1. Juli 2020 · 
Bildung

Kultusminister lässt prüfen, ob Lehrplan ausgedünnt werden kann

Der Unterricht in den Schulen ist durch die Corona-Krise komplizierter geworden. Kultusminister Grant Hendrik Tonne plant nun, den Lehrplan ab dem kommenden Schuljahr möglicherweise leicht auszudünnen. „Die Qualität bleibt dabei eins zu eins erhalten“, versicherte Tonne am Mittwoch im Landtag. In den Kerncurricula seien schließlich die Kernkompetenzen festgelegt, die die Schüler erreichen müssen. Derzeit prüften die Fachgruppen, ob man Themen herausnehmen könne, ohne dass die Qualität geschmälert würde. „Wir werden schauen, wo man die Quantität vernünftig herunterfahren kann“, sagte Tonne. Voraussetzung sei aber, dass man mit demselben Wissenstand die Schule verlasse.
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Horst Audritz, Vorsitzender des Philologenverbands, mahnte, die Qualität dürfe auf keinen Fall abnehmen. „Die Qualität der Bildung hängt zwar auch sehr stark von der Lehrerpersönlichkeit ab, nichtsdestotrotz ist die Menge des Lernstoffs gerechtfertigt“, sagte Audritz dem Politikjournal Rundblick. Er hält es aber für vorstellbar, an zwei Stellschrauben bei den Lerninhalten für einen befristeten Zeitraum zu drehen. So dürften die Schüler der 12. Klassen in den Abiturprüfungen im kommenden Jahr keinen Nachteil erleiden. Es könne nicht geprüft werden, was während der Corona-Krise möglicherweise ausgefallen ist. „Man kann beim Abitur nicht so tun, als habe der Unterricht komplett stattgefunden“, meinte Audritz. Möglich sei auch, Vorgaben bei den Lerninhalten zeitlich begrenzt anzupassen, wenn im kommenden Schuljahr weiterhin kein vollständiger Präsenzunterricht stattfinden könnte und nicht genügend Lehrer zur Verfügung stünden.

Noch kein Plan für das neue Schuljahr

Zwei Wochen vor Beginn der Sommerferien ist allerdings nach wie vor ungewiss, wie es zum neuen Schuljahr in den Klassen weitergeht. Man werde in der kommenden Woche das Szenario für das neue Schuljahr vorstellen, kündigte Tonne im Landtag an. Drei Varianten seien dabei denkbar. Diese reichten von einem eingeschränkten Regelbetrieb mit vollständigen Schulklassen und angepassten Hygieneregelungen über einen „hybriden Schulbetrieb“ mit halben Klassen und einem Wechsel von Präsenzunterricht und Home-Schooling, sollte es zu  einem lokalen Infektionsgeschehen kommen, bis hin zu kompletten Schulschließungen, über die dann das Gesundheitsamt vor Ort entscheiden müsse. Voraussetzung für den eingeschränkten Regelbetrieb sei eine weiterhin landesweit stabile Infektionslage, wie es sie derzeit gebe, erklärte Tonne. https://www.youtube.com/watch?v=zccdwilJX3Y Zudem müsste es positive Erfahrungen geben, dass der Infektionsschutz in den Schulen gewährleistet sein könne. Der Kultusminister sprach von einem Kraftakt für alle Beteiligten, es gebe in Niedersachsen den „Wunsch nach so viel Normalität wie möglich“. Wichtig sei, dass der Schulbetrieb vorsichtig anlaufen müsse mit dem Ziel, den Pflichtunterricht für alle Schüler und die Verlässlichkeit der Grundschulen zu sichern. Man diskutiere mit Bildungsverbänden sowie Eltern und Schülern über möglichst gute und einvernehmliche Lösungen.  Dennoch wisse derzeit keiner, in welcher Situation man sich zum Schulbeginn Ende August befinden werde, schränkte Tonne ein. Grünen-Fraktionschefin Julia Hamburg sprach von einem „Offenbarungseid“ und lediglich „vagen Ankündigungen“. Das Kultusministerium schaffe seine Hausaufgaben nicht, vor allem die Schulleitungen müssten deshalb nachsitzen. Auch der FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling kritisierte, der Kultusminister lasse die Schulen nach wie vor im Dunkeln darüber, wie in das neue Schuljahr gestartet werden solle.

75 Prozent der ausgeschriebenen Stellen besetzt

Positiv sieht Tonne die aktuellen Einstellungszahlen. Bisher seien mehr als 1660 und damit 75 Prozent der ausgeschriebenen Stellen besetzt. „Das ist ein sehr guter Wert“, sagte Tonne. Zum Ende des Schuljahres gingen 1400 Lehrkräfte in den Ruhestand. Man liege also bei den Neueinstellungen bereits jetzt deutlich über dieser Zahl, erklärte Tonne, wobei dies die reine Zahl der Köpfe ist. Unterschiede bei Voll- und Teilzeitarbeit sind hierbei noch nicht eingerechnet. Eine Prognose für Abordnungen von Lehrern im kommenden Schuljahr wollte der Kultusminister noch nicht abgeben. „Es wird wieder Abordnungen geben, ein genaues Volumen kann man aber noch nicht nennen“, sagte Tonne. Positiv sei, dass inzwischen bereits 80 Prozent der ausgeschriebenen Stellen in den Grundschulen  besetzt seien, was an der Stelle zu einer Entlastung bei den Abordnungen führe. Philologenverband-Chef Horst Audritz plädierte derweil dafür, die Zahl der Ausschreibungen für neue Stellen noch einmal zu erhöhen. „In der Corona-Zeit braucht man wesentlich mehr Personal“, sagte Audritz dem Rundblick. Bundesweit gebe es noch Personalreserven. Viele warteten noch auf eine Einstellung, in Bayern gebe es zum Beispiel einen Überhang an Bewerbern. Darüber hinaus könnte man noch Aufsichtspersonal bei den Schulträgern organisieren.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #124.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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