Für die zweite Jahreshälfte plant die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für die Legalisierung von Cannabis. Doch der Plan trifft in Niedersachsen auf geteilte Reaktionen. Ulrich Löhr, Vizepräsident des Landvolkes Niedersachsen, führte im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick ein Argument gegen den Hanfanbau an.

„Bei einigen ist das Motto: Wenn schon ein Rausch, dann zumindest ein regionaler. Aber für den bloßen Lustrausch will ich keine Fläche, auf der ich landwirtschaftliche Lebensmittel anbauen könnte, für Hanf opfern. Nicht in der heutigen Zeit.“ Russland und die Ukraine zählen zu den weltweit größten Exporteuren für Weizen, Gerste und Mais. Seit Beginn des Ukraine-Krieges steigen die Lebensmittelpreise kontinuierlich an, eine drohende Hungersnot zeichnet sich ab. Betroffen sind vor allem ärmere Länder.
Bereits heute dürfen Landwirte in Deutschland sogenannte Nutzhanf-Sorten anbauen, die einen THC-Gehalt von unter 0,2 Prozent haben. Der Anbau gilt jedoch nur für Vollerwerbslandwirte. Weinanbauern, aber auch Privatpersonen ist der Anbau untersagt. In Deutschland wurde 2021 auf 6444 Hektar Nutzhanf angebaut, davon am meisten in Niedersachsen. 173 Anbauer bauten auf insgesamt 1555 Hektar Nutzhanf an, heißt es dazu bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Die Tendenz ist steigend.
„Gerade die Fasernutzung ist ein alter Hut. Schon als ich noch im Studium war, in den 90er Jahren, gab es Versuche die Hanffasern zu verwerten“, erinnert sich Löhr. Doch bisher sei es bei einer Randerscheinung geblieben. Für die meisten Landwirte lohnt sich der Nutzhanfanbau zumindest als einziges Standbein bisher noch nicht, so ist es auch bei Jens Golland und seinem Teams aus Cremlingen (Kreis Wolfenbüttel). Mit dem Gesetz der Bundesregierung könnte sich das ändern, so die Hoffnung des Gründers. Seit ein paar Jahren baut er auf einer Fläche von 0,3 Hektar Nutzhanf an – alles Bio. Im März vergangenen Jahres gründete er dann „Eumedix UG“.

Im Frühjahr wird der ganze Acker durchgepflügt, Champost wird als Dünger verwendet. Gedrillt wird dann Anfang Mai, wenn die Tage länger und wärmer werden. Die ersten Wochen sind entscheidend. Kommen nochmal Frost oder zu wenig Regen, schadet das der späteren Ernte. Ist die robuste Pflanze erst einmal ein paar Zentimeter hoch, laufe alles wie von selbst. Auch Schädlinge seien kaum ein Problem. „Die geht dann ab wie ein Turnschuh. Nach zwei Monaten muss man das Zeug ernten, weil es blüht.“ Knapp zehn Tage brauchen Holland und sein Mitgründer für diese Arbeit.
"Die geht dann ab wie ein Turnschuh. Nach zwei Monaten muss man das Zeug ernten."
Jens Golland
Nahezu die gesamte Pflanze kann verwertet werden. Aus den Blättern wird Tee hergestellt, die Fasern eignen sich unter anderem für die Produktion von Kleidung. Ein weiteres Stichwort ist energetisches Bauen. So kann man aus den Stängeln Hanfsteine herstellen, die für die Innendämmung von Gebäuden eingesetzt werden können. Golland startet in diesem Jahr einen Versuch mit einem benachbarten Betrieb mit Zuchtsauen, wo die Stiele zur Beschäftigung für die Tiere genutzt werden. „Wenn die Mädels nichts zu knabbern haben und sich langweilen, beißen die sich noch gegenseitig die Schwänze ab“, sagt Golland.

Aus dem Öl in den Blütenkelchen stellen die Gründer CBD-Hanföl her. Die Herausforderung: Der THC-Gehalt darf aktuell nicht über 0,2 Prozent sein. Damit der Wert nicht überschritten und überprüft wird, dass keine Giftstoffe im Öl sind, wird eine Probe in einem Labor im europäischen Ausland getestet. Noch gelten in Deutschland viele Auflagen, die eine Untersuchung hierzulande verhindern würden, so Golland. Auch das könnte sich nach einem entsprechenden Gesetz der Bundesregierung ändern. Ist erst einmal der THC-Gehalt bekannt, kann Golland das Öl mit verschiedenen anderen Ölen mischen und anschließend über seinen Online-Shop „Oma Mariannes Hanfshop“ verkaufen, der nach der Mutter seines Mitgründers benannt ist. Das Öl kann beim Einschlafen helfen, Schmerzen lindern und auch appetitanregend wirken.
Gegen medizinisches Hanf hat der Landvolk-Vizepräsident eigentlich nichts einzuwenden, trotzdem rechnet Löhr nicht damit, dass nach einer Legalisierung von Marihuana plötzlich der Großteil der Landwirte umsatteln wollen wird. Zumal der Anbau auch immer eine Frage des Aufwandes und Preises bleibe. „Ich sage immer: Das muss Spaß machen. Und das ist nun einmal auch der Fall, wenn am Ende der Produktion mehr Geld in meinem Portmonee ist, als vorher“, so Löhr. Für die beiden Cremlinger Gründer steht hingegen fest: Sobald die Bundesregierung das Go gibt, möchten sie richtig in den THC-Markt einsteigen und Hanf im großen Stil anbauen. Dann aber vermutlich nicht mehr draußen unter freiem Himmel. Denn Indoor könne man die medizinische Qualität besser sicherstellen. „Aber die Politik muss Gas geben. Auch beim Thema Entkriminalisierung.“