Katzenflut in den Tierheimen: Land fördert Programm zur Kastration
Mit einer großangelegten Initiative und insgesamt 245.000 Euro wollen das Landwirtschaftsministerium, Tierschutzvereine und Veterinäre der unkontrollierten Vermehrung der Straßenkatzen in Niedersachsen begegnen. In den kommenden zwei Monaten sollen freilebende Tiere kastriert, gechipt und wieder ausgesetzt werden, die Kosten für den Eingriff werden aus dem Projekt bezahlt. „Wir rechnen damit, dass das Geld für etwa 2600 Katzen reicht“, sagt die Landestierschutzbeauftragte Michaela Dämmrich. Das Ministerium trägt mit 200.000 Euro Beteiligung den Löwenanteil an dem Fonds. Es ist das erste Mal, dass sich das Land an einer Kastrationsinitiative mit einer so hohen Summe beteiligt. Das liegt daran, dass die Ausbreitung der verwilderten Hauskatzen immer mehr zum Problem wird. Zum einen verbreiten die Tiere Krankheiten, die teilweise auch auf Menschen übertragen werden können. Zum anderen will das Land auf diese Weise den sich zuspitzenden Konflikt zwischen Tierheimen und Kommunen abmildern.
In vielen niedersächsischen Tierheimen leben mittlerweile so viele Katzen, dass die Einrichtungen in ihrer Existenz bedroht sind, weil sie das Geld zur Versorgung der Tiere nur noch schwer aufbringen können. Durch den Fundtiervertrag, den Tierheime in der Regel mit ihren Kommunen haben, bekommen die Heime zumindest einen Teil ihrer Ausgaben ersetzt. Abgegebene Katzen werden als Fund betrachtet und für dessen Pflege ist die Kommune zuständig. Allerdings kritisieren Tierheime, dass das Geld vieler Kommunen für Tierarztkosten, Futter und Unterbringung die tatsächlichen Ausgaben nicht reiche. Dazu komme, dass viele Kommunen streng zwischen Fund- und Wildtier unterscheiden. Nur Katzen, bei denen es Hinweise auf einen Vorbesitzer gibt, würden als Fundtiere betrachtet und damit auch finanziell für ihre Unterbringung unterstützt. Auf den Kosten für die Pflege verwilderter Katzen dagegen blieben die Tierheime sitzen, weil es hierzu keine Regelung gibt. „Bei der steigenden Zahl an verwilderten Katzen wird das Zuständigkeitswirrwarr zur Herausforderung für die Tierheime“, sagt Dämmrich.
Vorschub für flächendeckende Kastrationspflicht
Nur durch Kastration möglichst vieler Katzen lässt sich das Problem langfristig lösen, sind sich Veterinäre und Tierschützer einig. Denn ein einziges Katzenpaar kann innerhalb eines Jahres 14 Jungtiere haben. Doch die Kastration hat mit 140 Euro für eine Katze und 85 Euro für einen Kater einen Preis, den das Tierheim nicht für zahlreiche verwilderte Katzen allein zahlen könne. „Wir wissen, dass unser Projekt das Problem nicht lösen kann, nur mildern“, sagt Dieter Ruhnke, Vorsitzender des Landesverbands vom Deutschen Tierschutzbund. Gleichzeitig hofft er, dass die Initiative einer flächendeckenden Kastrationspflicht Vorschub leisten kann. „Es leben schätzungsweise 1,5 Millionen Katzen in Niedersachsens Haushalten, die meisten davon sind Freigänger“, sagt Ruhnke. Wenn die Besitzer darauf achten müssten, dass die Tiere kastriert sind, gäbe es weniger ungewollte Kätzchen, die anschließend ausgesetzt, verjagt oder ohnehin ohne Obdach geboren würden. Eine Verordnung, die die Kastration und Registrierung bei Freigänger-Katzen vorschreibt, gibt es Ruhnke zufolge in etwa 30 Prozent der niedersächsischen Kommunen. In den größeren Städten wie Osnabrück, Oldenburg, Braunschweig und Hannover gibt es seit einigen Jahren die Pflicht zur Kastration.
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Niedersachsen ist nicht das einzige Bundesland, in dem die Landesverwaltung sich aktiv in die Kastration von Katzen einmischt. Marius Tünte, Sprecher des Deutschen Tierschutzbunds, schätzt das Engagement der jeweiligen Landesverwaltungen aber recht unterschiedlich ein. Schleswig-Holstein etwa habe eine Million Euro in ein auf mehrere Jahre angelegtes Kastrationsprogramm investiert, Mecklenburg-Vorpommern dagegen unterstütze ähnliche Initiativen mit 20.000 Euro. „Bei der Investition liegt Niedersachsen also im Mittelfeld, aber bei der von den Kommunen verordneten Kastrationspflicht gehört es zu den Spitzenreitern.“