Der niedersächsische Landtag hat gestern nach langen Beratungen ein neues Klimaschutzgesetz verabschiedet. Mit den Stimmen der Großen Koalition sowie der FDP wurde zudem eine Änderung der Landesverfassung beschlossen. Dadurch wird der Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zum Staatsziel erklärt.

Christian Calderone, verfassungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, machte zuvor allerdings noch deutlich, dass Verfassungsänderungen aus Sicht der Union nicht zum „Teil des politischen Alltagsgeschäfts“ werden sollten. Würde die Verfassung der „Beliebigkeit tagesaktueller Interpretationen“ oder „parteipolitischer Profilierung“ preisgegeben, könne man von der Bevölkerung nicht mehr erwarten, sich geschlossen hinter der Verfassung zu versammeln. Der Schutz des Klimas sei allerdings nicht Alltag und deshalb auch kein politisches Alltagsgeschäft, weshalb der Klimaschutz auch wert sei, als Staatsziel sichtbar in der Verfassung verankert zu werden, begründete Calderone schließlich die Zustimmung der CDU-Fraktion.


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Für Ulf Prange, Verfassungspolitiker der SPD-Fraktion, ist es gar „absolut zwingend“ sowohl den Klimaschutz als auch die Klimaanpassung in die Landesverfassung aufzunehmen, wie er gestern im Landtag ausführte. Die Verfassungsänderung führe aber auch konkret zu einer „Optimierungspflicht“ bei allen Trägern staatlichen Gewalt.

Birkner warnt vor „Klimaabsolutismus“

Gerade den appellativen Charakter des neuen Staatsziels kritisieren jedoch die Grünen und stimmten deshalb nicht zu. Deren umweltpolitische Sprecherin Imke Byl sprach sich stattdessen für einen „Klimavorbehalt“ in der Landesverfassung aus. „Ihre Verfassungsänderung soll nicht zu einer Änderung der Landespolitik führen“, beklagte Byl, an die Große Koalition gewandt. Der Vorschlag der Grünen hätte dazu führen sollen, dass künftig alle Gesetze auf ihre Wirkung für den Klimaschutz überprüft werden müssten. Der FDP-Fraktionschef Stefan Birkner wiederum tadelte den Vorschlag der Grünen als „höchst gefährlich“ und vermutlich verfassungswidrig. Der Liberale fürchtet, der Klimavorbehalt führe direkt zu einem „Klimaabsolutismus“, da ein einzelnes Staatsziel über alle anderen gestellt würde.

Zur Verfassungsänderung der Großen Koalition sagte Birkner jedoch, er „halte es für richtig und vertretbar, hier eine Ausdifferenzierung vorzunehmen.“ Dem eigentlichen Klimagesetz steht die FDP hingegen skeptisch gegenüber. Birkner verlangt eine Klimapolitik, die an den Emissionshandel, an ein bundesweites Konzept sowie an den europaweiten Energie-Binnenmarkt angebunden ist. Das Gesetz richte sich zudem im Wesentlichen an die Landesregierung, die dazu aufgefordert wird, Strategien zu entwickeln. „Da fragt man sich: Warum habt ihr das nicht schon längst getan?“

Regierungsfraktionen loben Maßnahmenplan

Den Vorwurf der Untätigkeit wiesen die Regierungsfraktionen jedoch entschieden zurück, schließlich hätten Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) und Umweltminister Olaf Lies (SPD) erst vor kurzem ein Maßnahmenpaket für den Klimaschutz vorgelegt, das mit knapp einer Milliarde Euro beziffert wird. Martin Bäumer, Umweltpolitiker der CDU-Fraktion, verwies auf die Regelungen des Klimagesetzes zu emissionsarmen Antrieben beim Schienenverkehr, zum emissionsarmen oder -freien ÖPNV, zu Klimaberichten der Kommunen oder zum Klimakompetenzzentrum. Flankiert würden diese durch Förderprogramme für Batteriespeicher oder fürs Bauen mit Holz sowie eine klimagerechte Wiederbewaldung des Landeswaldes.

Dieses Tauziehen zwischen Steak und Tofu muss vorbei sein.

„Wir wollen die Bevölkerung nicht maßregeln, sondern mitnehmen und Anreize schaffen“, sagte Marcus Bosse, Umweltpolitiker der SPD, und forderte: „Dieses Tauziehen zwischen Steak und Tofu muss vorbei sein.“ Gemeint ist damit das Gegeneinander von Klimaschützern und der Industrie. Umweltminister Lies sprach von einem „ambitionierten Ziel“ in 20 Jahren bilanziell klimaneutral zu sein. Denn das bedeute beispielsweise künftig einen jährlichen Ausbau der Photovoltaik wie in den vergangenen zehn Jahren zusammen. Lies sieht darin aber auch eine Chance für die Wirtschaft, die nun verlässlich in die Zukunftstechnologien investieren könne.

Gelobt wird das Gesetz daher auch vom Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) Niedersachsen Bremen. „Für den Klimaschutz und den Ausbau erneuerbarer Energien ist dies ein enorm wichtiger Schritt“, erklärte Wilhelm Pieper, Gründer des Verbandes. Kritik kommt derweil vom BUND, dem die gesteckten Ziele zu lasch sind. Der Verband fordert die Klimaneutralität des Landes bereits bis 2040 und nicht erst 2050 – sonst sei das Ziel, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, nicht zu erreichen. Auch Imke Byl von den Grünen hatte im Landtag bemängelt, dass die Ziele bereits überholt seien, da auch fünf Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen noch zu wenig getan worden sei.