12. Feb. 2024 · 
Landwirtschaft

Landvolk-Präsident Hennies im Interview: „Wir wollen die Interessen bündeln"

Holger Hennies steht an der Spitze des niedersächsischen Bauernverbands Landvolk, der in den vergangenen Wochen vehement gegen die Kürzungspläne der Bundesregierung demonstriert hat. Andere Bauern-Protestgruppen entziehen dem Landvolk jedoch das Vertrauen. Im Austausch mit Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter hat Hennies zu den Vorwürfen Stellung bezogen.

Holger Hennies | Foto: Landvolk Niedersachsen

Rundblick: Seit Dezember demonstrieren die Landwirte gegen die Kürzungspläne der Bundesregierung etwa bei der Agrardiesel-Steuerrückerstattung. Hat der Protest sein Ziel zumindest im Ansatz erreichen können?

Hennies: Wir haben viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, und die Bevölkerung hat uns den Rücken gestärkt. Die geplante Streichung auch der Kraftfahrzeug-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge hat die Regierung fallen lassen; das ist ein Erfolg. Die Agrardiesel-Begünstigung soll schrittweise entfallen. Dazu sagen wir, dass die steuerliche Rückvergütung von 21,48 Cent je Liter bleiben muss, damit wir im europäischen Wettbewerb konkurrenzfähig bleiben und nicht den teuersten Agrardiesel in der gesamten EU bekommen. Wir haben dabei viel Unterstützung aus mehreren Bundesländern.

Rundblick: Das Landvolk hat sich frühzeitig an die Spitze dieser Bewegung gestellt und massive Demonstrationen organisiert. Sind Sie stolz auf diesen Erfolg?

Hennies: Wir haben über die Kreisverbände viele Kundgebungen im ganzen Land, und unter anderem in Bremen und in Hannover organisiert. Dort war die Beteiligung der Landwirte überragend. Allein am 8. Januar waren in Niedersachsen 27.000 Menschen unterwegs. Ebenso erfolgreich waren die Zusammenkünfte vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Wir können als Verband damit sehr zufrieden sein. Wir haben Geschlossenheit und Stärke gezeigt. Es gibt weiterhin auf Ebene der Kreisverbände verschiedene Aktionen, mit denen die Landwirte sichtbar bleiben und ihre Anliegen gehört werden.

Rundblick: Die Veranstalter der Demonstration von „Land schafft Verbindung“ und „Freie Bauern“ am Mittwoch vorm Landtag haben jetzt behauptet, das Landvolk schmücke sich mit fremden Federn – ohne diese Aktionsbündnisse wären nur zehn Prozent der Teilnehmer bei den Demos gewesen. Was sagen Sie dazu?

Hennies: Das teile ich nicht. Wir haben alles dafür getan, die Interessen der Landwirte zu bündeln und die Politik zum Handeln zu bringen, und mehr noch: Die Kürzungspläne der Bundesregierung betreffen auch den vor- und nachgelagerten Bereich sowie Logistik und Transport. Nicht umsonst haben sich diese Verbände uns Landwirten angeschlossen.

Die ausufernde Bürokratie ist eines der Themen, das die Landwirte auf die Straße gebracht hat. | Foto: Landvolk

Rundblick: Den Bauernverbänden wird auch eine zu große Nähe zur Politik vorgeworfen. Können Sie diese Kritik nachvollziehen? Überdenken Sie deshalb Ihre Rolle?

Hennies: Dafür gibt es keinen Anlass. Ergebnisse werden beim gemeinsamen Gespräch am Tisch erzielt. Das beste Beispiel dafür ist der „niedersächsische Weg“, in dem wir gemeinsam mit der Landesregierung und Verbänden sinnvolle Verabredungen für den Natur-, Arten- und Gewässerschutz getroffen haben. Wir sind bereit zum Dialog und möchten unsere Expertise einbringen, bevor politische Entscheidungen getroffen werden. In Niedersachsen funktioniert das sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene sehr gut. Auch der Kontakt zu Bundes- und Europaabgeordneten ist da, und das ist gut so. Wir können aber auch „Kampagne“ gegen politische Fehlentwicklungen, wie zum Beispiel gegen die unausgegorenen Gesetzesvorschläge aus dem Europaparlament im letzten Jahr.

Rundblick: Das Aufkommen von „Land schafft Verbindung“ (LsV) 2019 konnte als Kritik am verfassten Landvolk-Verband verstanden werden: Eine relevante Zahl von Landwirten fühlte sich offenbar nicht mehr richtig repräsentiert. Haben Sie damals die richtigen Schlüsse daraus gezogen?

Hennies: Selbstverständlich haben wir uns damit befasst und unsere Verbandspositionen auf den Prüfstand gestellt. Das tun wir als große, überparteiliche Interessenvertretung mit mehr als 70.000 Mitgliedern in unserer Gremienarbeit aber ohnehin laufend. Viele Mitglieder von LsV sind auch bei uns Mitglied; in vielen Regionen Niedersachsens gibt es ein gutes Miteinander zwischen LsV und Landvolk.

Rundblick: Finden Sie, dass sich die niedersächsische Landesregierung ausreichend für die Landwirte einsetzt?

Hennies: Wenn mit uns auf Augenhöhe gesprochen wird, dann Ja – siehe den „niedersächsischen Weg“. Wir sehen auch die Unterstützung gegen die Vorhaben der Bundesregierung. Es gibt jedoch auch Bereiche, wo wir trotz aller Expertise bisher am politischen Nichthandeln scheitern, zum Beispiel beim Thema Wolf oder beim Düngerecht.

Rundblick: Die aufgebrachten Landwirte, die jetzt noch immer demonstrieren und beispielsweise Mist vor Ministerien oder auf Straßen kippen, fühlen sich nicht verstanden und scheinen selber die Politik nicht mehr zu verstehen. Wie kann man diese Verständnislücke schließen?

Hennies: Unser Angebot ist da. Wir haben in den letzten Wochen fünf Kernforderungen gestellt, die schnell umsetzbar sind. Dazu zählen neben der vollständigen Rücknahme der Pläne zur Agrardiesel-Besteuerung weniger Regulierung beim Düngerecht, einen Aufschub und Revision für geplante nationale Auflagen, zum Beispiel beim Pflanzenschutzrecht, sowie mehr finanzielle Unterstützung und bessere rechtliche Grundlagen bei der Weiterentwicklung der Tierhaltung. Beim Thema Bürokratieabbau haben wir erste Listen an die Politik übergeben; weitere werden folgen. Für uns geht es dabei nicht nur um die Landwirtschaft, sondern um die Zukunft des gesamten ländlichen Raums.

Dieser Artikel erschien am 13.2.2024 in Ausgabe #027.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Alexander Zimbehl spricht beim Neujahrsempfang des NBB in Hannover. | Foto: Wallbaum
Beamtenbund fühlt sich vom Finanzminister unfair behandelt und ruft Olaf Lies zur Hilfe
30. Mai 2025 · Klaus Wallbaum4min
Einige Messestände sind schon relativ nachhaltig, doch der Einsatz von Wegwerfmaterial ist immer noch groß. | Foto: Link
Mehrweg statt Müll: Wie die Hochschule Osnabrück die Messebranche umkrempeln will
28. Mai 2025 · Christian Wilhelm Link3min
Foto: Wallbaum
Kommunen fordern: Denkmalschutzamt entmachten, Landesjugendamt abschaffen
28. Mai 2025 · Klaus Wallbaum4min