19. Feb. 2024 · Wirtschaft

Lies über Jade-Weser-Port: „Wir sind immer noch nicht dort, wo wir hinwollen“

Trotz Rekordinvestitionen des Landes bleibt der große Aufschwung bei den niedersächsischen Seehäfen weiterhin aus. Im vergangenen Jahr fiel der Warenumschlag in Brake, Cuxhaven, Emden, Leer, Nordenham, Oldenburg, Papenburg, Stade und Wilhelmshaven wieder unter das Niveau von 2021 zurück. „Die Umschlagszahlen könnten besser sein. Wir erleben die Auswirkungen der weltweiten wirtschaftlichen Lage“, sagte Wirtschaftsminister Olaf Lies gestern bei der Pressekonferenz der niedersächsischen Seehäfen in Oldenburg.

Stellen die Jahresbilanz der niedersächsischen Seehäfen vor (v. l.): André Heim, Olaf Lies und Holger Banik. | Foto: Link/Screenshot

Der SPD-Politiker warnte davor, dass die Flaute im Seehandel nur der Vorbote für eine größere Krise werden könnte. „Wenn es uns nicht gelingt, die Energiepreise herunterzubringen, werden wir das nicht nur an den Umschlagsmengen der Häfen erleben, sondern auch an den Produktionsmengen in der Wirtschaft“, sagte Lies und betonte: „Das Thema Energiepreis ist zentral, die Netzentgelte müssen runter.“ Außerdem erneuerte er die Forderung nach einem Brückenstrompreis, um energieintensive Unternehmen bereits jetzt zu einer Ansiedlung an den niedersächsischen Hafenstandorten zu motivieren und nicht erst in einigen Jahren, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energie für niedrigere Strompreise sorgt.

Nach dem Spitzenergebnis von 2022 reduzierte sich der Seegüterverkehr in Niedersachsen von 54,5 Millionen auf 50,6 Millionen Tonnen (minus 7 Prozent). Erhebliche Rückgänge beobachtete Seaports-Chef André Heim beim Containerumschlag sowie bei den Importen von Kohle, Erdöl und dem für die Aluminiumherstellung wichtigen Bauxit. Aber auch Getreide, Düngemittel, Holz und Zellstoffe seien weniger umgeschlagen worden. Die Abfertigung von Windenergiekomponenten und Automobilen habe dagegen kräftig zulegt. Mit einem Anstieg von 1,1 auf 1,3 Millionen Fahrzeuge habe Emden seinen Platz als drittgrößter Autoverladehafen der westlichen Welt hinter Antwerpen und Bremerhaven gefestigt. Außerdem stieg der LNG-Import kräftig an: 45 Tankschiffe brachten rund sieben Millionen Tonnen Flüssiggas nach Wilhelmshaven. „Mit dieser Menge kann man rund 3,6 Millionen Haushalte mit Erdgas versorgen“, rechnete Heim vor. Im LNG-Terminal Brunsbüttel wurde dagegen nur etwa ein Drittel dieser Menge ins Netz gespeist.

„Erst muss die Hafenstruktur da sein und dann der Bedarf – das gilt auch für die Schiene.“

Ungeachtet des Umschlagrückgangs will Niedersachsen den Hafenausbau weiter vorantreiben. „Die Delle ist erklärbar und wir haben gute Voraussetzungen dafür, dass wir da wieder rauskommen. Die Perspektive ist viel besser als die Ist-Situation vermuten lässt“, sagte Lies. So verzeichnete der Jade-Weser-Port (JWP) zwar einen erheblichen Rückgang beim Güterverkehr von 683.000 auf 532.000 Standardcontainer (minus 22,2 Prozent). Laut dem Seaports-Geschäftsführer habe das jedoch allein konjunkturelle Gründe. „Der weltweite Containerverkehr schwächelt“, sagte Heim. Große Erwartungen setzt er auf den Einstieg der Reederei Hapag-Lloyd, die seit 2022 rund 30 Prozent der Anteile des Containerterminals hält. „Wir sind immer noch nicht dort, wo wir eigentlich hinwollen“, kommentierte Lies das JWP-Jahresergebnis. Die Entwicklung bewertet er jedoch positiv: „Alles ist auf Wachstum ausgelegt.“ So verwies Lies auf die Erhöhung der acht Containerbrücken um elf Meter, sodass nun auch absolute Ozeanriesen abgefertigt werden können. Zudem seien zwei weitere Brücken im Bau und die Automatisierung der Anlage sei ebenfalls in Planung. Noch mehr Warenumschlag verspricht ferner eine Kooperation zwischen Hapag-Lloyd und dem dänischen Containerlogistiker Maersk, die im Februar 2025 startet.

Quelle: N-Port / Grafik: Link

Als künftige Großprojekte nannte Lies den zusätzlichen LNG-Anleger für Wilhelmshaven, den neuen Großschiffliegeplatz in Emden, die Fahrrinnenanpassung von Unterweser und Außenems oder den Ausbau des Offshore-Zentrums Cuxhaven. 2024 wird N-Ports rund 92 Millionen Euro in die niedersächsische Hafeninfrastruktur investieren, womit man zwar unter den Rekordsummen der beiden Vorjahre bleibt. Dafür gibt der Hafenbetreiber mit 53,4 Millionen Euro so viel wie nie für die Instandhaltung aus. Der Wirtschaftsminister kündigte für den Hafenausbau in Niedersachsen folgende Strategie an: „Erst muss die Hafenstruktur da sein und dann der Bedarf – das gilt auch für die Schiene.“ Allerdings könne Niedersachsen die insgesamt nötigen Investitionen nicht alleine stemmen. „Wir brauchen jetzt ein klares Signal. In Deutschland muss erkannt werden, dass die Verantwortung, die Niedersachsen und die anderen Küstenländer übernehmen, gemeinsam geschultert werden muss“, sagte der Wirtschaftsminister. Ein entsprechender Beschluss sei auf der Nationalen Maritimen Konferenz im Herbst 2023 leider versäumt worden. Lies: „Meine Sorge ist, dass der Bund sich auf die Position zurückzieht und sagt: Am Ende ist es Ländersache.“

Dieser Artikel erschien am 20.2.2024 in Ausgabe #032.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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