20. Feb. 2019 · 
Bildung

Klare Ansage von Bischof Wilmer: „Wir müssen die männerbündischen Zirkel aufbrechen“

Der erst seit vergangenen September amtierende katholische Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer, hat erneut seinen Ruf als Reformer in der Kirche unterstrichen. In einer Veranstaltung vor mehr als 500 Gläubigen in der hannoverschen Clemens-Basilika hat der 57-Jährige für ein neues Grundverständnis geworben. Die Zeit sei vorbei, sagte er, in der in der Kirche von oben vorgegeben wurde, wie man unten bei den Gläubigen bestimmte Fragen zu beurteilen habe. Was den Priestermangel angeht, erklärte Wilmer: „Männer und Frauen, die sich in den Gemeinden durch Mitarbeit bewährt haben, muss man für den Beruf gewinnen.“ Ist das ein Hinweis darauf, dass Wilmer zu denen zählt, die Frauen als Pfarrerinnen befürworten? Als Wilmer direkt danach gefragt wird, klingt die Antwort etwas ausweichend, aber lässt doch seine Grundhaltung erkennen: Ob irgendwann Frauen einen Gottesdienst leiten, die Beichte abnehmen und in der Kirche predigen werden, hänge nicht allein von Deutschland ab. Damit ließ Wilmer immerhin seine Sympathie für das weibliche Priestertum durchschimmern. Für Aufsehen hatte schon im vergangenen Herbst gesorgt, dass der neue Bischof eine Frau, die Theologin Dagmar Stoltmann-Lukas, zu seiner persönlichen Referentin und damit wichtigen Beraterin ernannte.
Lesen Sie auch: Bischof Wilmer und Thierse werben für selbstbewusste christliche Leitkultur "Unsere Angst können wir nur mit einer anderen inneren Einstellung besiegen“
Ein Zitat von Wilmer in der Veranstaltung, die Teil einer Art „Zuhör-Tour“ war, ließ an dem Abend besonders aufhorchen. Es ging um die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, und im Bistum Hildesheim ist hier die frühere Bundesgesundheitsministerin und Dezernentin der Region Hannover, Andrea Fischer (Grüne) als externe Beraterin tätig. Fischer ist katholisch geboren, war zwischenzeitlich aus der Kirche ausgetreten und ist nun hierher wieder zurückgekehrt. Bischof Wilmer geißelte die sich häufenden Fälle von sexuellem Missbrauch mit den Worten: „Wir müssen die inneren männerbündischen Zirkel der Kirche aufbrechen.“ Ende vergangenen Jahres hatte Wilmer sich bereits öffentlich von einem seiner Vorgänger distanziert, dem 2010 verstorbenen Bischof Josef Homeyer. Diesem wird vorgehalten, zur Vertuschung von Vorkommnissen beigetragen zu haben. Wilmer sorgte noch mit anderen Positionierungen für Aufmerksamkeit: Er verteidigte den kirchenkritischen Theologen Eugen Drewermann und den Jesuiten Klaus Mertes, der nach seiner heftigen Kritik am Missbrauchsskandal in der eigenen Kirche heftig angegriffen wurde.

Bischof ist viel herumgekommen

Als Wilmer, ein Bauernsohn aus dem Emsland, im vergangenen Jahr zum neuen Bischof von Hildesheim ernannt wurde, erregte das Aufsehen. Denn hier kam keiner, der sich in der kirchlichen Hierarchie Stufe für Stufe hochgearbeitet hatte und quasi als Vertreter des Klerus agiert. Wilmer kam viel in der Welt herum, bevor er nach Hildesheim ging. Er studierte Theologie in Freiburg und Romanistik in Paris, wurde Priester, ging nach Rom und studierte dort französische Philosophie, schrieb seine Doktorarbeit in Theologie, studierte Geschichte auf Lehramt. Danach war er Seelsorger einer Behinderteneinrichtung im kanadischen Toronto, Schulseelsorger und Religionslehrer in Vechta, unterrichtete an einer Jesuiten-Highschool in der New Yorker Bronx, ging wieder zurück ins Emsland und wurde zum Generaloberen seiner Ordensgemeinschaft in Rom gewählt. Im Auftreten ist Wilmer ein zutiefst bescheidener, sehr zurückhaltender Mensch, der sich mit seinen Ansichten den Zuhörern nicht aufdrängen will – und gleichzeitig doch immer wieder, wie auch jetzt in der hannoverschen Clemenskirche, mit seiner Art bei den Menschen ankommt. Er wird in der katholischen Kirche längst als Hoffnungsträger beschrieben, was ihm intern und viele Neider beschert.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #34.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail