2. Juli 2018 · Inneres

Landesregierung will effektiver gegen kriminelle Clans vorgehen

Immer öfter bekommt es die niedersächsische Polizei mit Tätern zu tun, die Teil eines kriminellen Familienclans sind. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der FDP hervor. 248 Einsätze verzeichnete das Landeskriminalamt demnach im vergangenen Jahr, bei denen Großfamilien mit kriminellen Mitgliedern und Netzwerken eine tragende Rolle spielten. Im Vorjahr hatte es nur 143 solcher Einsätze gegeben. In nahezu drei Vierteln der Einsätze ging es um Täter, die den sogenannten Mhallamiye zugerechnet werden, einer Volksgruppe der Kurden, die als besonders schwer integrierbar gilt. Mhallamiye-Clans verdienen sich oft ihren Lebensunterhalt durch organisierte Kriminalität. Dabei geht es in der Regel um Betrug. Allerdings fallen die Mhallamiye auch häufig wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung und Sachbeschädigung bei der Polizei auf. Die restlichen 25 Prozent der Einsätze entfallen auf andere Großfamilien, etwa mit türkisch-kurdischem oder südosteuropäischem Migrationshintergrund oder mit der Eigenschaft, zur religiösen Minderheit der Jesiden zu zählen. Das Innenministerium will künftig gegen diese kriminellen Familienclans effektiver vorgehen und hat daher im März die „Landesrahmenkonzeption Clankriminalität“ gestartet. Was das Konzept jedoch genau am Vorgehen gehen kriminelle Familienclans ändert, bleibt unklar.
Lesen Sie auch: Das Landesrahmenkonzept solle landesweit einheitliche Standards schaffen und den Einsatz- und Ermittlungsbereich besser miteinander verzahnen, heißt es aus dem Innenministerium. So liege ein Schwerpunkt darauf, die Netzwerkarbeit zwischen allen mit dem Phänomen der kriminellen Familienclans befassten Behörden und Institutionen zu stärken. In den Polizeibehörden, den zentralen Kriminalinspektionen und im Landeskriminalamt wurden Experten benannt, die künftig als Ansprechpartner fungieren, Fortbildungen zum Thema unterstützen und bei Einsätzen und Ermittlungen um Hilfe gebeten werden können. „So sollen die Analysefähigkeit gestärkt und Strukturen besser erkannt werden“, sagt eine Sprecherin des Innenministeriums. Das Konzept dürfte also eine Art Leitfaden sein, um alle Polizeibehörden im Land mit dem Problem vertraut zu machen und ihnen Lösungen im Umgang mit kriminellen Clans an die Hand zu geben. Denn bisher konzentrierten sich die Clans auf bestimmte Hotspots, meist mittelgroße Städte. Neben Hannover, Hildesheim und Oldenburg traten kriminelle Familienclans etwa auch in Peine, Wilhelmshaven, Nordhorn und Hameln des Öfteren in Erscheinung. Deshalb hatten bislang auch nur solche Polizeibehörden – individuelle – Bekämpfungskonzepte, in deren Gebiet kriminelle Clans aktiv sind. Im August vergangenen Jahres allerdings sei die Landesspitze der Polizei zu dem Schluss gekommen, dass das nicht mehr ausreiche und es landesweit einheitliche Strategien gegen kriminelle Familienclans geben müsse, sagt die Sprecherin des Ministeriums. Daraus sei schließlich das Landesrahmenkonzept geworden. Aus Sicht des FDP-Innenexperten Jan-Christoph Oetjen ist jedoch auch mit dem neuen Konzept noch nicht zu erkennen, was die Landesregierung eigentlich genau gegen kriminelle Clans tut. „Wir haben nach wie vor den Eindruck, dass in diesem Bereich nicht viel passiert“, sagt Oetjen. Natürlich sei es richtig, die Sicherheits-, Ermittlungs-, und Strafverfolgungsbehörden enger zu vernetzen und ihre Informationen zu teilen, sagte er. Doch es müssten viel mehr Akteure ins Boot geholt werden. „Wenn man etwa den Verdacht hat, dass ein Dönerimbiss dazu genutzt wird, um Geld zu waschen, kann auch das Gewerbeaufsichtsamt eingeschaltet werden, um Informationen zu gewinnen“, sagt Oetjen. Darüber hinaus sei auch die Kommunalverwaltung ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um kriminelle Familienstrukturen geht. „Diese Akteure standen und stehen bisher zu wenig im Fokus“, sagt Oetjen. Der Polizei muss es ermöglicht werden, schnell und unbürokratisch an ihre Informationen zu kommen. „Wir arbeiten derzeit an einem eigenen Antrag, mit dem wir der Polizei diese Möglichkeiten geben wollen“, sagt Oetjen.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #124.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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