreise nun an die kurze Leine genommen. Jene Kommunen, die mit der europarechtskonformen Sicherung der Schutzgebiete noch in Verzug waren, mussten vierzehntäglich über den Fortgang der Beratungen berichten. Anfang Juni waren dann noch 16 FFH-Gebiete unzureichend gesichert, insgesamt 19 Verfahren liefen noch bei zehn Kommunen. Die engmaschige Führung hat offenbar Erfolg gezeigt. Der Minister hat den Verwaltungen zudem die Vorgabe gemacht, die politischen Entscheidungen bis zur Sommerpause abzuschließen, damit es aufgrund der im September bevorstehenden Kommunalwahlen nicht erneut zu erheblichen Verzögerungen kommt. Lies hatte auch darauf hingewiesen, dass notfalls Sondersitzungen der politischen Gremien während der Sommerferien möglich sein könnten.

Zuletzt wurde vom Ministerium nun darauf geachtet, dass die Schutzgebietssicherungen allesamt auf die Tagesordnung der jeweils letzten Kreistagssitzung gesetzt wurden. Vorab wurde angekündigt: Werden die Verordnungen nicht innerhalb der Sitzung beschlossen oder werden sie derart verändert, dass ein erneutes Beteiligungsverfahren notwendig wird, so wird der Minister den jeweiligen Landrat anweisen, die Verordnung in der jeweils in die Gremiensitzung eingebrachten Fassung anzuordnen.

Wie das Umweltministerium dem Politikjournal Rundblick mitteilte, gibt es neben dem Schutzgebiet „Fehntjer Tief“ im Landkreis Leer auch noch im Osnabrücker Land Unklarheiten bei der Sicherung eines Areal. Hierbei handelt es sich allerdings um rein fachliche und nicht politische Differenzen. Offenbar hat sich aufgrund von Renaturierungsmaßnahmen der Verlauf der Aue verändert, was nun im Sicherungskonzept noch kartografisch nachgebessert werden muss.