Im vergangenen Jahr hat es, verglichen mit 2015, einen Rückgang der Kriminalität gegeben – insgesamt wurden 561.963 Fälle registriert, rund 6500 weniger als ein Jahr zuvor. Doch zur Zufriedenheit gibt die Statistik, die Innenminister Boris Pistorius gestern vorgestellt hat, kaum Anlass. In vielen Teilbereichen gibt es eine bedenkliche, in einigen anderen eine beruhigende Tendenz. So hängt der Rückgang der Fälle 2016 vor allem damit zusammen, dass weniger Flüchtlinge als 2015 ins Land gekommen sind, damit ist auch die Zahl der Verstöße gegen das Ausländerrecht zurückgegangen. Zieht man diesen Bereich von den Straftaten ab, so gibt es gegenüber 2015 sogar einen leichten Anstieg um rund 1700 Fälle. Gesunken ist die sogenannte „Häufigkeitszahl“, die Straftaten auf je 100.000 Einwohner bezieht. Sie lag 2016 bis 7090 Fällen, noch vor zehn Jahren waren es 7605. Gewachsen ist die Zahl der Opfer von Straftaten – von 93.784 (2015) auf 101.711. Dieses Ergebnis hat allerdings auch damit zu tun, dass Körperverletzungen und Gewalttätigkeiten in Familien heutzutage häufiger angezeigt werden als früher.

Kriminalitätsstatistik: Die Zahl der Wohnungseinbrüche blieb konstant

Wie Landespolizeipräsident Uwe Binias betonte, begeht die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge keine Straftaten. Allerdings gebe es bei einigen Delikten unter den Zugewanderten einen höheren Anteil von Tätern (gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil) als bei den Deutschen – das betrifft Ladendiebstahl, Schwarzfahren, Körperverletzung und Raub, sowie Urkundenfälschung und Sozialleistungsbetrug. Der Fall von rund 520 Schein- und Mehrfachidentitäten, die eine unbekannte Zahl an Flüchtlingen aus dem Sudan bei der Landesaufnahmebehörde angegeben haben soll, hat das Phänomen des Sozialbetrugs deutlich werden lassen. Wie Binias erläuterte, hat es im vergangenen Jahr 2644 Fälle von Sozialleistungsbetrug in Niedersachsen gegeben, in 487 davon waren die Täter Flüchtlinge, 166 von ihnen handelten im Bereich der Polizeidirektion Braunschweig. Der medial bekannt gewordene Verdacht auf 520 Scheinidentitäten in der Landesaufnahmebehörde wird noch überprüft, 154 strafrechtlich relevante Fälle habe die Sonderkommission hier bisher gefunden.

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Auch ein Anstieg der sogenannten „Rohheitsdelikte“ wurde festgestellt, dazu zählen Raub, Körperverletzung und Bedrohung. 2015 gab es 74.736 Fälle, ein Jahr darauf 80.497 – wobei davon 57.018 Fälle zur Körperverletzung zählen. Stark angestiegen ist der Anteil mit Flüchtlingen als Tätern (plus 83,74 Prozent). Die Polizei hat auch beobachtet, dass Arbeitslose stärker als früher unter den Verdächtigen sind. 514 „Straftaten gegen das Leben“ wurden 2016 ermittelt, das sind 122 mehr als 2015. Dazu gehören Mord (169 Fälle), Totschlag und Tötung auf Verlangen, sowie gefährliche Körperverletzung. Laut Binias fällt hier auch ins Gewicht, dass die Vorwürfe gegen den Delmenhorster Krankenpfleger, massenhaft Patienten ermordet zu haben, in der Polizeistatistik für 2016 vermerkt wurden. 2016 wurden 31.771 Rauschgiftdelikte festgestellt, das sind mehr als 1000 zusätzlich gegenüber 2015. Cannabisdelikte wurden 20.151mal ermittelt, 2015 geschah das noch 19.741mal. Obwohl die Jugendkriminalität insgesamt weiter zurückgeht, bleibt der Anteil der Tatverdächtigen, die mit Cannabis-Missbrauch zu tun haben, mit 3179 Fällen auf einem hohen Niveau. Vor zehn Jahren waren es noch 1632 Fälle. Pistorius sieht in diesem Zusammenhang die Debatte über eine Legalisierung von Cannabis kritisch: „Wir brauchen keine weiteren legalen Drogen – zumal die Folgen des Cannabis-Konsums in seelischen Störungen und Depressionen bestehen können.“ Die Angriffe auf Polizeibeamte haben ebenfalls zugenommen – 3030 Fälle wurden 2016 festgestellt, ein Jahr zuvor waren es noch 2737 gewesen.

Die Zahl der Wohnungseinbrüche blieb mit 16.405 Fällen in etwa auf dem Niveau des Vorjahres, sie ging nur um 170 zurück. 1993 wurde noch doppelt so häufig wie heute eingebrochen, aber zwischen 2004 und 2008 blieben die Zahlen sehr niedrig, seit 2010 steigen sie wieder an. Die Aufklärungsquote hatte 2013 hier einen sehr hohen Stand, ist seitdem aber Jahr für Jahr gesunken. Pistorius sagte, er hoffe auf neue Techniken der Einbruchsprävention – etwa einer in den Streifenwagen verfügbaren App, die anzeigt, in welchen Fällen so etwas vermehrt vorkommt.

Jan-Christoph Oetjen (FDP) fordert in jeder Polizeiinspektion eine besondere Ermittlungsgruppe, die sich mit der Einbruchskriminalität beschäftigt. Thomas Adasch (CDU) lobte das Beispiel Hamburg – dort gebe es Sonderkommissionen, die sich mit dem Thema Einbruchsbekämpfung befassen.