7. Feb. 2023 · Wirtschaft

Kleiner, digitaler, nachhaltiger: Aufzughersteller Kone profitiert von den Trends unserer Zeit

Die Kone Academy im hannoverschen Stadtteil Brink-Hafen ist das größte Schulungs- und Trainingszentrum für Aufzüge, Rolltreppen und Automatiktüren in Europa. | Foto: Kone GmbH

Der Aufzug gilt als das sicherste Transportmittel der Welt. Statistisch gesehen fährt jeder Mensch auf der Welt alle drei Tage einmal mit einem Lift, doch Unfälle sind die absolute Ausnahme. Das ist ein bisschen überraschend, denn anders als viele andere Bereiche des Lebens ist die Aufzugwartung in Deutschland vergleichsweise wenig reguliert. Aufzugsmonteur ist kein anerkannter Beruf, weshalb es keine offiziellen Ausbildungsstandards gibt. „Das ist ein ganz ernstes Problem, aber daran wird sich nichts ändern. Es ist einfach zu teuer“, sagt Thomas Lipphardt, der zu den führenden Aufzugexperten im deutschsprachigen Raum zählt. Die Branche sei mit insgesamt nur 20.000 Beschäftigten in Deutschland einfach zu klein, um so eine Struktur zu etablieren.

„Dabei konnte man in der DDR sogar Aufzugbau studieren“, weiß Lipphardt. Als „Manager Technische Regelwerke“ bei der Kone Corporation hat er an mehreren Richtlinien und DIN-Normen mitgeschrieben und beim Aufbau der „Kone Academy“ in Hannover mitgewirkt. Es ist das größte Trainings- und Schulungszentrum seiner Art in Europa mit einer beeindruckenden Auswahl an Aufzügen, Fahrtreppen sowie automatischen Türen und Toren verschiedener Hersteller. Hier werden Elektroniker, Anlagenmechaniker, Mechatroniker oder andere Fachkräfte zu Aufzugsmonteuren mit großer Verantwortung ausgebildet. Denn auch wenn die Verkehrssicherungspflicht beim Liftbetreiber liegt, gilt laut Academy-Leiter Markus Klewer am Ende dann doch der Grundsatz: „Der Monteur haftet persönlich.“

Benjamin Feustell zeigt den Monospace-Motor von 1996. | Foto: Link

Kone entwickelte 1996 ersten Aufzug ohne Maschinenraum

„Der Kerngedanke der Academy ist es, dass unsere Mitarbeiter auf das vorbereitet sind, was sie da draußen erwartet. Es ist schon eine große Herausforderung für uns, dass wir nicht die einzigen sind, die Aufzüge herstellen, die Verantwortung des Wissenstransfers aber komplett bei uns liegt“, sagt Benjamin Feustell, der bei Kone eigentlich für Großprojekte zuständig ist. Feustell macht aber auch als Reiseführer durch das Schulungszentrum im Norden der Landeshauptstadt eine gute Figur.

Das deutsch-finnische Unternehmen hat an diesem Tag gleich mehrere Führungskräfte zu Tour-Guides erklärt, um sich den Besuchern vom Industrie-Club Hannover von seiner besten Seite zu zeigen. Auch die finnische Botschafterin Anne Sipiläinen lässt sich durch das 2300 Quadratmeter große Trainingszentrum führen, in dem es kaum etwas gibt, das nicht für Schulungszwecke geeignet ist. Selbst hinter Wandbildern verstecken sich digitale Schaltungen. Früher mussten Aufzüge noch durch riesige Relaisschränke gesteuert werden, heute reicht dafür im Prinzip ein Handy.

