Landkreise kritisieren Niedersachsens Krisenmanagement
Der Landkreistag (NLT), Spitzenverband der 37 niedersächsischen Kreise, übt scharfe Kritik am bisherigen Krisenmanagement der Landesregierung in der Corona-Krise. Schon seit Mitte Mai dränge sein Verband darauf, die Verordnung knapper und verständlicher zu fassen – bislang aber erfolglos, beklagte NLT-Hauptgeschäftsführer Prof. Hubert Meyer in der Sitzung der Enquetekommission „Gesundheitsversorgung“ im Landtag.
„Bis heute ist es nicht gelungen, eine verständliche Interpretation der Vorschrift zu präsentieren, wie viele Leute man in Niedersachsen für eine Party im eigenen Garten empfangen darf. Dafür haben wir aber auf der anderen Seite jede Menge konkrete Formulierungen, wie man sich in Spielhallen verhalten darf“, sagte Meyer. Die Unsicherheit, die mit dem Mangel an Konsistenz bei den Bürgern einhergehe, sei gefährlich: „Das ist verheerend für die Akzeptanz des Rechts bei den Bürgern“, betonte Meyer.
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In der Enquetekommission hatten am Montag die Kommunalverbände ihren Erfahrungsbericht mit der Corona-Krise vorgetragen. Da der Vertreter des Städtetages entschuldigt war, beschränkte sich der Bericht auf die Darstellungen von NLT-Hauptgeschäftsführer Meyer und Oliver Kamlage, Referent des Städte- und Gemeindebundes (NSGB). Meyer berichtete zunächst, dass es im März mehrere Landräte gegeben habe, die vorgeschlagen hätten, den Katastrophenfall auszurufen. Davon habe der NLT abgeraten, denn dies wäre „psychologisch falsch“ gewesen, da Panik hätte entstehen können.
Was heute die Vorbereitung auf eine mögliche „zweite Welle“ angehe, hielt Meyer dem Land eine „zögerliche, fahrlässige Behandlung“ des Themas vor. Dabei gebe es durchaus eine vertrauensvolle Kooperation mit Vertretern des Landes – ausdrücklich lobte er den Krisenstab-Chef Heiger Scholz, seine Stellvertreterin Claudia Schröder, den Infektionsschutz-Experten Fabian Feil und den Leiter der Kommunalabteilung, Alexander Götz.
Bis heute ist es nicht gelungen, eine verständliche Interpretation der Vorschrift zu präsentieren, wie viele Leute man in Niedersachsen für eine Party im eigenen Garten empfangen darf. Dafür haben wir aber auf der anderen Seite jede Menge konkrete Formulierungen, wie man sich in Spielhallen verhalten darf.
Der Krisenstab, betonte Meyer, werde in der öffentlichen Wahrnehmung „überbewertet“, denn es handele sich in Wahrheit nur um eine Informationsbörse. Die entscheidende Ebene in der Regierung aber, Staatssekretärsrunde, Koalitionsausschuss und Kabinett, handele ohne Einbindung der Kommunalverbände – anders als vor wenigen Jahren bei der Flüchtlingskrise, als die Kommunen ständig mit am Tisch des Staatssekretärsausschusses gesessen hätten.
Statt sechs Wochen nur sechs Stunden für die Umsetzung
Meyer sagte, in der Anfangsphase habe das Sozialministerium Weisungen an die Kommunen erteilt, die diese dann mit Allgemeinverfügungen hätten umsetzen und veröffentlichen müssen. Die Fristen für die Beteiligung der Kommunen, die im Normalfall sechs Wochen betrügen, hätten sich extrem verkürzt: „Wir wären oft froh gewesen, wenn wir sechs Stunden gehabt hätten.“
Der NLT-Hauptgeschäftsführer mahnte jetzt eine Klärung im Sommer an, damit bis Herbst bei einer möglichen zweiten Welle vor allem zwei Fragen geregelt sind – wer für die Auslegung der Regeln verantwortlich ist (Land oder Kommune vor Ort) und wer wem welche Auskünfte geben muss. Ein „Stufenplan rückwärts“ sei erforderlich, der bei steigenden Infektionszahlen eine allmähliche Verschärfung der Vorgaben vorsehe und darlege, wie das rechtlich verbindlich festgelegt und kommuniziert werden kann.
Seit März, fügte Meyer hinzu, sei „einiges schief gelaufen“. Dazu zählt er auch die anfangs tägliche Landespressekonferenz, die „Pflichttermin“ für die Gesundheitsämter der Kreise gewesen sei – da man dort mehr erfahren habe als über die offizielle Schiene der Landesregierung zu den Kommunen. „Das hat großen Unmut bei vielen Landkreisen ausgelöst.“ Kamlage vom NSGB sprach in diesem Zusammenhang von „großer Verärgerung“ bei vielen Bürgermeistern.
NLT fordert Stärkung der kommunalen Gesundheitsämter
Der NLT schlug vor, die Gesundheitsämter der Landkreise und kreisfreien Städte zu verstärken. Zum einen müssten die Kreise gezielt Mitarbeiter in anderen Bereichen schulen für den Fall, dass sie wieder zur Unterstützung der Gesundheitsämter eingesetzt werden müssen. Daneben sei eine „schnelle Eingreiftruppe“ des Landes, angesiedelt womöglich beim Landesgesundheitsamt, sinnvoll. Von dort aus könnten Einsätze in Hotspots beschickt werden.
Die technische Datenübermittlung zwischen mehreren Gesundheitsämtern solle über ein einheitliches System laufen, es müsse nicht zwingend Sormos sein. Eine engere Verzahnung der Gesundheitsämter benachbarter Kreise hält Meyer ebenfalls für sinnvoll. Es sei bisher auch deshalb so gut gelungen, Ausbrüche in lokalen Gegenden in den Griff zu bekommen, weil die dortigen Gesundheitsämter groß und personalstark waren. In kleineren Kreisen könne man rasch an die Grenzen des Möglichen stoßen.
In mehreren Punkten mahnte Meyer klarere Verantwortlichkeiten und genauere Regeln an. Bei den Reha-Kliniken etwa sei deren Auftrag in der Krise nicht eindeutig genug definiert gewesen, es habe Probleme gegeben, Menschen für die Kurzzeitpflege dort unterzubringen. Sinnvoll sei zudem ein Weisungsrecht des Landes für die Testzentren, die bei lokalen Ausbrüchen schnell aktiviert werden müssten.