Koalitionsfraktionen sauer: Regierung schiebt Umweltgesetz vor sich her
Aus den Reihen der Landtagsfraktionen von SPD und CDU werden Rufe nach schärferen Umweltauflagen für die Erdgasförderung laut – doch in der Regierung, heißt es, finden sie bisher kein Gehör. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick schieben Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium die interne Abstimmung über einen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen immer weiter auf.
Wie es aus Landtagskreisen heißt, habe man sich in den Arbeitsgruppen für Wirtschaft, für Soziales und für Umwelt bereits auf den gemeinsamen Text für die Entschließung verständigt. Dieser soll dem Gesundheits- und Trinkwasserschutz einen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einräumen. Doch Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium stellen sich angeblich quer. Einige Abgeordnete äußern nun die Vermutung, mit dieser Verzögerungstaktik sollten die Parlamentarier genötigt werden, zunächst das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (NUVPG) ohne Zugeständnisse an den Umwelt- und Trinkwasserschutz zu beschließen. Dies wäre dann im Interesse der Erdgas- und Erdöl-Industrie, die keine weiteren Auflagen will und die im Übrigen im engen Kontakt mit der Landesregierung steht.
Mahnung aus Brüssel erhöht den Druck
Eine Mahnung aus Brüssel erhöht nun den Druck auf alle Beteiligten. Denn sollte der Landtag nicht noch im Dezember das NUVPG beschließen, drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe. Wie aus einem Schreiben des niedersächsischen Umweltministeriums hervorgeht, das dem Politikjournal Rundblick vorliegt, können auf das Land Forderung von mindestens 11,8 Millionen Euro zukommen. Damit sei zu rechnen, sollte die Europäische Kommission Klage erheben und Deutschland verurteilt werden. Ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren läuft bereits seit Juli 2017, jetzt hat die EU-Kommission offenbar mit dem nächsten Schritt gedroht.
Sollte es dazu kommen, würde nach aktuellem Stand die komplette Summe zulasten von Niedersachsen gehen. Denn neben Niedersachsen hat bisher nur Sachsen-Anhalt die Vorgaben der EU noch nicht umgesetzt. Sachsen-Anhalt plant diesen Schritt jedoch noch bis Ende des Jahres. Wenn Niedersachsen nicht nachzieht, wäre es bundesweit das einzige Land, das den EU-Standard noch nicht in ein entsprechendes Landesgesetz überführt hat – und Deutschland europaweit der einzige Staat, der noch hinterherhinkt. Wie aus dem Schreiben aus dem Umweltministerium hervorgeht, dringt Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) bei den Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU nun darauf, dass die Beratungen zum NUVPG fortgesetzt werden sollen.
Gesetzentwurf liegt vor, Beratung stockt
Der entsprechende Gesetzentwurf liegt zwar seit länger als einem Jahr vor, aber die Beratung stockt. Eigentlich hatte die Landesregierung den Gesetzentwurf wohl als unpolitisch und damit unproblematisch angesehen, beurteilt die Grünen-Umweltpolitikerin Imke Byl die Situation. Doch die Grünen-Fraktion wollte die Gelegenheit nutzen und die Auflagen im NUVPG erhöhen. So wollen sie etwa durchsetzen, dass Bohrvorhaben auf einem Internetportal von den Behörden bekanntgemacht werden. Auch wollen die Grünen erreichen, dass Unternehmen für die Umweltverträglichkeitsprüfung in Zukunft externe Gutachter bestellen müssen und sich nicht mehr selbst überprüfen dürfen.
Doch die kontroverseste Forderung ist diese: Die Grünen wollen durchsetzen, dass in Zukunft grundsätzlich alle Bohrvorhaben für die Erdgas- und Erdöl-Förderung einer Prüfung der Umweltverträglichkeit unterzogen werden müssen. Juristisch sei das schwierig, räumt Byl im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick ein, aber machbar. Dazu wollen die Grünen eine Pflicht zu Umweltverträglichkeitsprüfungen über das Wasser- und Naturschutzrecht einbauen.
Nicht alle in den Regierungsfraktionen wollen diesen Änderungsantrag der Grünen einfach ablehnen und übergehen. Gerade für Abgeordnete von SPD und CDU, die ihre Wahlkreise in den entsprechenden Erdgas-Fördergebieten etwa rund um Bremen haben, sei der Druck aus der Bevölkerung enorm groß, heißt es. Mit dem Entschließungsantrag wollten sie durchsetzen, dass zumindest in Trinkwasserschutzgebieten Umweltverträglichkeitsprüfungen grundsätzlich zur Pflicht werden. Am Rande des Landtagsplenums am heutigen Dienstag soll es deshalb nun zu einem klärenden Gespräch kommen. Betroffene Politiker von SPD und CDU haben dazu Vertretern des Umwelt- und des Wirtschaftsministeriums, sowie der Staatskanzlei geladen.