14. Juli 2020 · Bildung

Kindergarten-Sperre für Rotznasen? Bremer Beispiel stößt in Niedersachsen auf Kritik

Über das Infektionsrisiko bei Kindern mit Covid-19 ist noch nicht allzu viel bekannt, doch die Sorge ist groß, dass sich das Virus in Kindergärten und Schulen rasant ausbreiten könnte. Vor allem mit Blick auf einen möglichen Regelbetrieb nach den Sommerferien und die bevorstehende Erkältungszeit neigen einige Träger zu drastischen Reaktionen. In Bremen gilt: Ist ein Kind verschnupft, wird es nach Hause geschickt und darf erst mit einem Attest wieder zurück in die Schule oder den Kindergarten. Ist das auch in Niedersachsen möglich?
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In Bremen besteht die Anordnung des Senats, wonach Mitarbeiter und Kinder „bei gesundheitlichen Symptomen wie Husten, Halsschmerzen oder Fieber, die in Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung stehen könnten“, zuhause bleiben sollen. In Niedersachsen sehen die Rahmen-Hygienepläne für Kindergärten und Schulen vor, dass Eltern „auf die Notwenigkeit einer umgehenden ärztlichen Abklärung“ hingewiesen werden, sollte ein Kind während der Betreuungszeit Corona-Symptome zeigen. Könnte also auch in Niedersachsen Kindern bei Erkältungssymptomen der Besuch des Kindergartens oder der Schule generell untersagt werden?
Dass in Bremen Kindergärten Kinder mit Schnupfen aus Angst vor dem Corona-Virus nach Hause schicken, stößt bei uns auf keine Gegenliebe.
In den Regierungsfraktionen von SPD und CDU blickt man mit Skepsis auf das Bremer Modell. „Dass in Bremen Kindergärten Kinder mit Schnupfen aus Angst vor dem Corona-Virus nach Hause schicken, stößt bei uns auf keine Gegenliebe“, erklärte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Politze, auf Rundblick-Anfrage. Gerade Kindergartenkinder seien nicht selten verschnupft – meist verschwinde der Schnupfen jedoch nach wenigen Tagen ohne größere Krankheitssymptome. „Wenn die Symptomfreiheit in Hinblick auf das Corona-Virus erst mit einem Arztbesuch attestiert werden muss, schießt dies deutlich über das Ziel hinaus.“ Politze befürchtet, dass dadurch zuerst die Eltern und schließlich auch die Arztpraxen überfordert werden könnten. Für Mareike Wulf von der CDU-Fraktion klingt das Verfahren „prinzipiell erst einmal sinnvoll.“ Generell sollte man seine Kinder bei einer Erkältung nicht in den Kindergarten oder die Schule schicken, findet die CDU-Bildungspolitikerin. Allerdings sei sie der Meinung, man sollte in einem Flächenland wie Niedersachsen das lokale Infektionsgeschehen bei solch drastischen Schritten im Blick behalten. Für die Eltern wäre es erneut eine große Herausforderung, müssten sie bei jedem kleinen Verdacht zuhause bleiben.

FDP fordert Tests, Grüne neigen zur Vorsicht

In den Oppositionsfraktionen stellt sich das Bild weniger eindeutig dar. Björn Försterling von der FDP-Fraktion berichtet von Kindergärten in Niedersachsen, die bereits so agierten wie in Bremen. „Wir müssen dem Personal und den Eltern Sicherheit geben“, fordert er. „Wenn das aber dazu führt, dass jedes Kind mit laufender Nase nach Hause geschickt wird, kommen wir nie wieder in einen Regelbetrieb.“ Er plädiert stattdessen dafür, künftig Reihentestungen bei Erziehern und Lehrern durchzuführen. Die FDP-Fraktion möchte von der Landesregierung deshalb erfahren, wie sie die Corona-Tests ausweiten will. Den Einwand aus Reihen der Regierung, dass das rein zahlenmäßig nicht zu schaffen sei, weist Försterling zurück. Er wisse von Firmen, die sich genau das zutrauten. Bei den Grünen neigt man derweil eher zur Vorsicht. Julia Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, kann sich das Bremer Modell durchaus für Niedersachsen vorstellen. „Es ist ja auch jetzt arbeitsrechtlich schon so, dass Menschen mit Symptomen nicht zur Arbeit kommen sollen. Vor diesem Hintergrund finde ich das auch für Kindergärten und Schulen nur verantwortungsvoll“, sagte Hamburg auf Rundblick-Anfrage. Die Grünen fordern von der Landesregierung, sich nun entsprechend auf die Herbst-Saison vorzubereiten. Hamburg plädiert dafür, denselben Weg erneut zu beschreiten, den man auch im Frühjahr schon zu Beginn der Corona-Pandemie gegangen war. Damals war es einfach möglich, sich bei Symptomen krankschreiben zu lassen, um die Möglichkeit einer Verbreitung vorsorglich einzudämmen. Gleiches gelte dann auch für Kinder, die nicht in den Kindergarten oder die Schule können. Zudem müsse es dann eine neue Regelung zu Fehltagen geben, weil auf diese Weise natürlich viel mehr Krankentage anfallen würden.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #133.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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