Auch Kone hat an dieser Minimierung des Platzbedarfs für Aufzüge mitgewirkt. Der erste Aufzug, der ohne einen Maschinenraum auskommt, wurde 1996 hier entwickelt. „Das war revolutionär und ist inzwischen zum Standard geworden“, sagt Feustell. Für Academy-Leiter Klewer ist das geradezu sinnbildlich für das Unternehmen: „Wir machen Innovationen, aber einfach und mit wenigen Komponenten – genauso wie das skandinavische Design.“

„Urbanisierung, Nachhaltigkeit und Technologisierung sind die drei Megatrends, die unser Geschäft antreiben.“

Der „Monospace MX“ von 1996 ist freilich nicht die letzte große Erfindung von Kone gewesen. Der Konzern mit seinen weltweit 60.000 Mitarbeitern hat sich in Deutschland zwar vor allem auf Wartung konzentriert, versteht sich aber immer noch als Technologieführer der Branche. Besonders stolz ist das Unternehmen auf sein „Ultra-Rope“, das Stahlseile im Aufzug durch Karbonfasern ersetzt, die nur ein Fünftel des bisherigen Gewichts wiegen. „Ich habe mal in Physik gelernt: Ein Seil wird irgendwann so schwer, dass es unter seinem Eigengewicht reißt“, erzählt Feustell.

Beim Hochhausbau sei das aber weniger entscheidend als die Tatsache, dass schwerere Aufzugseile den Schwerpunkt des Gebäudes verändern und damit anfälliger für Schwankungen machen können. Das habe auch die Bauherren des „Jeddah Tower“ in Saudi-Arabien überzeugt, der nach seiner Fertigstellung der höchste Wolkenkratzer der Welt sein wird und mit Aufzügen von Kone ausgestattet wird. Der größte Lift wird mit 660 Metern dann neuer Weltrekordhalter sein.

Wer nicht so lange warten will, kann das Ultra-Rope aber auch schon im „One“-Tower in Frankfurt testen. Hier kam auch das neue „Jumplift“-Prinzip erstmals in Deutschland zum Einsatz, bei dem der Aufzug während der Bauphase mitwächst und schon während der Bauarbeiten genutzt werden kann.

Anne Sipiläinen trägt sich im Beisein von Carsten Kuhlgatz (links) und Gudrun Benne vom Industrie-Club Hannover sowie Kone-Geschäftsführer Erik Kahlert ins Goldene Buch der Kone Academy in Hannover ein. | Foto: Link

„Urbanisierung, Nachhaltigkeit und Technologisierung sind die drei Megatrends, die unser Geschäft antreiben“, sagt Erik Kahlert, Kone-Chef im deutschsprachigen Raum. 2021 erwirtschaftete der Konzern einen Jahresumsatz von knapp 10,5 Milliarden Euro, davon 330 Millionen Euro in Hannover. In Niedersachsen liegt Kone damit auf Platz 33 der 100 umsatzstärksten Unternehmen.

Die Aufzugsspezialisten dürften zukünftig noch mehr davon profitieren, dass der deutsche Gebäudebestand nachhaltiger werden muss. Mit seiner neuen „DX-Klasse“ bietet der Konzern jetzt nämlich auch komplett CO2-neutrale Aufzüge an – von der Herstellung bis zur Wartung. Das wurde teilweise auch in der Kone-Academy mitentwickelt, wo sich die Ingenieure abends nach den Schulungen zusammensetzen, Ideen austauschen und Innovationen vorantreiben, die dann in den finnischen Fabriken standardisiert werden.

Ein Beispiel dafür ist der energiesparende Motor der neuesten Lifttypen, der das aus der Elektromobilität bekannte Prinzip der „Rekuperation“ auch in den Aufzugsschacht gebracht hat. „Unser Motor bremst, er fängt Reibung auf und die Energie kann zurückgeführt werden. Diese Technik ist zum Teil hier entstanden“, berichtet Feustell.

Neue Technik verbindet Kone-Lifte mit dem Internet

Während die Aufzüge selbst immer leichter werden, wird die dazugehörige Technik immer komplexer. Die neuen Kone-Lifte sind ab Werk mit dem Internet verbunden. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal von uns“, sagt Feustell. Sensoren lesen alle zwei Sekunden über 200 Parameter aus und leiten sie an die Zentrale weiter, wo sie dann ausgewertet werden. „Dadurch können wir die Reparatur- und Standzeiten von Anlagen minimieren“, so der Ingenieur.

Für die Passagiere soll die neue Technik natürlich alles einfacher machen. So gibt es bei Kone etwa ein modernes Aufzugsteuerungssystem, das die Passagiere den Aufzügen zuordnet. Jede Fahrt wird so optimiert, dass es in großen Bürogebäuden fast keine Wartezeiten mehr gibt. Dieses System sei vor allem bei Aktien-Brokern beliebt, die besonders schnell durchs Gebäude fahren müssen oder wollen. Welchen Vorteil die Vernetzung von Aufzug- und Gebäudetechnik bringt, sieht man auch im Hotelbereich.

Im Radisson Red Vienna ist im April 2022 der erste Roboter-Zimmerservice an den Start gegangen. Der rollende Butler ersetzt die Minibar, indem er Speisen und Getränke direkt an die Hotelzimmertür liefert. „Der Roboter muss dazu natürlich den Aufzug rufen. Und der muss ihn in die richtige Etage fahren“, sagt Kone-Geschäftsführer Kahlert und sieht hier ein wachsendes Geschäft. Da ähnliche Serviceroboter mittlerweile auch in der Logistikbranche Einzug halten, könnte er damit Recht haben.

Der Serviceroboter Jeeves fährt mit dem Hotelaufzug im Radisson Hotel wie ein normaler Gast. | Foto: Kone GmbH/Philipp Lipiarski

Außerdem wollen immer mehr Hotels ihren Aufzug zum Eventort machen. Eine gerade magische Anziehungskraft auf Promis und Influencer hat etwa der Kone-Lift im „25-Hours-Hotel“ in Köln. Der futuristische Aufzug ist innen mit verspiegelten Platten ausgekleidet, deren Zwischenräume von LED-Lampen beleuchtet werden. Durch die gegenüberliegenden Spiegel entsteht eine optische Täuschung, die dem Raum eine unendliche Tiefe verleiht und sich somit als Kulisse für tolle Fotos eignet.

In der Kone Academy in Hannover lässt sich so ziemlich alles für Schulungszwecke benutzen. | Foto: Kone GmbH

Es wäre allerdings falsch, wenn man Kone nur auf seine Aufzugtechnik reduziert. Schließlich sind die Finnen die einzigen, die seit dem Ankauf von „O&K Rolltreppen“ ihre Personenbeförderungsbänder tatsächlich auch Rolltreppen nennen dürfen. Offiziell heißen die Rolltreppen nämlich Fahrtreppen, was durchaus Sinn macht, weil zumindest der Benutzer eher fährt als rollt. Mit der bekanntesten Kone-Rolltreppe sind auch sicherlich schon viele Rundblick-Leser gefahren: Sie befindet sich nämlich in der Hamburger Elbphilharmonie. „Die ist ingenieurtechnisch allererste Sahne“, meint CEO Kahlert und verweist auf die einzigartige Krümmung. Er erinnert sich auch noch sehr gut daran, wie die Rolltreppe bei der offiziellen Premiere mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel plötzlich zum Stehen kam. „Allen blieb das Herz stehen. Was war passiert? Ein Fotograf hatte auf den Nothalt gedrückt, damit er besser fotografieren kann“, erzählt Kahlert. 

Eine weitere Wortkuriosität der Branche ist die Personenvereinzelungsanlage, die wir im Alltag eher als Personenschleuse, Drehkreuz oder vielleicht auch als „Turnstile“ kennen. Auch hier ist Kone sowohl in Service und Wartung als auch als Entwickler und Produzent tätig. Genau wie bei den Fahrstühlen gilt hier das Prinzip: „Weniger ist mehr“. „Durch neue Kameratechnik werden unsere Anlagen sehr, sehr schmal und damit auch interessant für engere Büroräume“, nennt Feustell einen aktuellen Trend.

Und auch automatische Türen und Tore bietet Kone an, die in der Lagerhaltung und im medizinischen Bereich einen großen Absatz finden. Den Unterschied zwischen automatischen Türen und Toren kann der Ingenieur übrigens ganz einfach erklären: „Türen sind für Menschen, Tore sind für Waren.“ Das hängt damit zusammen, dass bei Toren viel größere Kräfte eingesetzt werden, die für eingeklemmte Menschen gefährlich werden können. Umso wichtiger sind hier Sensoren, die Unfälle schon im Vorfeld verhindern und natürlich auch zum Portfolio von Kone gehören.

Dieser Artikel erschien am 8.2.2023 in Ausgabe #023.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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