9. Apr. 2024 · 
Kommentar

Kommentar: Eine Bürgschaft für die Meyer-Werft ist vertretbar!

Zuletzt im vergangenen Jahr hat die Meyer-Werft in Papenburg eine Landesbürgschaft bekommen. Das Unternehmen hat volle Auftragsbücher – aber die finanziellen Reserven sind offenbar erschöpft. Wenn das Land für Kredite eine Schutzfunktion übernimmt, ist das riskant. Am Ende könnte der Staat die Ausfälle decken müssen. Kann das richtig sein? Die Rundblick-Redaktion diskutiert darüber in einem Pro und Contra.

Foto: Meyer-Werft/Scheffen

PRO: Es wäre falsch, mit staatlichen Bürgschaften sterbende Branchen länger als nötig zu stützen. Aber der Schiffbau ist keine sterbende Branche, er kann sich weiterentwickeln und Innovationen hervorbringen. Deshalb wäre im Fall der Meyer-Werft eine neue Landesbürgschaft vertretbar, meint Klaus Wallbaum.

Der ewige Streit um staatliche Subventionen wird immer wieder von zwei Lagern bestimmt. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die für wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt werben und davor warnen, dass der natürliche Umwandlungsprozess durch staatliche Eingriffe aufgehalten oder verzögert wird. Wenn also die Meyer-Werft kein Geld mehr hat, die Ausgaben für die neuen Kreuzfahrtriesen vorzustrecken, muss sie damit allein klarkommen. Auf der anderen Seite sind diejenigen, die vor zu radikalen Strukturbrüchen warnen und für einen sanften, begleiteten Übergang werben. In dieser Logik müsste eine Umstellung der Meyer-Werft auf neue Produkte oder neue Märkte abgefedert werden dadurch, dass man ihr für eine finanzielle Durststrecke die nötige Liquidität verschafft. Das geht am Ende dann offenbar nur über staatliche Bürgschaften, über eine zusätzliche Absicherung der Kredite.

Hier nun ein paar Gründe für eine neue Landesbürgschaft in diesem Fall:

  • Schiffe sind keine Steinkohle: In der Region Emsland und Ostfriesland ist die traditionsreiche Meyer-Werft strukturbestimmend – ebenso wie ein anderes Großunternehmen, der Windkrafthersteller Enercon. Nun hat nicht jede Firma mit einer so enormen Bedeutung automatisch einen Anspruch auf staatliche Hilfe. Voraussetzung sollte sein, dass es eine Entwicklungsperspektive gibt. Können auf der Meyer-Werft noch in 20, 30 oder 50 Jahren Produkte gebaut werden, die gefragt sind? Die Antwort lautet: ja. Das müssen keine Kreuzfahrtschiffe sein, zumal diese Art von Tourismus in Zeiten von Klimawandel, Umweltschutz und Ressourcenverbrauch fragwürdig sein könnte. Schiffe an sich werden aber weiter nötig sein, denn der internationale Warenverkehr dürfte langfristig nicht zurückgehen, und klimaverträgliche Antriebsformen werden auch für Schiffe entwickelt – vielleicht nur noch nicht entschlossen genug. Das ist der Unterschied zur Steinkohle, die als fossile Energieform ausgedient haben wird. Die Kohle-Subventionen federn einen Wirtschaftszweig ab, der keine Zukunft mehr hat, aber vielen Menschen bisher noch Lohn und Brot gibt. Bei der Meyer-Werft ist es anders, hier existiert eine Perspektive.


  • Es geht um einen harten Wettbewerb: Kritiker von Bürgschaften verweisen immer gern auf den freien Markt, der nicht gestört werden dürfte. Aber gibt es im Schiffbau den freien Markt? Die meisten Wettbewerber von Meyer sind bereits in staatlicher Hand, in Südostasien agieren die Staaten auf diesem Markt, tatsächlich ist der von Subventionen befreite Warenaustausch in diesem Feld längst eine Illusion. Wenn es um die Sicherung von Erfahrung, Kompetenz und Innovationskraft im Schiffbau geht, sollte die Meyer-Werft schon allein aus diesen Gründen erhalten bleiben. Muss sie aus finanzieller Notlage ihren Betrieb einstellen, so freut das die ausländische, dort von den Staaten gestützte Konkurrenz. Das Ergebnis wäre eine Schädigung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.


  • Bürgschaften müssen zukunftsgerichtet sein: Leider dreht sich die öffentliche Debatte immer um die Frage, ob eine Bürgschaft sinnvoll ist oder nicht. Spannender ist die Diskussion darüber, ob eine solche Bürgschaft an Bedingungen geknüpft werden sollte. Im Fall der Meyer-Werft sollte das die Innovation beim Schiffbau sein, die Entwicklung moderner, umweltschonender Antriebsformen. Ob dazu auch eine Beteiligung des Landes in einem noch zu bildenden Meyer-Aufsichtsrat gehört? Hier ist Vorsicht geboten, denn Landes-Vertreter in solchen Gremien garantieren längst nicht automatisch ein wirtschaftlich sinnvolles Agieren, oft genug ist das Gegenteil der Fall. Im Übrigen könnte eine Landesbeteiligung den Irrglauben stärken, das Land werde der Werft schon regelmäßig aus der Patsche helfen. Eine solche Einstellung allerdings ist gefährlich, denn sie würde die Innovationskraft des Unternehmens eher bremsen statt fördern.
Dieser Artikel erschien am 10.4.2024 in Ausgabe #066.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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