Das Krankheitsbild ist neu, und es löst doch größere Sorgen aus: Schätzungsweise „30.000 Menschen in Niedersachsen“, so sagte der CDU-Sozialexperte Volker Meyer gestern im Landtag, könnten unter den Corona-Langzeitfolgen leiden. Dazu gehörten Atemnot, Beklemmungsgefühle, Kopfschmerzen und Aufmerksamkeitsstörungen. Körperliche wie psychische Lasten seien bemerkbar. Fraktionsübergreifend wird im Landtag nun beklagt, dass es zum einen noch wenig Forschungsergebnisse über die Frage gibt, welche Gruppen besonders anfällig sind und unter welchen Bedingungen die Gefahr besonders groß ist – abgesehen noch von der ungeklärten Frage, wie man die Erkrankten am besten therapiert. Die Koalition legte einen Entschließungsantrag vor, -der die eilige Prüfung von nötigen Schritten zur rascheren Behandlung verlangt. Die Grünen-Sozialexpertin Meta Janssen-Kucz erklärte: „Prüfaufträge helfen hier nicht mehr, wir brauchen schnelle gesetzliche Regeln auf Bundesebene, damit gegengesteuert wird.“ Das habe jüngst auch der Gesundheitsausschuss des Bundestages festgestellt.
Wegen der vielschichtigen Beschwerden brauchen die Betroffenen eine breit aufgestellte Therapie mit verschiedenen Fachrichtungen an einem Ort.
Das Problem an diesen Long-Covid-Fällen ist offenbar, dass einheitliche Behandlungsmethoden kaum möglich sind – denn die Erscheinungsformen sind noch zu vielfältig und rätselhaft. Wie Janssen-Kucz erklärte, sind vor allem Menschen zwischen 25 und 50 betroffen, Frauen doppelt so häufig wie Männer. Bei vielen würden die ersten Symptome erst Monate nach der Erkrankung auftreten, das betreffe auch Patienten, die auf dem Höhepunkt ihrer Covid-Erkrankung eher schwache Symptome gezeigt hatten. Was sowohl Janssen-Kucz, als auch Thela Wernstedt (SPD) und den CDU-Abgeordneten Meyer eint, ist der Wunsch nach einem Netzwerk zwischen Arztpraxen, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Trägern der Kranken- und der Rentenversicherung. Wenn alle zusammen wirken, könne ein „ganzheitlicher Ansatz“ entwickelt werden. Da die Long-Covid-Krankheit neu ist, könnten die bekannten und bewährten Raster des Gesundheitssystems sie noch nicht auffangen. Eine Weiterentwicklung des Systems sei überfällig. „Wegen der vielschichtigen Beschwerden brauchen die Betroffenen eine breit aufgestellte Therapie mit verschiedenen Fachrichtungen an einem Ort“, sagte die SPD-Politikerin Wernstedt. Auch sie schätzt, dass jeder zehnte der 250.000 in Niedersachsen an Covid Erkrankten vermutlich von den Langzeitfolgen betroffen sein dürfte. Ein chronisches Erschöpfungssyndrom könne hinzukommen. Interdisziplinäre Angebote der Rehabilitation seien unbedingt erforderlich.
In der Landtagsdebatte über die Corona-Politik wiederholte der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner die Vorwürfe an die Regierung. Zum einen würden die Verordnungen des Sozialministeriums viel zu kurzfristig entwickelt und verkündet, den Kommunen und beispielsweise den Gaststätten und Hoteliers fehle jegliche Zeit für eine Vorbereitung. Zum anderen zeige die Tatsache, dass die Kontaktbeschränkungen für private Feiern zuhause noch nicht gelockert worden seien, obwohl die Corona-Inzidenzen deutlich sinken, ein „fehlendes Maß an Sensibilität bei der Einschränkung von Grundrechten“.
Der Schutz der Wohnung habe bei der Koalition offenbar nicht den Rang, den dieses Grundrecht im Rechtsstaat genießen müsse. Auch die Verunsicherungen in der Impf-Reihenfolge seien ein schwer verzeihlicher Fehler, der auf schlechtes Management in der Corona-Krise hindeute. Die SPD-Abgeordnete Wernstedt sagte, die FDP präsentiere „immer dieselben Vorwürfe in immer derselben Tonlage“, das sei „auf Dauer ermüdend“ und man stelle sich die Frage, „ob es auch ein paar Empörungsstufen niedriger geht“.