Landtag einig: Das Krisenmanagement braucht eine Anbindung an das Parlament
Die ersten, die mit der Forderung aufgetreten sind, waren die Grünen und die Freien Demokraten: Das Parlament dürfe nicht in Abstinenz verharren, sondern müsse gerade in schwierigen Zeiten wie diesen seinen Machtanspruch behaupten. Der Landtag, meint die FDP, müsse jetzt die Kompetenz für die Bekämpfung der Corona-Epidemie an sich ziehen – um sie dann im nächsten Schritt gleich wieder auf die Landesregierung zu delegieren.
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Einen anderen Weg zur parlamentarischen Unterfütterung der Politik in der Corona-Zeit hat die rot-schwarze Koalition in Niedersachsen vor. Das Kabinett diskutierte gestern über ein „Bündelungsgesetz Corona“, das die Neuregelung von Kompetenzen in Krisenfällen wie dem aktuellen vorsieht. Anders als die FDP sieht der Entwurf, den die Fraktionen von SPD und CDU demnächst vorlegen und dem Landtag zuleiten wollen, keine ständige Rückkopplung zwischen Landesregierung und Landtag in jeder einzelnen Verordnung vor, mit der das Sozialministerium die Freiheitsrechte der Bürger zur Virus-Bekämpfung einschränkt.
Aber die Schnittmenge der Vorschläge von FDP und Grünen einerseits und SPD/CDU andererseits ergibt sich daraus, dass in beiden Fällen der Landtag in das Krisenmanagement einbezogen werden soll. Die Unterschiede in den Ansätzen sind diese:
Die Grünen hatten am 20. April vorgeschlagen, dass die Regierung verpflichtet werden soll, vor jeder neuen Rechtsverordnung den Rechtsausschuss des Landtags zu beteiligen und ihm Gelegenheit zur Einwirkung zu geben. Da manche Anti-Corona-Verordnung eilbedürftig ist, solle die Beteiligung auch nachträglich geschehen können, hatte Helge Limburg (Grüne) gesagt.
Die FDP beantragt mit Datum vom 5. Mai, an Artikel 80 des Grundgesetzes anzuknüpfen: Da das Bundesinfektionsschutzgesetz die Landesregierungen zu Verordnungen ermächtigt, soll der Landtag die im Grundgesetz ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit nutzen, die Kompetenz an sich zu ziehen. So schlägt die FDP ein Corona-Gesetz vor, das im nächsten Schritt die Zuständigkeit vom Landtag wieder auf die Landesregierung verlagert. Allerdings sieht das Gesetz vor, dass der Landtag eine womöglich eilig erlassene Rechtsverordnung der Regierung später wieder aufheben kann. Diese Bestimmung gibt es bisher nicht. „Derzeit haben wir eine Parlamentsbeteiligung nur insoweit, als über die Pläne der Regierung in den Landtagsausschüssen informiert wird. Eine Mitwirkung an der Rechtssetzung ist dort aber nicht gegeben“, sagt FDP-Fraktionschef Stefan Birkner. Eine stärkere Beteiligung des Landtag sei auch vonnöten, damit man jenen Verschwörungstheoretikern, die derzeit über eine Entmachtung der Parlamente klagen, etwas entgegenzusetzen.
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Die SPD- und die CDU-Fraktion wollen vermutlich in der Landtagssitzung Ende Juni ein Corona-Gesetz beschließen lassen, das im Innenministerium detailliert vorbereitet wird. Dabei geht es um Ausnahmeregeln für viele Einzelbestimmungen – etwa für Video-Schalten in Sitzungen kommunaler Gremien, Zwangs-Briefwahlen für Bürgermeisterwahlen und Terminverschiebungen (wie derzeit im Fall der Stadt Uslar), Entschädigungsregeln für Rettungskräfte im Katastrophenschutz, Chance zur höheren kommunalen Verschuldung bei der Krisenbekämpfung und Verkürzung von Fristen und Beteiligungen bei Raumordnung und Bauplanungen. Bisherige Überlegungen sind so: Wenn der Landtag feststellt, dass ein Krisenfall eingetreten ist, sollen diese Vorschriften übergangsweise gelockert werden können. Damit hätte, wie von FDP und Grünen gefordert, das Parlament eine gesetzliche Grundlage für die Ausnahmesituation geschaffen.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #089.